Der Mann im weißen Kittel kam wieder herein, in seiner Hand dieses Klemmbrett, von dem er all die Dinge mit einer monotonen Stimme abliest, die ich nicht hören wollte.
Erklärungen warum meine Arme festgeschnallt und blutig waren, warum meine Mutter weinte, aber ich nicht weinen konnte. Seine Stimme war rau und er klang, als würde er diese Worte jeden Tag tausend mal aufsagen, wie ein lieblos auswendig gelerntes Gedicht. Er trug einen Dreitagebart und weiße Nike Sportschuhe, die akribisch gebunden waren, sodass die Knoten unter gar keinen Umständen aufgehen konnten. Wie er sich Abends die Schuhe allerdings wieder ausziehen wollte, erschien mir wie ein unlösbares Rätsel. Wobei dies nicht ungewöhnlich war, mein Kopf fühlte sich an, als sei er ein Rätsel, welches ich lösen müsste, in dem ich den Fäden folgte, wie bei einem Wollknäuel. In meinem Kopf sei wohl auch irgendetwas falsch, schilderte er und ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten. Akribisch genau und bis ins kleinste Detail erklärte er mir was bei mir falsch gelaufen war und dabei schmiss er mit Begriffen um sich, so dass es sich fast schon so anhörte, als spreche er in einer anderen Sprache. Ich hätte natürlich nachfragen können, was all diese Worte bedeuten, aber es interessierte mich nicht. Nicht mehr. Dieses Desinteresse war laut ihm der Grund warum ich hier war und natürlich meine blutigen Arme.
Ich würde Infusionen bekommen, erklärte mir der Arzt, obwohl ich es nicht hören wollte.
Ich spürte keine Schmerzen, weil ich mit Medikamenten vollgepumpt war. Dieses Gefühl konnte gerne anhalten, diese Gefühlslosigkeit, alles so monoton. Ich sei krank, fügte er hinzu und ich müsste von nun an Medikamente nehmen und wöchentlich einen Arzt aufsuchen. Er ratterte, erneut als würde er die Liste auswendig kennen, Namen herunter, die ich sofort wieder vergaß, weil ich es mir nicht merken wollte.
Er erklärte mir von anderen medizinischen Präzedenzfällen, meinen Heilungschancen für eine Krankheit die in meinem Kopf keine war. Weil ich dachte, dass ich so war. Weil ich dachte, dass das Leben so war.
Ich starrte geradeaus, durch das Fenster von dem ich dachte, das man nur hinaus und nicht hinein sehen konnte.
Aber da stand dieses Mädchen mit den blonden Haaren und drückte ihre Nase an die Scheibe und schielte. Dabei musste ich lächeln, fast schon lachen, ich hörte nicht was der Arzt mir erzählte, überhörte es, wollte es nicht hören, konnte es nicht hören.
Ich sah nur Isabelle, die Erste die mich seit Monaten zum Lachen gebracht hatte.
DU LIEST GERADE
Wofür es sich zu leben lohnt
General FictionNach einem gescheiterten Selbstmordversuch ist das Leben für Ian genauso sinnlos wie zuvor. Nur Isa setzt es sich in den Kopf Ian zu zeigen wofür es sich zu leben lohnt und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.