Fehlende Intelligenz

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Als ich sie endlich finde, liegt sie im nassen Gras und schaut gen den wolkenreichen Himmel.

Wie immer kann ich ihre Emotionen nicht deuten, lege mich still neben sie und spüre wie die Feuchtigkeit von meiner Ersatzkleidung aufgezogen wird.

Langsam schiebt sich die Sonne einen Weg durch die weißen Wolken. „Glaubst du es hat etwas mit der Intelligenz zu tun, was Menschen in den Wolken sehen?", flüstert sie monoton. Sie blickt starr auf eine große Wolke über uns. „Ich meine, liegt es an der Intelligenz welche Formen man in den Wolken sieht? Erkennen studierte etwa nur Bücher in ihnen? Und zum Beispiel normale Zeitarbeiter nur Tiere?". Sie schaut mich einen Moment an und wartet auf eine Antwort. „Ich glaube es liegt weniger an der Intelligenz des Menschen, welche Formen die Wolken für ihn annehmen. Sondern an den Interessen, Vorlieben und der Kreativität" ,flüstere ich zurück und meine es ernst. „Was erkennst du in ihr?", sie zeigt auf die Wolke über uns. Ohne nachzudenken antworte ich: „Sie sieht aus wie eine Gitarre". Sie nickt. „Ich sehe in ihr ein Einhorn. Sieh nur, der Kopf deiner Gitarre ist für mich das Horn, der Rumpf des Einhorns ist der Korpus deiner Gitarre". Gespannt blicke ich sie an und langsam sehe auch ich in der Wolke ein Einhorn. „Nein, also da stimmt etwas nicht", versuche ich ernst zu sagen. Sie blickt mich einen Moment enttäuscht an. „Die Wolke hat in der Mitte ein Loch, siehst du", ich zeige auf das kleine Loch das gerade entstanden ist. „Demnach muss dein Pony mit Horn ein Loch im Bauch haben, wo bei meiner Gitarre das Schallloch ist". Wieder blickt sie zu mir und wieder zur Wolke. "Pony mit Horn" ,wiederholt sie verächtlich. „Du hast Recht", sie gibt den Ansatz eines Kicherns. „Die Wolken die wir sehen, sind wie das Leben. Wir machen aus ihnen das, was wir wollen. Du hast ohne zu zögern gesagt, sie sieht aus wie eine Gitarre. Wahrscheinlich bist nur du es, der es so sieht. Es liegt nicht an der Intelligenz des Menschen alleine, wie weit wir im Leben kommen. Das Ziel ist es, etwas wunderbares in seinem Leben zu machen, nicht das was andere von einem wollen. Sondern nur das, was einen Interessiert". Sie nimmt sich meine Hand. „Du interessierst dich also für Einhörner?", frage ich belustigt. Sie greift meine Hand kräftiger und kichert wieder leise. „Wer tut das nicht?". „Vielleicht möchte ich doch lieber von einem Intelligenten untersucht werden, wenn ich krank bin, als von einer die sich für Einhörner interessiert". Ich lächle sie an und bete, dass sie meinen Witz versteht. Ich zumindest habe ihre Worte verstanden und finde das sie absolut Recht hat.

Und ja das tut sie. „Gut, in dem Punkt hast du Recht. Aber ich habe mich eine Weile von meinen Eltern beeinflussen lassen. Als sie mir erzählten, ich wäre wahrscheinlich hochbegabt, habe ich um so mehr gelesen und versucht noch schlauer zu wirken. Aber sie erzählten es jedem und die Kinder in meiner Umgebung fingen an mich zu meiden. Also lehnte ich diesen Test ab und sie erzählten mir plötzlich immer öfter wie eigenartig ich bin, wie anormal meine Verhaltensweisen sind und auch sie fingen langsam an mich zu leugnen. Den Spruch heute habe ich schon oft mit bekommen, mein Vater hat mir schon häufig das Gefühl gegeben, nicht akzeptiert zu werden. Ich weiß das ich anders bin. Ich habe lange Zeit versucht ihnen zu gefallen, mal schlechte Noten nach Hause gebracht, dann sehr gute. Es ging nicht. Und immer mehr habe ich mich gehasst. Ich habe nicht verstanden was mit mir los ist. Irgendwann wurde herausgestellt, dass ich an dem Asperger- Syndrom leide. Ich habe viel darüber gelesen und langsam lerne ich wie ich es schaffe, weniger anormal zu sein. Oder zumindest so zu wirken. Mir wurde erzählt an welchen Stellen normale Menschen lachen, wie das Gesicht aussieht wenn man traurig ist und wie sich die Mundpartien verändern, bei unterschiedlichen Emotionen. Ich habe gelernt aus den Gesichtsausdrücken der Menschen zu lesen, als wären sie Bücher. Ich lache, wenn jemand offensichtlich einen Witz gemacht hat. Aber trotzdem hasse ich mich dafür. Oft verstehe ich nicht warum Menschen lachen, sie nennen es Sarkasmus oder Ironie. Ich habe noch nie verstanden, warum jemand etwas sagt und es nicht so meint". Ihr laufen einige Tränen über die Wangen. Ich knie mich über sie. Bevor ich etwas sagen kann, fährt sie fort: „Meine Augen weinen, aber ich verstehe nicht warum. Für alle ist es offensichtlich. Aber für mich nicht! Weißt du wie schrecklich es ist, jemanden Mitgefühl zu schenken, wenn der Partner sich von dem getrennt hat und derjenige dich auslacht, weil er glücklich über dieses Geschehen ist?". Ich schüttle den Kopf. Nein. Das weiß ich nicht. Müde versucht sie zu lächeln. „Genau. Es fühlt sich an, wie wenn jemand dir sagt, es wäre unmöglich in einer Wolke ein Einhorn zu sehen! Niemand kann meine Beweggründe verstehen, dass können wir nur selber, andere müssen es akzeptieren. Aber es gibt Menschen, die wollen es nicht. Sie nötigen dich dazu, zum Beispiel in ihr eine Gitarre zu sehen. Und diesen Menschen fehlt die Intelligenz!". Ich nicke. „Ich denke, dass ist eines der Ziele im Leben. Fest zu stellen, dass dich viele Menschen so verändern wollen, wie sie es gerne haben. Sie wollen sich nicht eingestehen, dass es Menschen gibt, die in Wolken Einhörner sehen. Sie verurteilen dich. Du bist nicht weniger schlau, nur weil du Fabeltiere in Wolken erkennst. Diese Menschen musst du aus deinem Leben verbannen, damit du glücklich wirst", sage ich und greife nach ihren Händen. „Nur leider ist es schwer, wenn es deine Eltern sind. Eigentlich deine ganze Umwelt". „Ich stehe zu dir!", sage ich schnell. „Wo warst du nur mein ganzes Leben?" ,flüstert sie und plötzlich machst sie etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Sie zieht mich am Hals behutsam zu sich runter, und küsst mich auf den Mund. „Immer zur falschen Zeit am falschen Ort!", stöhne ich hervor und erwidere die Küsse. „Wir haben einiges nachzuholen!", erwidert sie und zieht mich noch näher zu sich.

Be different (Nick JONAS) *beendet* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt