Fremdes Volk

22 2 2
                                    

Seit elf Tagen sind wir nun schon unterwegs. Seit dem Vorfall vor bereits sieben Tagen ist nichts ungewöhnliches passiert. Am vierten Tag nach dem Kampf haben wir endlich den Wald verlassen und ich musste nicht mehr ständig an die zwei Toten denken. Das Essen haben wir zum Glück gut aufgeteilt, und auch einen Bach gefunden, wo wir unsere Wasserkanister auffüllen konnten. So in allem verlief unsere Reise ziemlich gut. Mit Nick konnte man sich gut unterhalten, noch hatte ich ihm jedoch nicht erzählt, dass ich von königlicher Abstammung war, nur, dass es eine nahe Freundin von mir ist, welche ich seit Kindertagen kannte. Er schöpfte keinerlei Verdacht und das beruhigte mich. In seiner Nähe fühlte ich mich immer gut, durch seine Witze und seiner Tollpatschigkeit fühlte ich mich mit ihm verbunden.

«Ehm Leo?» «Ja?» «Möchtest du auch noch was?» Lächelnd schüttle ich meinen Kopf. «Nein danke ich mag nicht mehr.» Mir ist es ziemlich schnell aufgefallen das er, immer wenn er mich etwas fragt, sein Satz mit ,,Ehm Leo,, anfängt. Irgendwie finde ich das aber gar nicht so schlimm. Ich mag es sogar. Er aber scheint es nicht zu bemerken. Nick packt unser Frühstück wieder ein und rollt seine Decke fest zusammen. Gestern Abend sind wir am Fuss der Berge angekommen und beschlossen, am nächsten Morgen loszuwandern. Also heute oder besser gesagt jetzt. Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich den Berg. Es ist schon recht kalt, denn direkt hinter den Bergen wird die Winterstadt sein, in welchem Zentrum der Eispalast liegt. Meine neue Jacke wärmt ziemlich gut, so dass es noch angenehm ist. Noch kurz prüfe ich ob mein Verband noch gut sitzt. Zufrieden sehe ich, dass meine Wunde schon ziemlich zugewachsen ist und es sich nicht entzündet hat. Das ist ein grosses Glück.

«Bereit?» «Jap, los geht's.» Mit diesen Worten marschiere ich den steilen Weg nach oben. Zu meiner Verwunderung, ist der Weg ziemlich stabil und es sieht aus, als ob man ihn regelmässig nutzt. Kopfschüttelnd gehe ich weiter. «Lebt hier irgendein Volk?» Fragt mich Nick. Ich zucke mit den Schultern. «Nicht das ich wüsste.» «Ich dachte nur wegen dem Weg.» Murmelt er. Ich lächle leicht. Es ist ihm also auch aufgefallen. Schweigend wandern wir weiter, stetig den Hang hinauf und die Sonne begleitet uns, indem sie immer höher steigt. Um die Mittagszeit ist es durch die Sonne so warm, dass ich meine Jacke ausziehen kann. Zu Mittag essen wir nur wenig und im Schutz einer kleinen Baumansammlung. Da wir vorher frische Huf- und Wagenspuren gefunden haben, sind wir noch wachsamer geworden. Als die Sonne ihren Weg nach unten antritt, finden wir einen breiten Weg, welcher in ein Tal führt, das zwischen den beiden Bergspitzen liegt. Langsam folgen wir dem Weg und treffen auf etwas Unglaubliches. Das Tal ist riesig! Ein Wäldchen bewächst die ganze rechte Seite des Tals, eine Quelle entspringt ganz in der Nähe und fliesst in einen See. Und vor dem See ist ein ganzes Dorf. Viele kleine Menschen tummeln sich dort, leise Stimmen dringen bis zu uns herüber. «Sollen wir zu ihnen gehen?» Ich überlege. «Wir sollten unsere Essensvorräte auffüllen und das Wasser ist auch schon fast wieder alle.» «Gut, wir gehen.» Sage ich. Ich hoffe sehr, dass sie uns wohlgesinnt sind. Nick erhebt sich von unserem Beobachtungsposten. Ich halte ihn am Arm zurück. «Warte!» Fragend dreht er sich um. «Versprich mir das du nichts über unser Ziel sagst. Wir sind nur auf Durchreise.» Bittend schaue ich ihn an. Er scheint nachzudenken. Dann nickt er und zieht mich an der Hand auf die Füsse. «Danke.» Flüstere ich. Er nickt mir lächelnd zu und geht voran.

Misstrauisch schaue ich mich um, als wir durch die hohe Wiese zum Dorf laufen. Einige scheinen uns schon bemerkt zu haben, denn sie versammeln sich am Dorfrand. Sie schauen normal aus, gut gepflegt aber ihre Kleidung ähnelte den Bewohnern von meinem Dorf. Sie tuscheln und mustern uns ebenso misstrauisch wie ich sie. «Lasst mich durch, was ist den los?» Ein alter Mann drängt sich durch die Menge und bleibt direkt vor uns stehen. Und nochmals werden wir misstrauisch beäugt. «Wer seid ihr?» Fragt er langsam. Bevor Nick das Wort ergreifen kann, spreche ich auch schon. «Wir sind Reisende und sind zufällig auf ihr Dorf gestossen.» Kurz lasse ich den Satz wirken und verbeuge mich. «Und darf man erfahren wer ihr seid?» Frage ich höflich. Er krächzt etwas von Anführer und Stammesoberhaupt. Dann fragt er was wir wollen, denn niemand kommt einfach so her, ohne etwas zu verlangen. Wieder verbeuge ich mich. «Wir bitten nur um eine Nacht und etwas Essen und Trinken. Wenn ihr dies gewährt?» Er überlege kurz und nicke dann schwerfällig. «Gebt ihnen ein Zimmer und reichlich zu essen!» Ruft er in die Menge. Sofort umringen uns vier Personen. Die anderen verschwinden langsam aus meinem Sichtfeld und gehen ihrer Arbeit nach. «Kommt mit.» Sagt jemand. Wir folgen ihnen durch das Dorf, welches mich an mein Heimatdorf erinnert. «Hier könnt ihr bleiben.» Sagt die Frau. Ich nicke ihr dankend zu während Nick nichts dergleichen tut. Wir treten ein und ich lasse mich auf das Bett fallen. Erst dann schaue ich mich um. Es ist ein Zimmer, komplett aus Holz. Ein Tisch ziert den leeren Platz in der Mitte, rundherum vier Stühle. Neben der Türe steht ein Holzschrank und neben dem Bett auf dem ich lag ist eine kleine Kommode mit einer Öllampe. Nick lässt sich neben mir fallen und seufzt laut. «Endlich wieder ein anständiges Bett.» Ich denke genau das gleich wie er. «Musstest du übrigens vorher zu der Frau so unfreundlich sein?» «Unfreundlich?» «Ja unfreundlich.» «Sorry, ich fand das angemessen.» Leise seufze ich genervt. «Wenn du meinst.» Er drehe den Kopf zu mir. «Du hast dich wie einen elegante Hofdame verhalten.» Ich antworte nichts drauf. Er hat fast ins Schwarze getroffen. Obwohl ich lieber einen anderen Begriff beanspruche.

Etwa eine halbe Stunde später wird uns ein Tablett mit frischem Brot, Käse, Fleisch und Früchten gebracht. Auch einen Krug mit Quellwasser hat man uns gebracht. Hungrig essen wir so viel wie wir konnten und verstauen den Rest vom Brot und dem Käse in unseren Rucksäcken. Müde und mit vollem Bauch gehen wir schliesslich schlafen.

Am nächsten Morgen bekommen wir ein Frühstück und auch Vorrat für unsere Reise. Überschwänglich bedanke ich mich bei ihnen und auch Nick bringt ein Wort heraus. Dann laufen wir endlich weiter, den Bergpass rauf und auf der anderen Seite wieder runter.

Gleich am Ende des Berghangs beginnt die Stadt. Mittlerweile schneit es dicke weisse Flocken und auch in der Stadt weht ein kalter Wind. Aber die Bürger der Stadt laufen mit Wintermänteln herum, als wäre es der schönste Sommertag. Sie sind das auch gewöhnt, schliesslich kennen die meisten nichts als den Winter. Jetzt wird mir trotz meiner Jacke bis auf die Knochen kalt. Wir stampfen durch die Stadt, über die hohe Schneeschicht. Alles ist von Fussspuren übersäht und auf jedem Dach ist eine Schneeschicht. Es wird dunkler und die Strassen leeren sich langsam. Eine stille breitet sich über die Schneestadt aus. Man hört nichts, nur unsere Füsse, welche im Schnee knirschen. Kein Wunder das die Schneestadt auch die Geisterstadt genannt wird. Es ist wirklich unheimlich still. Aber wir gehen weiter. Da es fast zu kalt ist um zu sprechen und eine Stimme in der Stille noch unheimlicher ist, schweigen wir beide. In allen Häusern brennt Licht, Schatten von Menschen bewegen sich ab und zu hinter den Fenstern, die Strasse ist jetzt Menschenleer. Ob wir uns vielleicht doch irgendwo ein Hotel suchen sollen? Aber wo bloss? Hier kenne ich mich überhaupt nicht aus. Noch lange eilen wir durch die Stadt, bis der Mond hoch am Himmel steht. Es ist eine klare Nacht. Es hat aufgehört zu schneien und man kann alle Sterne am Himmel sehen. Aber noch etwas anderes. Ein fast nicht sichtbares Leuchten hängt in der Luft, wie eine Art Faden geht es in den Strassen und scheint auf einen bestimmten Punkt zu führen. Nick bemerkt von dem Leuchten nichts und so mache ich ihn darauf aufmerksam. «Wohin das Leuchten wohl führt.» Sagt er plötzlich. Seine Stimme klingt ungewohnt hohl. «Ich weiss es nicht.» Meine Stimme aber hört sich auch nicht anders an. Ich lüge. «Folgen wir ihm doch.» Schlägt er vor. Ich nicke, nur um nicht zu sprechen. Je näher wir dem Zentrum der Stadt kommen, umso mulmiger wurde mir. Schliesslich hatte ich meine Schwester seit über Fünf Jahren nicht gesehen. Und so folgen wir dem leuchtenden Faden. Sein leuchten wird immer stärker, je länger wir ihm folgen. Auch aus den anderen Strassen führen Fäden auf den gleichen Weg. Die Sonne ist schon kurz vor dem aufgehen und mir fallen fast die Augen zu, so müde bin ich. Der Faden aber verblasst langsam, je heller es wird. Doch ganz plötzlich hört der Faden einfach auf. Verwirrt sehe ich mich um. Und dann sehe ich es.

Ich hoffe euch gefällt die etwas überarbeitete Version.

Nächstes Kapi kommt heute noch und dann anschliessend jeden Mittwoch ein neues ;))

--> Dieses Kapitel ist überarbeitet!

Waldläuferin -Vorläufig abgebrochen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt