Kapitel 5

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Als ich das Schulgebäude betrat hatte ich ein ungutes Gefühl. Vielleicht hätte ich doch nicht herkommen sollen?

'Du schaffst das schon.' Versuchte ich mir selbst Mut zuzusprechen. Ich atmete noch einmal tief durch und begab mich auf den Weg zu meinem Spind, wo Emma schon auf mich wartete. Ich bemühte mich um ein lächeln, als sie mich in eine Umarmung zog. "Wie geht es dir?", erkundigte sie sich. Ich konnte den besorgten Ausdruck in ihrem Gesicht erkennen.

'Scheiße' dachte ich mir.

Doch ich lächelte, "Gut".

Emma zog skeptisch eine Augenbraue nach oben, sagte aber nichts mehr zu dem Thema und ging mit mir Richtung Klassenzimmer. Wir gingen gerade von der Clique der 'Badboys' vorbei, als Emma mich mit ihren Ellbogen in die Seite rammte. "Hast du mit bekommen wie Aiden dich gerade angesehen hat?", berichtete sie mir kurz darauf mit diesem typischen Grinsen im Gesicht. Ich sah sie etwas verwirrt an. "Ähm nein? Wieso sollte er?". Ihre braunen Augen sahen mich entsetz an: "Kannst du dich nicht mehr erinnern? Er war es, der dich am Samstag gerettet hat!". Ich riss meine Augen auf und mein Kinn klappte nach unten.

Was?


Nach der nächsten Stunde hatten wir eine kleine Pause, in der ich meine Bücher in den Spind legte. Emma war gerade bei den Toiletten, also war ich alleine. Als ich die Tür meines Spindes gerade geschlossen und ich mich gerade umgedreht hatte, fuhr ich zusammen und ließ fast meine Bücher fallen. Ein braunes Augenpaar blickte mich an, das definitiv nicht zu Emma gehörte.

Aiden.

Ich erstarrte und und blickte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als er mich anlächelte. "Ähm ich wollte nur Fragen wie es dir nach ähm dem Vorfall am Wochenende geht..." Er fuhr sich verlegen durch die Haare. Ich konnte es nicht fassen. Aiden Davis sprach mit mir und das auch freundlich. Ich versuchte irgendwelche Worte zu finden. Und schüttelte kurz den Kopf um klare Gedanken zu fassen: "Mir geht es ganz gut denke ich...". "Das freut mich. Claire, richtig? Ähm ich geh dann mal wieder", er lächelte noch einmal und winkte mir zum Abschied, bevor er sich umdrehte und mich völlig verdattert stehen ließ. Plötzlich hörte ich Emmas Stimme hinter mir: "Was war das denn? Geht man einmal auf die Toilette und verpasst alles." Kopfschüttelnd zog sie mich Richtung Klassenzimmer.

Als es nach der letzten Stunde läutete ging ich mit Emma gemütlich zu den Spinden. Wir gingen gerade den langen, sich langsam leerenden, Gang entlang, als plötzlich jemand in mich reinlief und mich ins Schwanken brachte. Mit einem kurzen Aufquieker machte ich mit meinem Hintern Bekanntschaft mit dem Boden. Meine Brille war mir dabei von meiner Nase gefallen und neben mir auf den harten Steinboden gefallen. Scheiße. Bitte sei nicht kaputt! Unsicher und etwas verschwommen tastete ich nach meiner Brille und hielt sie mir vor die Nase, um bei meiner Kurzsichtigkeit erkennen zu können, ob sie zersprungen war. Erleichtert atmete ich aus, setzt sie mir wieder auf und blickte den dünnen Arm hoch, der mir entgegengestreckt wurde. Ich sah in Emma's besorgtes Gesicht. „Hast du dir wehgetan?" Ich schüttelte den Kopf und sie zog mich wieder auf die Beine. Ich klopfte mir den Staub von meinem Gewand als ich Emma fluchen hörte: „Und dieser Vollidiot geht einfach weiter! Nicht einmal entschuldigen kann er sich!". Ich schüttelte den Kopf: „Ach Emma. Ist doch nicht so schlimm. Mir geht es doch gut". Ich lächelte, legte meine Bücher in meinen Spind und umarmte Emma zum Abschied.

Als ich die schwere Glastür unserer Schule öffnete, konnte ich erkennen, wie mein Bus vor der Schule stand und gerade wegfuhr, als ich auf ihn zu rannte. Ich starrte ihn fassungslos hinterher. Nicht dein Ernst jetzt.

„War das dein Bus?", hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir sagen und ich zuckte wieder einmal zusammen. Ich schaute völlig perplex in die braunen Augen von Aiden. „Was?", stammelte ich. Er lächelte und wiederholte geduldig seine Frage: „War das dein Bus, der da gerade weggefahren ist?". Noch immer etwas durcheinander versuchte ich nach einer passenden Antwort zu suchen: „Ähm... ich denke schon... aber ist jetzt auch egal... ich gehe einfach.". Ich winkte noch einmal zum Abschied und drehte mich um. Aus dem Augenwinkel konnte ich jedoch sehen wie er mir folgte. Ich zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. Was hat der jetzt schon wieder vor? „Ich werde dich begleiten.", beantwortete er völlig selbstsicher meine unausgesprochene Frage. „Das musst du nicht.", versicherte ich ihm. Er starrte mich ausdruckslos an, zeigte aber kurz darauf wieder dieses perfekte Zahnpasta-Werbung-Lächeln: „Ich will aber."

Die ersten Minuten schwiegen wir und jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Mir war es peinlich zu fragen, aber eine Frage ließ mich nicht los. Kurz rang ich mit mir selbst bis ich Mut fasste und zu ihm aufsah: ,,Wieso hast du mich gerettet?". Er blickte zu mir herunter und seine warmen Augen trafen meine. Er schien nachzudenken. Ich konnte seinem Starren nicht mehr standhalten und wendete meinen Blick ab, als ich ihn sprechen hörte: ,,Ich weiß es nicht. Ich wollte gerade frische Luft schnappen. Und da sah ich dich, so hilflos. Ich denke jeder mit einem gesunden Menschenverstand hätte geholfen. " Ich blickte wieder auf und sah das er mich beobachtete ich wurde leicht rot und murmelte ein "Danke". Seine Selbstsicherheit kam wieder zurück und ich konnte spüren wie er lächelte: ,,Kein Ding".

Als wir in den nächsten Minuten meinem Haus immer näher kamen, wurde ich immer nervöser. „Hier sind wir nun...", ich spielte mit dem Saum meines Pullovers „Willst du vielleicht mit rein kommen? Ich denke ich habe noch dein T-Shirt...". Er schien zu überlegen, nickte dann aber und lächelte mich an. Ich brauchte ein paar versuche um meinen Schlüssel in das Schloss zu bekommen. Als ich die große Eingangstür öffnete kam uns sofort meine Katze entgegen. Ich musste lächeln, als sie sich an Aiden's Bein schmiegte. Kurz blickte er mich überrascht an, dann kraulte er aber dem Fellknäul den Hals: „Wie heißt sie?", er sah mich begeistert an und mein Lächeln wurde noch breiter: „Sie heißt Mae".

Nachdem Aiden sich schwer von meiner Katze getrennt hatte, gingen wir hoch in mein Zimmer. „Setz dich, ich hole schnell das T-Shirt.", murmelte ich, bevor ich in meinen begehbaren Kleiderschrank lief und mit dem Kleidungsstück in der Hand wieder zurück eilte. Er wollte es gerade in seinen Rucksack packen, als meine Zimmertür schwungvoll aufgerissen wurde und meine Mutter in der Türschwelle stand. „Claire, Essen ist fert-'', meine Mutter brach mitten im Satz ab und blickte Aiden überrascht an: „Ich wusste gar nicht, dass du besuch hast." „Das ist Aiden, Mum. Er hat mich am Samstag gerettet..." Meine Mutter lächelte wieder und hielt Aiden freudig ihre Hand hin: „Na wenn das so ist, willst du mit essen?"

„Wenn es Ihnen keine Umstände macht, gerne.", antwortete Aiden und setze wieder sein typisches Dauergrinsen auf. Etwas verwirrt über seine Höflichkeit sah ich meiner Mutter hinterher, die schon in Richtung Küche verschwunden war. Ich stand von meinem Bett auf und ging vor Aiden in die Küche. Mir stieg der Geruch von frischem Essen in die Nase und ich bemerkte wie sich mein Magen zusammenzog. Ich hatte seit Samstag nichts Vernünftiges mehr gegessen. Man konnte ein lautes Knurren hören, weshalb ich schnell meine Hand vor meinen Bauch hielt. Ich konnte Aiden neben mir schmunzeln sehen: „Das braucht dir nicht peinlich zu sein" Meine Wangen färbten sich leicht rosa, weswegen ich mich schnell zu einem Küchenschrank umdrehte und Teller herausholte, um diese gleich darauf auf unserem großen Küchentisch zu verteilen.

I hate you, I love youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt