+ Kapitel 2.5: The Beginning +

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„This is the beginning, of anything you want" (BOY – This is the Beginning)


„Herzallerliebste Thea, darf ich Sie belagern?", fragte ich durch die Gegensprachanlage und hörte sofort das bekannte Summen. Ich lächelte. Als ob sie mich nicht reinlassen würde, das hatte sie die letzten Male ja auch nicht getan.
Denn genau so vergingen die Tage, es war eigentlich alles wie immer: Ich saß auf meinem neuen Lieblingssessel in Theas Atelier, schnitt Videos für meinen Kanal oder fürs Special, beobachtete Thea beim Malen und scherzte mit ihr rum. Alles so wie immer, für mich im Moment aber das Wichtigste. Diese verrückte Künstlerin war mir in der kurzen Zeit, die wir verbringen durften, so unendlich wichtig geworden, sie lenkte mich ab, durch sie konnte ich endlich wieder so leben, wie ich es wollte und damals auch immer getan hatte. Ich war glücklich. Und ihr dafür unglaublich dankbar.
„Herzallerliebster Flo, kommen Sie doch rein!", lächelte Thea mich an und hielt die Arme auf. Der Aufforderung folgte ich nur zu gerne, schloss sie in die Arme und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. So, wie ich es immer tat. Es war zur Gewohnheit geworden.
„Immer doch gerne, wie geht es dir?", fragte ich sie und zog mir erstmal meine Sachen aus und warf sie zu meinen anderen. So viel Kram, wie hier schon von mir rumlag, könnte man fast meinen, ich würde hier wohnen... Und in letzter Zeit stimmte das auch. Bis auf das Drehen für LeFloid oder das Drehen im Studio sowie die paar Male bei Frodo in der UWG war ich wirklich nur bei Thea gewesen. Und es war auch richtig so. Irgendwie.
„Super, ich hab drei Bilder fertig bekommen", erklärte sie mir und ich riss die Augen auf.
„Drei?", hakte ich nach und sie nickte.
„Lief so gut, komm, schau sie dir an!", griff sie nach meiner Hand und zog mich mit sich. Unfassbar...
Interessiert betrachtete ich ihre Werke, starrte wirklich lange von den Bildern zu Thea und wieder zurück.
„Wie soll ich mich je dafür revanchieren?", fragte ich nur, aber Thea lachte nur leise.
„Ach, wie gesagt, die Gala hat mir gereicht. Aber nun, ran an die Arbeit. Ich weiß, es wird hart werden, da du gefühlt alle drei Sekunden deine YouTube-Seite aktualisieren wirst, aber versuch es wenigstens", nahm sie mir das Bild von mir und Frodo aus der Hand und stellte es wieder zu den anderen.
„Ich bin jetzt schon so aufgeregt, das wird glaube ich eh nichts", seufzte ich nur und sie lachte leicht.


Es war wieder einer dieser Augenblicke. Einer dieser Augenblicke, wo ich mein ganzes Leben reflektierte, hinterfragte und beleuchtete. Und ich wusste, mein Leben war zwar nicht perfekt, es war die letzte Zeit nicht sonderlich schön und schon gar nicht gut verlaufen, aber dieser Moment gerade war einer der besten Momente in meinem Leben, den ich seit langem hatte. Mit Abstand. Abgesehen vielleicht von dem Moment, wo ich Thea kennenlernen durfte.
„Hey Dudes und Dudeens. Wundert euch nicht über den anderen Hintergrund, der ist nur gerade mal temporär, weil ich nicht zuhause bin. Aber schaut euch das mal an", lächelte ich breit in die Kamera und drehte diese dann so um, dass ich meinen Bildschirm filmen konnte. „Ich glaube, ihr wisst, was das bedeutet. Und auch, wenn ich die letzten drei Jahre nie ein Special gemacht habe, heißt das ja nicht, dass ich es nicht kann", grinste ich im Hintergrund vor mich hin und drückte dann auf aktualisieren. Sofort wurden meine Augen groß. „Heilige scheiße, 5 Millionen. Ihr seid doch wahnsinnig", atmete ich tief durch und drehte die Kamera wieder zu mir um. „Ihr seid wahnsinnig, verrückt, unfassbar und einfach nur die Besten. Ohne euch wäre ich in meinem Leben nie so weit gekommen, ich hätte nie diesen unfassbar geilen Job, den ich habe, und würde nicht das machen können, was mir wirklich gefällt. Und auch, wenn ich nicht jedem von euch etwas zurückgeben kann, hab ich mir etwas überlegt: Am 08.04. steigt hier in Berlin was ziemlich Cooles. Mit mir, vielleicht noch ein paar anderen YouTubern, der lieben Thea, von der sich schon viele gefragt haben, wer sie ist", kurz drehte ich die Kamera um und fing Thea ein, die mich gar nicht beachtete. Sie stand an ihrer Leinwand, malte und war vollkommen weg. Lächelnd drehte ich die Kamera wieder zu mir. „Jedenfalls gibt's für jeden was, Musik, meine letzten Jahren auf YouTube, es gibt Geschenke, Merchandise, Getränke. Und alles, was dort verdient wird, wandert 1 zu 1 direkt zu den Leuten, die es am meisten brauchen", erklärte ich kurz und knapp das Konzept. Den Rest würde ich nachher einfach einblenden oder in die Infobox packen. „Macht euch also auf einiges gefasst. Es wäre übrigens super, wenn ihr euch kurz noch in die Teilnehmerliste – Link ist unten –eintragen könntet, damit ich ungefähr abschätzen kann, wie viele kommen wollen", dann nahm ich die Kamera in meine andere Hand. „Bis dahin, ich verabschiede mich als reines Nervenbündel von euch und werde gleich noch ein wenig das Gefühl genießen, fünffacher Millionär zu sein. Aber für euch erstmal: Kommando TDHUDGAS. Und Community-Abo-Special-High-Five in drei, zwo, eins", endete ich das Video und verdeckte die Kamera dann mit meiner Hand, bevor ich sie ausschaltete.
„Da hat wohl jemand ziemlich was erreicht", hörte ich dann Theas Stimme und schaute auf. Sie hatte sich mittlerweile doch zu mir umgedreht.
Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und einem schnell schlagenden Herzen legte ich die Kamera zur Seite und sprang auf, schaute Thea direkt in die Augen. Auch auf ihren Lippen breitete sich ein Lächeln aus und sie öffnete leicht ihre Arme, sodass ich auf sie zugelaufen kam und anstatt sie einfach zu umarmen um ihre Taille griff und sie hoch hob, uns beide um meine eigene Achse drehte.
Verwirrt quietschte sie auf, doch ich dachte gar nicht daran, sie loszulassen. Sie, der ich so viel zu verdanken hatte.
„Flo", begann sie außer Atem. „Lass mich doch runter", keuchte sie und ich tat ihr doch den Gefallen. Vorsichtig stellte ich sie direkt vor meinen Füße ab, meine Hände ruhten immer noch an ihrer Taille, wir beide atmeten schwer, ihr warmer Lufthauch prallte an meinen nackten Hals, ihre Augen waren weit geöffnet. Wir schauten uns einfach nur an. So, wie ich ihr immer gerne in die Augen schaute. In dieses kalte Grün, mit diesen helleren und dunkleren Schattierungen. In diesen immer suchenden Blick. In dieses Meer aus Blumen.
Wie automatisch beugte ich mich zu ihr herab, legte meine Lippen behutsam auf ihre. Ich wusste nicht, warum ich sie küsste, ich wusste nicht, warum ich sie überhaupt so nah an mein Herz gelassen hatte, aber es war der einzig logische Schritt gewesen, zumindest für mein verqueres Gehirn, dass vom ganzen Coffein vollkommen benebelt zu sein schien.
Es war merkwürdig, sie zu küssen. Nicht im schlechten Sinne. Es war einfach ... anders, ungewohnt, besonders. Und ich wusste, dass ich vieles aufs Spiel setzte. Der Preis war hoch, doch Thea schien gerade das einzige zu sein, was diesen perfekten Abend noch perfekter machen könnte.
Als wir uns wieder lösten schaute ich Thea wieder in die Augen. Ihr Ausdruck war anders als vorher, ich hatte so einen Blick vorher noch nie bei ihr gesehen, er war so ... weich?
„Was war das?", hauchte ich verwirrt, doch Thea legte mir nur ihren Zeigefinger auf die Lippen, damit ich schwieg.
„Was Schönes?", fragte sie nur und ich nickte. „Du bist ganz schön aufgeregt", hauchte sie dann und stellte sich ein wenig auf ihre Zehenspitzen, um meinen Blick aufzufangen.
„Und wie ich das bin", murmelte ich nur und sah zurück. Wegen allem, nicht nur wegen der Abonnenten-Sache, nicht allein wegen dem Special, sondern wohl viel mehr wegen ihr. Wegen dieser verrückten Künstlerin, die mich viel zu leicht um den Finger wickeln konnte.
Doch sie ignorierte das einfach, komplett. Sie ignorierte mein Zögern, sie ignorierte die ganzen Umstände und wahrscheinlich ignorierte sie auch gerade ihren eigenen Kopf, denn statt die Sache erstmal auf sich beruhen zu lassen, kam sie nur einen Schritt näher, ihr Atem lag weiterhin auf meinen Lippen, bis dieser durch ihre eigenen ersetzt wurde.
Und sie war überall. Thea hatte die Kontrolle über meinen Kopf übernommen, sie beherrschte jeden einzelnen Gedanken, jede einzelne Faser meines Körpers. Mein Gehirn reagierte nicht mehr logisch und meine Gliedmaßen hatten sich verselbstständig. Ich spürte nur noch sie, nur noch diese immensen Glücksgefühle. Sie war überall. Und sie nahm mir die Luft zum Atmen.

Das Blumenmädchen (LeFloid)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt