1.Meine Tante

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Ich tippte nervös auf meinem Handy die Nummer meines Freundes Matteo ein. Während ich mich mit schnellen Schritten von meiner Patentante Sharon, die sich gerade mit ihrem persönlichem Berater unterhielt, entfernte, hielt ich den Hörer ans Ohr.

Dieses Piepen ging mir geschmeidig auf die Nerven. Konnte er denn nicht endlich rangehen? "Ich bin gerade nicht zu erreichen. Hinterlasse mir doch eine Nachricht, vielleicht rufe ich ja zurück.", kam es aus dem Lautsprecher meines Handys.
Das konnte doch nicht wahr sein! Er ist doch eher als ich nach Mexiko geflogen, wieso geht er nicht ran? "Matteo, wo bist du, mein Schatz? Wir wollten uns doch treffen, wir sind vorhin gelandet und jetzt machen wir uns gleich auf den Weg. Ich vermisse dich. Kuss.", sprach ich auf seine Mailbox bevor ich mein Handy wieder in meiner Tasche verstaute.

Ich vermisste ihn schrecklich. Wir hatten uns die kompletten Ferien nicht gesehen, da meine Patentante und ich durch ganz Amerika reisten. Wir kamen gerade aus New York und waren nun in Cancún, Mexiko.
Ich lebte bei ihr, da meine Eltern Diplomaten waren und nie Zeit für mich hatten. Wahrscheinlich wäre das sogar besser, als mit ihr zusammen zu leben.

Mein Freund Matteo und ich wollten uns hier treffen bevor wir gemeinsam nach Buenos Aires zurückreisten.
Meine Patentante wollte sich hier ihre neue Sommerresidenz ansehen. Da musste ich ja nicht unbedingt dabei sein.

"Ámbar!", rief mich meine Patentante. Ich zuckte leicht zusammen beim Klang ihrer Stimme. Ich drehte mich zu ihr und sie verdrehte die Augen. "Ja, Tantchen?" sagte ich übertrieben freundlich. "Komm endlich! Ich habe nicht ewig Zeit!"
Schnell nahm ich meinen Koffer und lief schnell zu ihr und folgte ihr auf dem Weg zum Auto.

Rey, der persönliche Berater meiner Patentante, hielt mir bereits genervt die Tür auf. Ich stieg ohne ihn direkt anzusehen schweigend ein.
Die ganze Fahrt über sagte ich nichts.
Ich starrte auf mein Handy und hoffte auf einen Anruf von Matteo.

Als wir nach einer gefühlten Ewigkeit an der Villa ankamen stieg Rey aus und hielt Sharon die Tür auf und half ihr raus. Er knallte die Tür zu, ich zuckte zusammen und er lief der Blonden wie ein Hündchen hinterher.
Ich blieb noch sitzen. Die beiden kümmerte es nicht, dass ich noch hier drin war. Ich konnte schließlich auch alleine aussteigen, was ich dann auch tat.

Als ich den Kofferraum öffnete war da nicht nur mein Koffer sondern auch noch die 2 riesigen Koffer meiner herzallerliebsten Patentante.
Nacheinander nahm ich die Koffer aus dem Kofferraum. Bei meinem musste ich mich nur wenig anstrengen, aber als ich die meiner Tante herausnahm hatte ich das Gefühl bald von ihnen zerquetscht zu werden. Außer Puste wandt ich mich dem Weg zur Tür zu. Na super.
Nun die Treppen hoch.

Nach einigen Minuten hatte ich den ersten Koffer nach oben gezerrt. Es war allerdings nur einer. Und zwar meiner.
Ich setzte mich auf die Stufen und sah die anderen Koffer an.
Konnte sie nicht einmal selbst etwas machen? Anscheinend hatte sie Besseres zu tun, als ihrem Patenkind zu helfen und unterhielt sich mit den Angestellten.

Langsam raffte ich mich mit neuer Kraft wieder auf und zerrte den nächsten Koffer die Treppe hoch. Es fühlte sich an als würden mir gleich die Arme abfallen. Mit jeder weiteren Stufe dachte ich meine Arme leiern immer mehr aus. Ich war schon fast oben, da hörte ich wieder meine Tante nach mir schreien. "Ámbar!? Wo bist du?!"
Ich seufzte genervt. "Hier draußen bin ich!", gab ich zurück.
Und die letzte Stufe geschafft.

"Kind! Du brauchst ja ewig! Beeile dich etwas, ich habe ja nicht ewig Zeit!", motzte sie mich an. Sie und ihre Zeit. Wofür brauchte sie denn Zeit? Sich auszuruhen wegen ihrer ewigen Migräneanfälle? Ich verdrehte die Augen.
Gerade als ich mich umdrehte, um den letzten Koffer zu holen spürte ich ihre Hände in meinem Rücken. Sie schubste mich die Treppe runter und lief mir nach. Ich wimmerte leise, versuchte mir aber nichts anmerken zu lassen. Anscheinend schien sie mir echt nichts anzumerken, also trat sie mir in die Rippen.

Ich schrie auf. "Sei leise! Ich bekomme Migräne! Und mach deine Aufgaben gefälligst anständig!!"
Anschließend trat sie mir nochmal in den Bauch und ging wieder in die Villa.
Ich krümmte mich vor Schmerz und blieb dort auf dem Boden liegen.

So war sie eben. Meine Tante.

Secretly BrokenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt