Die Ruhe vor dem Sturm

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Während ich so die Wand meines Zimmers betrachte und den Grillen lausche, die draußen wie immer die so bekannte Geräuschkulisse formen, ist mein Kopf gedankenleer. Mein Zimmer das, obwohl ich schon seit zwei Jahren studiere, sich kaum verändert hat nach meiner Schulzeit, gibt durch seine orange Wand eine angenehme Atmosphäre zum nachdenken. An den Wänden hängen noch meine alten Stundenpläne, Eintrittskarten zu Schulbällen und alte Bilder.

Mein Blick ist starr gerade aus gerichtet auf ein Bild von mir, das mir eine Freundin zum Geburtstag schenkte. Es war mein 15. Geburtstag, was darauf auch groß vermerkt ist, wirklich schon eine Weile her. Der Rahmen, schon halb zerfallen und das Glas das droht gleich hinauszufallen und auf dem Boden zu zerklirren, es hängt einfach da.

Obwohl es sich dort so langsam vor sich auflöst, bringe ich es nicht übers Herz es abzuhängen, oder sonst etwas großartig zu verändern. Veränderung und Aufregung war normalerweise nicht so Teil meines Tagesablaufs. 

Meine Wohnung nahe meiner Uni in Freiburg sieht kein Bisschen aus wie mein Zimmer. Dort ist es modern, lebhaft – chaotisch – so wie man sich die Wohnung einer Jungen Studentin, die die Meinung vertritt, dass Chaos auch eine gewisse Ordnung hat, eben vorstellt.

Ohnehin studiere ich Chemie wo die so wundervolle Regel der Entropie gibt, mit der sich vor gewisse Leute – vor allem Müttern – so richtig schön auf die Palme bringen lassen.

'Jules, könntest du nicht einmal dein Zimmer aufräumen, ich kann es gar nicht mitansehen wie du haust!' höre ich sie schon meckern, und darauf ich in meiner witzelnden Art und verzogener Stimme 'Mutter, das Universum strebt immer nach der größt möglichen Unordnung, das Gesetz der Entropie, wer wäre ich, um mich gegen das Universum zu stellen'

Ich muss über meine Gedanken und meinen erdachten Dialog lachen. Mein Lachen holt mich zurück in mein „Kinderzimmer".

Die Sommerferien dauern bereits zwei Wochen, und da ich die ganze letzte davon krank war, habe ich es satt Fern zu sehen oder zu Lesen, und so kommt es, dass ich bloß an meine Wand starre und dieses Bild betrachte, mit seinem verkorkstem Bilderrahmen.

Es ist schön einmal nicht in der Stadt zu sein. Das Landleben hat einen Charme für sich. Wir wohnen hier in einem großen Haus, gegenüber besitzen wir noch ein altes Haus, das einmal meiner Urgroßmutter gehörte. Irgendwie dachte ich noch nie so genau darüber nach, aber jetzt habe ich ja Zeit, während ich hier sitze und dieses bekloppte Bild anstarre. Es drängt sich mir die Frage auf, warum ich eigentlich noch nie drin war, oder warum wir nie über meine Urgroßmutter reden, oder warum ich mir diese Fragen eigentlich erst jetzt mit neunzehn Jahren stelle.

Meine Eltern wollten nie, dass jemand dieses Haus betritt, aber durch meine Erziehung, die mich lehrte nicht den Anweisungen der Eltern zu widersprechen, zweifelte ich nicht eine Sekunde an Ihrem Urteil, bis jetzt.

Ich drehe mich auf meinem Bett um und sehe aus dem Fenster, direkt zu dem alten Haus herüber, das auf einmal so geheimnisvoll zu mir hereinlächelt.
Die großen, grobenHolzfenster umspielt von feinem Stuck. Mir war noch nie aufgefallen, dass das Haus eigentlich nicht aussieht wie der Rest der Straße, es war hell und strahlt einen besonderen Glanz aus, fast schon bilde ich mir ein, ein flackerndes Licht hinter dem Fenster zu erkennen.

Ich reibe mir kurz die Augen und als ich nochmal zu dem Haus sah, war es wieder in den gleichen Grautönen versunken wie der Rest der Gebäude draußen.

"Mann " sage ich leise zu mir " Ich muss mich wirklich langweilen, wenn mich diese alte Schachtel da drüben schon fast zur Aufregung bringt." 

Wieder muss ich über meinen eigenen Wortwitz lachen, was für eine tolle Angewohnheit, so wie Sarkasmus.

Eigentlich sind die Sommerferien bis jetzt ganz okay. Ich war ein paarmal aus, eine Sommerromanze scheint zwar noch nicht in Sicht aber das Wetter passte eigentlich bisher ganz gut. Doch trotzdem schlich sich irgendwie diese Langeweile ein, und ein Gefühl, dass ich sie noch genießen sollte, solange sie mir bleibt.
Ich weiß nicht ob es an der Stille liegt, oder meinem „Kinderzimmer", aber es ist eben immer alles wie beim Alten.

In meinem Leben verändert sich nicht wirklich viel und ich bin auch nicht die Sorte Mensch, deren Leben furchtbar aufregend ist, ich bin eben auch da. Ich habe meine Freunde und mein Studium und ein paar Hobbies, so weit so gut. Und dann habe ich solche Momente wie jetzt, in denen ich einfach nicht weiß was ich mit meiner Zeit anfangen soll, sonder ein blödes Bild anstarre.

'Aber immerhin', denke ich weiter, 'in zwei Wochen beginnt immerhin mein Praktikum an der Uni. Dann bin ich wieder etwas beschäftigt und unter Leuten.' Obwohl das Praktikum in den Ferien ist, freue ich mich irgendwie darauf, dann muss ich nicht mehr dieses Bild anstarren.

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⏰ Last updated: Jul 21, 2016 ⏰

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