Infinity and Beyond (Harry FF)

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"Wir sehen uns dann in drei Wochen Mrs. Dalton." Der Doktor gibt mir mit einem perfekt aufgesetztem Lächeln die Hand und schüttelt sie einmal leicht. Er nickt meiner Mutter noch einmal zu und verschwindet dann aus der Tür. Ich atme einmal mit zittriger Stimme ein und wieder aus. Meine Lippen beben und meine Hände wollen einfach nicht aufhören zu zittern.

Schon wieder ein Anfall.

"Schatz, geht es?" Meine Mutter legt besorgt einen Arm um mich und versucht mich zu beruhigen. Ich schüttle sie ab und stehe auf. Ich laufe in die andere Ecke des Raumes und balle meine Hände zu Fäusten.

"Maus, bist du dir sicher das ich nicht nochmal den Doktor holen soll?" Fragt sie und zeigt auf die Tür. Ich schüttle mit zusammengebissenen Zähnen den Kopf.

"Mir geht es gut, okay?!" Ich beiße mir auf die Unterlippe als das Zittern am ganzen Körper endlich aufhört.

"Können wir bitte hier raus? Ich will meine Zeit außerhalb von hier gerne geniessen." Ich lege meine Hand auf die Türklinke und schaue noch einmal zu ihr zurück. Sie greift mit ihren zierlich Fingern meine Tasche und läuft dann zu mir. Ich öffne die Tür und trete raus.

Endlich Freiheit!

Raus aus diesem 'Ort des Wartens', in dem ich die letzten zwei Monate meines Lebens verbracht habe. Dieser 'Ort des Wartens' ist eigentlich ein Krankenhaus, aber ich nenne es gerne so, weil es doch eigentlich nur ein Gebäude ist, wo man wartet. Man wartet darauf das man Gesund wird oder man wartet auf den Tod. Und diese beiden Sachen, haben doch einen enormen Unterschied. Ich bin hier eingesperrt. Und das alles nur wegen meiner Krankheit. Aber jetzt habe ich endlich Zeit. Zeit außerhalb dieser Hölle. Jeden Tag war ich auf diese Schläuche angewiesen. Ich konnte nicht ohne Mary, meiner persönlichen Krankenschwester, aus dem Bett raus. Ich war ein Plegefall. Aber das hat jetzt endlich ein Ende.

Ich verabschiede mich im Vorbeigehen von Mary und den anderen Krankenschwestern. Sie winken mir zu, setzen wie mein Arzt ein Lächeln auf und beobachten mich beim Weggehen. Ihr Lächeln strahlt Freude aus. Freude, die sich sehr auf Nächstenliebe bezieht. Sie freuen sich für mich das ich hier endlich raus kann. Aber gleichzeitig liegt in ihrem Lächeln auch Trauer, das wenn ich zurückkomme alles vorbei sein wird und Hoffnung, das es nie so kommen mag. Ich nicke allen vieren noch einmal zu und verschwinde dann aus der Eingangstür.

xxx


"Eleanor und Katie warten schon auf dich. Die beiden haben dich wirklich vermisst." Meine Mutter schaut immer wieder zu mir rüber während sie gleichzeitig versucht sich auf die Straße zu konzentrieren. Ich lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe und schaue dem Regen zu. Jeder einzelne Regentropfen geht seinen eigenen Weg. Ich wünschte ich könnte das auch. Ein Regentropfen sein. Eleanor und Katie haben beide seid ein paar Wochen die Schule hinter sich. Jetzt haben sie frei und wollen ihre Zeit mit mir verbringen. Eleanor geht dann nach Manchester und studiert. Katie will in London bleiben und sich nach einer Ausbildung umschauen. Die beiden gehen ihren Weg. Wie gerne ich das auch tun würde. Ich gehe schon lange nicht mehr in die Schule. Manchmal kam meine Tante, Svea, und gab mir Privatunterricht im Krankenhaus. Schließlich will ich auch nicht komplett ohne Bildung sein. Aber mehr können meine Eltern sich einfach nicht leisten. Sie tun was sie können. Mein Vater arbeitet ständig. Von Montags bis Samstags und Sonntags arbeitet er noch zusätzlich. Ich sehe ihn kaum. Er kommt mich nie besuchen, weil er arbeiten muss. Aber ich bin ihm dankbar, denn ich weiß das er das nur für mich macht. Mum versucht für mich dazusein, arbeitet nebenbei aber auch. Sie versuchen alles um das Geld für die OP zu kriegen. Ich danke ihnen so sehr dafür aber eigentlich machen sie sich damit ihr Leben kaputt. Sie machen sich selber nur noch was vor. Sie tun so als würden sie sich noch lieben aber eigentlich hat diese ganze Arbeiterei alles kaputt gemacht. Meine Krankheit hat alles kaputt gemacht! Die Krankheit hat mich kaputt gemacht, meine Familie und mein ganzes Leben. Ich werde niemals ein normales Leben führen können.

Meine Mum fährt auf die Einfahrt unseres kleinen Hauses auf. Ich schnalle mich ab und gucke durch das Fenster nach draussen. Viel hat sich nicht geändert. Das Vordach über der Veranda hat immer noch einen Riss und der Balken der alles hält hat auch immer noch einen Knacks. Die zweite Stufe der kleinen Treppe vor unserer Tür ist kaputt. Alles wie immer. Meine Eltern können es sich einfach nicht leisten das alles zu reparieren. Sie könnten es, wollen aber so viel Geld wie möglich für meine OP sparen.

"Selina, warte mal kurz." Meine Mutter legt eine Hand auf meinen Oberschenkel und hält mich somit vom aussteigen ab.

"Dein Vater und ich tun wirklich viel damit du diese OP bekommst..."

"Ich weiß Mum. Und ich bin euch auch unendlich dankbar dafü-"

"Das meinte ich garnicht Selina!" Ihre Stimme wird etwas lauter als gerade. Sie schaut mich einmal kurz entschuldigend an bevor sie ihre Hand zu ihrem Mund führt und an ihren Nägeln kaut. Ich schließe die Augen und gucke nach unten.

"Ich will dir nur sagen, das ich jetzt auch eine feste Arbeit habe, keinen Halbtagsjob mehr. Dein Vater und ich werden alles tun damit du nicht..." Sie stoppt und fängt an zu schluchzen. Ich gucke zu ihr auf und sehe eine Träne ihrem Auge entweichen. Ich versuche zu lächeln. Einer muss doch stark bleiben!

"Mum, ich weiß doch. Ich verstehe das." Ich streiche ihr über ihren dünnen Oberarm. Ihre Hand umschließt ihre Nase und sie fängt immer mehr an zu weinen.

"El...Eleanor und Katie sind für dich da, ja? Ich muss das jetzt einfach durchziehen, sonst kriegen wir das Geld nicht zusammen." Sie schluckt einmal schwer und schaut mich dann wieder durchdringend an. Ihre schwarzen Haare fallen ihr ins Gesicht. In ihren sonst so schönen braunen Augen erkenne ich Angst und Trauer.
Sie muss stark bleiben. Für mich und für sich selbst.

"Mum, ist gut. Vielleicht gehe ich auch arbeiten, mal sehen..."

"Nein, Selina! Nein! Du schonst dich und ich will das du die Zeit jetzt geniesst, mit deinen Freundinnen." Ich nicke schwach und beiße mir auf die Unterlippe. Ich würde Mum und Dad so gerne helfen. Sie tun alles für mich, ich will auch etwas für sie tun, aber was kann ich schon tun?

"Es reicht das du bei uns bist damit wir beide glücklich sind." Beantwortet Mum meine unausgesprochene Frage. Sie legt ihre Hand auf meine Wange und streicht leicht darüber. "Und jetzt geh ins Haus und lass deine Freundinnen nicht länger warten." Sie lacht und schaut zum Wohnzimmerfenster hin. Ich folge ihrem Blick und sehe El und Katie an der Scheibe kleben wie Insekten. Ich muss auch lachen.

"Danke Mum! Für alles!" Ich lehne mich zu ihr vor und drücke einen Kuss auf ihre Wange. Sie lächelt schwach.

"Jetzt geh schon!" Sie lacht und stubst mich leicht in Richtung Autotür. Ich lache und steige schließlich aus. Da es regnet ziehe ich mir schnell meine Kapuze über den Kopf. Ich renne zur Haustür, überspringe dabei die zweite Stufe und ziehe dann den Schlüssel aus meiner Hosentasche. Doch bevor ich die Tür aufmachen kann wird sie von zwei strahlenden Mädchen aufgerissen. Ich höre nur noch zwei Freudenschreie und dann werde ich in eine stürmische Umarmung gezogen.

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