2.- Mr. Johnson der Arsch

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L U C E

"Hast du die Mathehausaufgaben nun?" Liz stützt sich schnaufend auf meinen Tisch und sieht mich erwartungsvoll an. Ihr blondes Haar ist zu einem unordentlichen Dutt geknotet und ihre grauen Augen wandern gehetzt durch den Klassenraum, auf der Suche nach einem Lehrer der ihre Verspätung bemerken könnte.

"Alles gut, Mr. Johnson ist noch nicht da und ja, ich hab Mathe. Das habe ich dir doch geschrieben.", erinnere ich sie und schlage mein Heft auf, damit sie einen Blick drauf werfen kann. Um alles abzuschreiben ist jetzt keine Zeit mehr, aber falls Mr. Johnson sie vortragen lässt hat sie wenigstens eine grobe Ahnung worum es geht.

"Das habe ich nicht mehr gelesen, ich bin doch mit Luke gefahren.", sagt sie geistesabwesend, während sie versucht so viel von meinen Notizen in sich aufzunehmen wie möglich. "Warum hast du denn hier x mal zwei genommen? Das ergibt doch gar keinen Sinn."

Kurz bin ich verwirrt, bis ich merke, dass sie sich auf die Matheaufgaben vor uns bezieht. Schnell werfe ich einen Blick auf das Heft und mach mir kurz Sorgen ob ich mich vielleicht verrechnet habe, aber das ist unwahrscheinlich. Gestern war ich allein Zuhause als ich Mathe gemacht habe, da hatte ich Ruhe und wenn ich Ruhe habe, dann passieren mir normalerweise keine Fehler.

Nach kurzem Suchen finde ich ihren Denkfehler. "Guck, da steht zwar x Quadrat, aber hier, vor der Klammer, steht eine zwei. Dann musst du erst x mal x rechnen und dann das ganze mal zwei. Den Rest musst du erstmal ignorieren, das rechnet man später." Ich zeige auf die Aufgabe und sehe dann meine beste Freundin mit hoch gezogenen Augenbrauen an.

"Achso", murmelt sie zustimmend, sieht aber nicht so aus als habe sie ihren Fehler tatsächlich verstanden. Ich will gerade erneut zu einer Erklärung ansetzen, als Mr. Johnson zur Tür herein kommt und sich für seine Verspätung entschuldigt. Unser Mathelehrer, der, wenn ich richtig schätze, Anfang dreißig sein müsste, setzt sich in seiner gewohnt lässigen Art auf die Tischkante seines Pultes.

"Keine Sorge Klasse, ich habe die Hausaufgaben natürlich nicht vergessen! Elizabeth, willst du sie vielleicht vortragen? Ich bin mir sicher du wirst das ganz hervorragend machen, und deshalb werde ich dir auch eine Note darauf geben. Na dann, fang mal an.", fordert er meine beste Freundin gespielt enthusiastisch auf und klatscht in die Hände. Liz neben mir weicht alle Farbe aus dem Gesicht, und sie sieht aus als wäre sie auf dem Weg zu ihrer persönlichen Hinrichtung.

Die Arme.

***

"Mr. Johnson ist so ein Arsch! Er wusste ganz genau, dass ich die dämliche Hausaufgabe nicht gemacht habe. Ich weiß ja, dass er mich nicht leiden kann und so, aber deswegen muss er mich doch nicht gleich vor der ganzen Klasse so bloßstellen! So ein verdammter Penner!", wütet Liz, sobald wir den Klassenraum verlassen haben, drauf los.

"Er ist Lehrer, sind die nicht alle so?", frage ich und bemühe mich nichts zur Verteidigung unseres Lehrers zu sagen, denn auch wenn Liz seine Methoden schrecklich findet weiß ich, dass sie effizient sind und irgendwie ist mir Mr. Johnson sympathisch. Seltsam, ich weiß.

"Ja, trotzdem. Er kann mir doch nicht einfach eine fünf geben und behaupten ich würde nichts mit meinem Leben anfangen! Was weiß er denn schon? Der hat mich auf dem Kieker, ich sags dir!" Ihre Wangen sind vor Wut ganz rot geworden und wieder einmal muss ich mich über meine beste Freundin wundern. Auf den ersten Blick wirkt sie wie ein ruhiges, schüchternes und eher unsicheres Mädchen, aber sobald man sie eine Weile kennt und sie den Mund aufgemacht hat, ist sie eine Wundertüte voller Gefühle und steigert sich furchtbar gerne in die banalsten Dinge hinein.

Ich selbst bin auch keine besonders ausgeglichene Person, aber ich kann mich definitiv besser zusammenreißen als Liz. Mit einem älteren Bruder und zwei kleinen Geschwistern die permanent Aufmerksamkeit benötigen, lernt man irgendwann wann es besser ist die Klappe zu halten, weil ein Kampf aussichtslos ist. Ich schätze es steigert die Selbstkontrolle, wenn deine Eltern dich als mittleres Kind immer übergehen oder als Babysitter ausnutzen.

Liz kannte das alles nicht. Sie war Einzelkind, die Glückliche.

"Erde an Luce! Irgendwer Zuhause?" Besagtes Einzelkind wedelt jetzt wie wild mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.

"Jaja, alles gut. War nur in Gedanken.", wiegele ich ab und werfe meine Sachen ins Schließfach.

"Okay, lassen wir das Thema Mr. Johnson, das macht mich nur aggressiv." Sie lächelt verschmitzt und lehnt sich gegen die Wand. "Sprechen wir lieber über Luke."

Innerlich verdrehe ich die Augen. Sie redet seit Wochen über nicht anderes als Luke, aber nach der Sache mit Mike, ihrem Ex-Freund, gönne ich ihr das Glück, weswegen ich nichts sage.

"Er hat mich heute morgen angerufen und gefragt ob er mich abholen kann, voll süß ich weiß." Liz hakt sich bei mir ein, während wir uns durch die Massen auf dem Flur kämpfen. "Er hat mich also mit seinem Auto abgeholt, ich meine, hallo, sein eigenes Auto, wie cool ist das denn bitte? Er war so niedlich, hat mir die Tür aufgemacht und mir die Jacke abgenommen. Luke ist einfach so ein Gentleman und...-"

Ab dort höre ich ihrer Lobeshymne über Luke nicht mehr zu und plane stattdessen meinen restlichen Tag. Es ist unwahrscheinlich, dass wir am ersten Tag nach den Ferien einen Test schreiben, aber vielleicht fragt die Lehrerin trotzdem den Stoff vom letzten Jahr ab? Und für Physik habe ich absolut gar nichts vorbereitet, verdammt, das wollte ich gestern Abend noch machen! Hoffentlich habe ich Glück und wir machen nur Organisatorisches und keinen richtigen Unterricht.

Als wir endlich auf dem Schulhof angekommen sind, zieht Liz mich zum Glück nicht mit zu Lukes Clique, sondern steuert auf eine Gruppe zu die im selben Jahrgang ist wie wir. Einige Gesichter kenne ich mehr andere weniger.

"Hey Luce, wie geht es Devon?", fragt mich ein Mädchen mit kurzem braunen Bob. Sie kommt mir wage bekannt vor und hat ein nettes Lächeln, weshalb ich ungezwungen antworte.

"Sitzt zu viel am PC und blockiert das Bad. Aber Hauptsache die Haare sitzen." Die Gruppe lacht und ich stimme mit ein.

"Er sieht so verdammt gut aus.", schwärmt eine Andere und ihre Freundin stimmt ihr zu."Ist er schon hier?"

Sie sehen sich um und suchen nach meinem Bruder. Ich will Ihnen gerade sagen, dass mein werter Bruder noch Zuhause ist und sie ihn, wenn er sich überhaupt entscheidet zur Schule zu kommen, nicht vor der dritten Stunde erwarten können, als es zur nächsten Stunde klingelt.

Na dann, auf ins Getümmel.

Alpha's MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt