Sommer

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Sie hält ihre Hand aus dem Fenster. Die warme Luft fließt ihre Arme entlang, wie Wellen. Sie schaut nach unten, wo die Ahornbäume die Straßen säumen. Es ist Sommer. Es ist
Sommer, die Jahreszeit um das gelbe Kleid zu tragen, welches ganz hinten im Schrank hängt. Ihr Kopf ist schwer, so schwer und ihr Herz gebrochen, so gebrochen.

Sie läuft in die Küche, wo sie sich einen Kaffee kocht. Diese Art von Getränk, die jeglichen Schlaf töten sollte, aber sie spürt diesen Effekt schon lange nicht mehr.

Zurück an ihrem Fenster setzt sie sich auf die Fensterbank. Wie würde es sich wohl anfühlen aus dem Fenster zu fallen? Vielleicht würde sie dann fallen, vielleicht aber auch fliegen, weil fliegen ist wie fallen für einen Moment, oder?

Der Schmerz verläuft durch ihre Knochen. Startete in ihrem Kopf und endet in ihre Füßen. Jeden verdammten Tag spürt sie ihn und wie er weiter nach unten wandert. Jetzt sollte er in ihren Knöcheln sein, denkt sie. In vielleicht einer Woche würde ihr Leben zu Ende sein. In vielleicht einer Woche würde Gott kommen und sie in den Himmel holen. Als sie noch klein war, hatte sie geglaubt, dass wenn jemand starb, dieser von Gott in den Himmel geholt worden ist. Aber nur die perfekten, die guten Menschen kamen in den Himmel. Was machte man, wenn man nicht perfekt war? Sie hatte sich oft vorgestellt, dass eines Tages eine gute Fee kommt und ihre Krankheit, ihren Krebs wegzaubert.

Plötzlich wechselt das Wetter. Die Sonne langweilt sich mit der Welt und Regen fällt vom Himmel. Tropfen als Munition. Gott als Schütze.

In den letzten Jahren hat sie so viel mitgemacht, hatte ihr Leben in dreifacher Geschwindigkeit erlebt. Sie war um die Welt gereist und hatte mehr gesehen, als die meisten in ihrem Alter. Nun ist es aus, nun braucht sie Ruhe. Der Trubel würde hoffentlich in einer Woche enden. Es ist schon lange her, dass ihr klar wurde, dass sie das Spiel verloren hat. Jede Minute hatte sie gekämpft, denn Kämpfer konnten nicht verlieren. Jetzt ist sie schwach und zerbrochen. Schlaf war ihre einzige Aussicht. Sie wollte nur schlafen, für immer, wie Dornröschen. Hundert Jahre schlafen und eines Tages von ihrem Prinzen, der all ihre Besorgnisse von ihr nahm, gerettet zu werden. Sie würde aufwachen und alles wäre bloß ein Traum. Yep, es wäre nur ein Traum. Gott war nur eine Einbildung, aber was war mit ihrem Schutzengel? Wo war er, als sie ihn so sehr gebraucht hatte? Vielleicht war er gestorben. Von ihrem Schmerz und ihrer Angst verblasst worden.

Nun würde die Angst und der Schmerz sie töten. Und nachdem es sie getötet hatte, würde es weiterwandern um das nächste Leben zu zerstören.

Erneut hält sie ihre Hand aus dem Fenster. Die warme, schwüle Luft gleitet an ihr Entlang, als wäre es Wellen. Sie sieht nach unten, wo die Ahornbäume ihre Straße säumen. Ihre Blätter wehen im Wind, wehen mit der Zeit. Es ist die Zeit des Sommer. Es ist die Zeit, um das gelbe Kleid zu tragen, welchen ganzen hinten im Schrank hängt.

Seasons of my lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt