Swastika

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Vorab: Die Swastika ist ein indisches Symbol der Fruchtbarkeit, wurde aber zur Zeit des 2. Weltkrieges verhöhnt, weil sie dem Hakenkreuz ähnelte.

Zitternd schüttele ich den dünnen Stift immer und immer wieder. Hoffe, dass er irgendwann seine Aussage, die Antwort auf meine Frage ändert. Heutzutage ist es wohl eher 14-jährigen Schulabbrecherinnen vergönnt schwanger zu werden, als mir. Schluchzend sinke ich zu Boden. Vergrabe mein Gesicht in den Händen, hoffe das sie mich verschlingen und nie wieder ausspucken. Ich will nicht mehr. Ich kann verdammt noch mal nicht mehr. Das leise Klopfen schreckt mich aus meiner Verzweiflung. „Geh weg!“, schreie ich laut auf. Sofort presse ich die Hand auf den Mund, geschockt über mich selbst. „Nein, komm rein. Ach was hau ab!“ Also Stimmungsschwankungen habe ich auch so. „Liebes, es ist abgeschlossen!“ Ich nicke wissend und drehe den Schlüssel dreimal im Schloss. Langsam schiebt Milo sich durch die Tür und setzt sich neben mich. Eine Weile sitzen wir schweigend da. „Wir probieren es nochmal!“ Ich lache leise und ohne jeglichen Humor auf. „Zum wievielten Mal? Milo, ich bin kein Versuchsobjekt!“ Erst bin ich wütend und dann einfach nur noch unglaublich traurig. Er ist nicht wütend wegen meiner rauen Sprache. Er nimmt mich einfach in den Arm und streichelt meine Stirn. Verliere mich in meinen Tränen und unsagbar zahllosen Küssen.

Das kleine verruchte Geschäft ist geschwängert mit fruchtiger Luft. Abgestanden und dennoch köstlich durchfechelt sie meine Sinne. Die setzen einen gleich auf Droge, die Schlauen. „Hallo?“, rufe ich und es hallt und hallt und hallt. Komisch, so groß ist der Raum doch nicht. „Tritt näher, Tochter!“, raucht eine Stimme herüber. Heiser und berührt von der Sinnlichkeit. Langsam tritt die ältere Frau mit solch Anmut aus der Dunkelheit und offenbart ihre Schönheit. Ihre langen schwarzen Locken sind von silbrigen Strähnen durchzogen doch auch die tiefen Falten in ihrem Gesicht nehmen ihre Schönheit nicht. „Was kann ich für dich tun?“ Ihr spanischer Akzent unterstreicht ihre Attraktivität und ich erschrecke über meine Nervosität vor dieser Frau. „Ich wollte Sie um einen Dienst bitten.“ Sie zieht sorgfältig eine schlanke Augenbraue in die Höhe. „Der Preis den du zahlen wirst ist groß, das ist dir klar?“ Ich nicke. „Ich zahle alles was Ihr wollt.“ Sie lacht einmal auf. „Meine Tochter, wähle deine Worte wohl, du kannst sie nicht mehr zurücknehmen.“ Ich neige mein Haupt. „Ich gewähre Euch all Eure Wünsche!“ Sie lächelt weise und ihre Zähne glänzen im matten Licht strahlend weiß. „Dann folge mir meine Tochter und ich werde dich reich beschenken!“ Und völlig auf Droge und verliebt in diese Frau folge ich ihr, vermag nicht zu wissen was kommen wird…

Mein Körper ist mit heißem Schweiß bedeckt als ich die Augen öffne. Verwirrt betrachte ich meinen nackten Körper. Ich liege auf roten Kissen gebettet. Um mich herum tänzelt noch immer die Schönheit, die Weise, die Strahlende. „Es ist vollbracht!“ Spanische Hengste galoppieren über ihre Zunge als sie das „R“ rollt. „Du darfst dich nun wieder ankleiden, meine Tochter!“ Zittrig schlüpfe ich in meine Klamotten, immer noch berauscht von dem, was mir gerade wiederfahren ist. „Kommen wir zu meinem Preis.“ Ich nicke, bin verstört und gleichzeitig von einer Göttin geküsst. „Was darf ich Euch geben?“ Sie lächelt milde. „Nun meine Tochter. Begib dich heute Abend in das Bett deines Geliebten und liebe ihn. Hab keine Scheu, Scham oder dergleichen. So wirst du in 9 Monaten zwei gesunde Engel zur Welt bringen.“ Geplättet von ihrer Vorhersage höre ich auf zu atmen. „Es wird ein Mädchen und ein Junge sein.“ Ich muss lachen. „Ich werde Mutter?“ Sie nickt weise. „Ja meine Tochter!“ Überglücklich vergesse ich, dass sie noch nicht beendet hat. „Du wirst mir eines deiner Kinder überlassen. Dies ist mein Preis den du zahlen wirst. Solltest du diesen verweigern wird dich ein Fluch treffen. Ein Fluch der Göttin der Fruchtbarkeit!“ Kreidebleich weiche ich einige Schritte von ihr. „Ich soll Euch mein Baby geben? Das geht nicht!“ Erst so bezaubert von ihr und jetzt wütend schüttele ich den Kopf. „Es sind meine Kinder! Meine!“ Sie nickt, als hätte sie das erwartet. „Wäge deine Entscheidung gut ab, meine Tochter!“ Doch ich habe bereits entschieden…

Kreischend vor anbahnender Freude springe ich im Badezimmer hin und her. Milo kommt erschrocken zu mir. „Was ist los?“, fragt er. „Wir bekommen Ba…“ Ich halte inne. „Ein Baby!“ Er kann noch nicht wissen, dass es Zwillinge werden. Und ich auch nicht.

Nunmehr 9 Monate sind vergangen. Ich habe vergessen was mir geschehen ist. Wer mir wiederfahren ist. Ich kostete Versuchungen und sie haben mir zwei Gesunde Kinder geschenkt. Ariana und Philippo sind völlig gesund. Unerklärlich ist uns bis heute woher die beiden das verdächtig dunkle, dichte Haar haben und die tiefbraunen Augen. Milo und ich sind doch blond. Komisch! Doch ich denke nicht darüber nach und kuschele mich eng an meine beiden Engel und Milo und schlafe in tiefster Zufriedenheit ein. Unwissend…

Ich laufe mit meinen Schätzen im Kinderwagen verstaut die Straßen entlang. Es ist ein heißer Tag, tropisch. Wir schlendern gemütlich, es sind wenig Menschen unterwegs. Plötzlich zeichnet sich klar eine Gestalt nur wenige Meter von uns entfernt von den anderen ab. Ihre langen dunklen Locken schwingen sich peitschend um ihre Hüfte und die Röte ihres Kleides spiegelt ihren Zorn wieder. Und ich erkenne mit Grausen ihren spanischen Akzent wieder als sie beginnt zu sprechen: „Meine Tochter. Ich fordere meinen Preis!“ Die Tränen steigen mir in die Augen. „Nein, tu mir das nicht an! Nicht meine Kinder!“ Sie neigt den Kopf. „Du gewährtest mir jeglichen Preis und ich löse ihn nun ein. Tust du meiner Forderung nicht nach wirst du die Konsequenzen erfahren, meine Tochter!“ Ich schlottere. „Alles, nur nicht das!“ Sie zieht die Augenbrauen hoch. „So sei es. Ich verfluche dich auf die Fruchtbarkeit meine Tochter!“ Und mit einem lauten exzentrischen Windstoß verschwindet sie. Unwissend…

Ich wälze mich im Bett. Die Kinder schlafen friedlich in ihren Betten. Milo atmet leise ein und aus. Ich kann keine Ruhe finden. Meine Haut juckt. Ich kratze mich blutig. Die Laken werden rot. Ich werfe meine Decke zum Fenster heraus bis ich endlich in einen unheilvollen Schlummer der Wahrheit entfliehe.

Ich erwache alleine. Milo ist fort, vermutlich zur Arbeit. Meine Haut juckt und ich kratze sie unermüdlich durch den langen Schlafanzug. Ängstlich blicke ich in die Kinderbetten. Philippo und Ariana schlafen friedlich. Das Jucken wird nicht gestillt. Getrieben vom Blute stürme ich ins Bad. Der Spiegel ist beschlagen. Milo muss geduscht haben. Ich reiße die Fenster auf und tapere unruhig auf der Stelle. Der Spiegel klart langsam auf und ich erkenne mich mehr und mehr. Doch als ich die Veränderung wahrnehme springe ich kreischend zurück. Mein Körper ist übersät von schwarzen Malen. Es sind die Zeichen vom hasserfüllten Deutschland im 2. Weltkrieg. Die Zeichen von jenem Tyrannen. Die Male ziehen sich bis zu meinem Gesicht, es gibt keine freie Stelle. Die Hakenkreuze sind schwarz und dunkles Blut sickert aus ihren Spitzen. Und während das Blut fließt bildet sich auf der Erde eine Botschaft aus rotem Lebenssaft. „Die Swastika als Konsequenz deines Ungehorsam, meine Tochter. Als Zeichen der Fruchtbarkeit!“ Und ehe ich das leise Lachen und die Worte der Schönen realisieren kann sinke ich auf die kalten Fliesen und verschwimme in der Rache.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 02, 2013 ⏰

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