Mit schnellen Schritten lief Frau Jung auf das Sekretariat zu, um der Direktorin, Frau Levington-Engels, den Vorfall zu melden. Man sah ihr an, dass sie äußerst verstört war und keine Ahnung hatte, was wirklich geschehen war, geschweige denn, ob das Szenario real war. Vor der gewaltigen Tür des Sekretariats blieb die junge Lehrerin stehen und schob sich die schwarze Nerdbrille wieder auf die Nase zurück, da sie ihr etwas verrutscht war. Auch ihre silbrig-lila Haare, die sie zu einem Messy-Zopf gebunden hatte, richtete sie wieder, diesmal etwas ordentlicher, um wenigstens etwas Autorität auszustrahlen und nicht wie eine jämmerliche Schülerin vor der Direktorin stehen zu müssen. Frau Jung atmete noch einmal tief durch, ehe sie zaghaft anklopfte. Leider etwas zu zaghaft, denn durch die wuchtige Tür drang kein Geräusch nach innen. Frau Jung wartete einige Augenblicke, bis sie sich entschloss, stärker zu klopfen. »Herein!«, ertönte von innen die mächtige Stimme der Direktorin gedämpft durch die dicke Tür. Frau Jung straffte ihre Schultern und öffnete die massive Eichenholztür. Zur gleichen Zeit suchten Cecilia und Dillan die leeren Flure der alten Schule nach dem bewusstlosen Körper von Lynn ab. »Wie sollen wir die bloß finden? Nicht mal Wunden hat sie, sodass wir einer Blutspur folgen könnten!«, wetterte der Schwarzhaarige leicht genervt, schaute sich aber trotzdem suchend um. Die schlanke Schülerin zuckte merklich zusammen, als Dillan die Worte 'Wunde' und 'Blutspur' erwähnte. Unwillkürlich strich sie sich über die selbst zugefügten Schnittwunden, die unter ihrem Pullover an ihren Armen versteckt waren und schwieg nur zu seiner Frage. Er bekam jedoch gar nicht mit, dass sie sich zu vergewissern schien, ob ihre Selbstverletzungen verdeckt waren. »Was meinst du, sollen wir jetzt machen?«, fragte Cecilia zögerlich nach. Der Junge schnaubt nur, seufzt dann aber und antwortet leicht verwirrt: »Tja, das kann ich dir leider auch nicht beantworten, denn ich habe selbst keine Ahnung.« Da ertönte ein leises Wimmern, welches die Schüler aufhorchen ließ. Sie sahen sich an und nickten, um vorsichtig die Quelle des Geräusches und deren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Cecilia ließ Dillan den Vortritt, da das Mädchen, deren dunkelbraune Haare blonde Strähnen hatten, Angst hatte, was sie zu Gesicht kriegen würden, wenn das Wimmern wirklich zu Lynn gehörte und sie von Dillan's Vater malträtiert wurde. Der Schwarzhaarige bog links um die Ecke und ein Schreckenslaut ertönte, dieser kam allerdings nicht von dem Jungen, sondern von einem Mädchen, das hörte man genau. Das magersüchtige Mädchen lugte vorsichtig an Dillan vorbei und war erstaunt. Vor ihnen stand ein schlankes, dunkelblondes Mädchen mit blau-grünen Augen, welches ihre Hand blitzschnell in ihre Hosentasche gesteckt hatte. Doch als sie ihre Mitschüler erkannte, ließ sie hörbar erleichtert die Luft aus ihren Lungen entweichen. »Mensch, müsst ihr mir solch einen Schrecken einjagen?«, fragte sie verwirrt und irgendwie genervt nach. Dillan hob fragend eine Augenbraue. »Wenn ich das mal klarstellen dürfte. Wir«, beginnt er sachlich und deutet auf sich und seine Begleitperson »sind von Frau Jung geschickt worden, um nach Lynn zu suchen, die von meinem Vater aus der Klasse geschleift wurde. Und du« Er deutet auf Jeanette, die mit einem ungläubigen Blick vor den Beiden stand, als ob er befürchten würde, dass sie nicht checken könnte, dass er sie mit 'du' angesprochen hatte. »Du solltest in der Klasse neben Alèna sitzen und irgendwelchen Doctor Who Mist labern, anstatt hier in der Schule herumzugeistern.« Jeanette starrte ihn entgeistert an und das sonst so schüchterne Mädchen blaffte plötzlich: »Dein Vater ist Tod, also geht das rein physikalisch nicht. Außerdem hast du mir gar nichts zu sagen.« Mit diesen Worten zog sie ihr Smartphone wieder aus der Tasche und tippte weiter an ihrer Nachricht, die sie vor dem fast-Zusammenstoß bereits begonnen hatte. Neugierig warf Cecilia einen Blick auf das Display von Jeanette's Handy und konnte den Namen von ihrem Chatpartner erkennen. Mirko. Sie fragte Jeanette nicht nach dem Namen, sondern lief eilig Dillan hinterher, der sich bereits wieder auf die Suche nach dem Wimmern machte. Da sie sich jedoch nicht zurückhalten konnte, beschloss sie, einfach Dillan zu fragen. »Weißt du, wer Mirko ist?«, platze es ohne wirklichen Zusammenhang aus ihr heraus. »Hm?«, machte der Junge verwirrt, hörte aber nur mit halbem Ohr zu. »Mirko. Jeanette hat mit einer Person namens Mirko geschrieben.« Jetzt drehte der Schwarzhaarige sich doch zu Cecilia um und starrte sie unverwandt an. »Wird wohl ihr Freund sein«, sagte er schulterzuckend und drehte sich wieder weg. »Bestes Gespräch...«, murmelte die Braunhaarige enttäuscht. Aber ihr wurde schnell wieder bewusst, dass sie andere Dinge zu tun hatten, als den Beziehungsstatus ihrer Mitschülerin genauestens zu analysieren. Also lief sie abermals still hinter Dillan her, als eine Stimme beide Schüler verschreckt herumfahren ließ. »Ihr habt sie also noch nicht gefunden?« Dillan schüttelte langsam den Kopf. Frau Jung musste bereits mit der Rektorin gesprochen haben, aber sie sah nicht so aus, als wäre das Gespräch nach ihren Vorstellungen abgelaufen. Noch bevor einer der Schüler nachhaken konnte, meckerte die Klassenlehrerin auch schon los: »'Das ist wohl ein Scherz', hat sie gelacht. 'Als ob zwei Schüler innerhalb einer Woche von einem mysteriösen Geist malträtiert oder verschleppt werden', hat sie gesagt. Und dann hat sie mir eine Standpauke gehalten, wie ich die Streiche einer Klasse ernst nehmen könnte, danach hat sie mich entlassen. Die ist doch...« Man hörte genau, dass Frau Jung am Liebsten eine Beleidigung hinterhergeschmissen hätte, aber sie riss sich vorher zusammen. »Ihr sucht weiter, ich kehre in die Klasse zurück und kläre das.« Dillan nickte und Cecilia merkte schwach an: »Wir haben Jeanette gesehen, sie müsste jetzt in der Klasse sein.« Frau Jung schien die Bemerkung nicht gehört oder mit Absicht ignoriert haben, denn ohne ein weiteres Wort rauschte sie zurück in die Klasse. »Es hat doch keinen Sinn, weiter hier drinnen zu su...« Dillan wurde mitten im Satz von einem ohrenbetäubenden Schrei unterbrochen, der beide Schüler vor Schreck zusammenzucken ließ. Ohne wirklich darüber nachzudenken, rannten die Beiden aus dem Schulgebäude und hinten auf den Platz, der von Schülern gemieden wurde, da es dort nach vergammeltem Fleisch und anderen Dingen stank. Eben wie es auf nun mal einem Müllplatz roch. Cecilia und Dillan waren die Einzigen, die den Schrei gehört zu haben schienen, denn in der Schule regte sich nichts. Plötzlich rümpfte das blasse Mädchen ihre Nase und auch Dillan roch, dass sich der Geruch verändert hatte. Verbrannte da jemand ABFALL? Vorsichtig schlichen sich die Beiden näher dran und was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren. In einer der großen Mülltonnen züngelten heiße Flammen hervor, die nach etwas zu greifen schienen, das an einem breiten Metallstab gefesselt über dem Container lag. Das Etwas schrie immer mal wieder gequält auf und versuchte sich vergeblich zu befreien. Es war Lynn. »Ach du scheiße«, rutschte es Dillan heraus und Cecilia, die mit aufgerissenen Augen dasaß und vor sich hin zitterte, wollte eigentlich schreien, aber weil sie so unter Schock stand, kam nur ein heiseres Wimmern aus ihr heraus. »Will er sie etwa... braten, verbrennen?« Die gewimmerte Frage richtete sich an Dillan, aber das Mädchen erwartete keine Antwort darauf. Sie wollten eigentlich weglaufen und Hilfe holen oder eventuell selbst helfen, aber irgendwas zwang sie an Ort und Stelle sitzen zu bleiben, den Mund zu halten und einfach still zuzusehen. Das muskulöse Mädchen an der Stange wand sich gequält, ihre Kleider waren bereits verbrannt und dass Metall, welches sich aufgeheizt hatte, verbrannte ihren Rücken zusätzlich. Nun griffen die Flammen ihre Haut an, schienen Worte über ihren gesamten Körper einzubrennen. Da erkannten der Schwarzhaarige und die Braunhaarige die Worte. Zweites Opfer. Es stand groß und breit über Lynn's angekokelten Körper geschrieben, eingebrannt, wie ein Brandzeichen. Dillan's Augen weiteten sich vor Schreck, ihm wurde gerade klar, dass die Seele seines toten Vaters das Feuer scheinbar kontrollieren konnte. Als er in Lynn's Gesicht blickte, stellte er fest, dass das Mädchen das Bewusstsein verloren hatte. Wie ein hungriges Monster fraßen die Flammen sich durch die Gliedmaßen und trennten nach und nach diese ab, sodass Blut spritzte und die abgetrennten Beine oder Arme in die kleineren Flammen in der Mülltonne fielen, wo die Jugendlichen zwar nichts mehr erkennen konnten, aber sie hörten überdeutlich, wie diese kleinen Flammen die abgetrennten Gliedmaßen zerfleischten. Lynn lebte noch, dass sah man an ihrem Atem, aber es war äußerst verwunderlich, bei diesen Qualen und dem Blutverlust. Die Seele seines Vaters musste das Mädchen irgendwie am Leben halten. Ob sie die Schmerzen spürte oder nicht, konnten sie nicht deuten, aber der Anblick war mehr als schrecklich. Wegschauen wäre so eine einfache Lösung gewesen, wenn sie nicht von irgendwas so in eine Starre gezwungen worden wären, dass sie nichts anderes als Hinschauen konnten. Als das Feuer Lynn's Bauch aufgebrannt hatte und ihre Innereien mit einem widerlich matschenden Geräusch samt Blut hinabfielen und von den Flammen gefressen wurden, fand Cecilia ihre Stimme wieder und schrie. Sie schrie, weil die Geräusche tausendmal schlimmer als der Anblick waren und weil sie generell psychisch für so eine Szene zu schwach war. Die letzten Körperteile verbrannten knackend und der letzte Rest Körper fiel ebenfalls hinab, nur um sofort von dem Feuer verschlungen zu werden. Die Mülltonne sonderte die letzten abstoßende Geräusche ab, bevor alles still wurde. Dillan, der sehr verstört war, nahm das Mädchen neben ihm aus Reflex in den Arm und schloss die Augen. Er wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen, einfach weg. Aber er hatte die Rechnung ohne die Macht seines Vaters gemacht. Ohne es zu wollen, stand er auf und zog die wimmernde Cecilia hinter sich her zu der Mülltonne. »Neein...«, brachte er kopfschüttelnd hervor, wurde aber von der Kraft gezwungen, hineinzusehen. Der Müll war vollkommen verbrannt, die Stange war weg und auf dem Boden lag eine bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche, der größtenteils die Haut fehlte. Beide Schüler würgten angewidert und rannten dann schockiert weg.
Iwelche Anmerkungen? ^^'
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Die Rache der Seele
TerrorDillan, ein 17-Jähriger Junge, der die 12. Klasse eines Gymnasiums besucht, soll einen Aufsatz über einen verstorbenen Verwandten schreiben und sich im Internet oder bei anderen Verwandten (Eltern, Großeltern, etc.) informieren, um den Aufsatz gelun...