Kapitel 4

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"B-b-baby!", schluchzt Sophie Lear. Mike klopft mit seinen Fingern auf den Tisch. Die überzeichneten Gefühlsausbrüche von Clark Ericsons derzeitigem Blondchen regen ihn allmählich auf. Eine halbe Stunde ist bereits vergangen seit er zwecks Hintergrundrecherchen an der Tür der luxuriösen Villa in den Hamptons angeklopft hat. Nicht eine Frage hat er stellen können, das It-Girl gibt sich wirklich alle Mühe bei ihrer Zurschaustellung der verzweifelten Geliebten. "Miss Lear, Ich..." "Da-a-a-arling! W-w-o bist du bloß?" "Das versuchen wir herauszufinden, Miss Lear, aber reißen sie sich endlich zusammen, zum Teufel!" Sophies Augen füllen sich erneut mit Tränen, und ihre Oberlippe beginnt zu zittern. Würde sie nicht nebenbei die ganze Zeit simsen, nähme Mike ihr die Nummer vielleicht ab. Er atmet tief ein und aus. "Liebe Miss Lear, bitte hören sie endlich mit der Show auf. Ich bin nicht von der Boulevardpresse, sondern von der Polizei, und ich nehme  ihren Kummer ernst, auch ohne das Rumgeheule und verschmierte Mascara!" Sophie schnaubte verächtlich. "Was wollen sie wissen, Detective?", fragt sie mit kalter schneidender Stimme. Wie die meisten Millionärsliebchen reagiert  sie verletzt auf Mikes Schnauze.  Verdammt, ich muss mich zusammenreißen, denkt Mike, oder die schaltet total auf Blockade! "Danke, Miss Lear. Wann und wo haben sie Clark das letzte Mal gesehen? War er beunruhigt? Ist er vielleicht einfach untergetaucht, bei einem Alten Freund oder einer Affäre?" "Sehen sie mich an, Detective, und glauben sie mir, dass es Clark bei mir an nichts fehlt. Die Behauptung, er hätte was mit einer anderen, ist vollkommen lächerlich." Sophie bedeutet dem Hausmädchen zu kommen. "Bring mir einen Bellini. Und für Mister Swallow..." Sie mustert ihn von oben herab, "ein... Root Beer?" "Nein danke. Miss Leary, bitte antworten sie auf meine Fragen!" Nichts hasst Mike mehr als ewiges Gelaber und endlose Höflichkeiten. Er will Fortschritte erzielen. Sophie Leary zieht die viel zu stark geschminkten Augenbrauen hoch. "Am Abend vor seinem Verschwinden waren Clark und ich mit Freunden im Plaza, er war wie immer. Nach dem Diner sind wir direkt in unsere Suite gegangen. Er ist ein Frühaufsteher, es ist nicht ungewöhnlich, dass ich morgens alleine aufwache." Das Hausmädchen kommt herbei und reicht der jungen Frau ihren Drink. Diese nimmt einen kräftigen Schluck. Nicht gerade sehr fürnehm, denkt Swallow hämisch. "Er verlässt das Haus oft vor sieben Uhr und kehrt erst am frühen Abend zurück. Ich habe erst  Gegen zwei Uhr früh bemerkt, dass etwas nicht stimmt."  Tatsächlich hatte das Partygirl, mal wieder hackedicht, mehrere gelallte Drohungen auf Ericsons Mailbox hinterlassen, was sie mit ihm anstellen würde, wenn er sie gerade betrog. Eine Freundin , die zwar bekifft, aber dennoch viel klarer im Kopf gewesen war als Sophie, hatte schließlich die Polizei benachrichtigt. "Was macht ihr Freund denn den ganzen Tag außer Haus?" Sophie Lear zuckt mit den Schultern. "Golfen. Reiten. Was weiß ich." Klingt nach dem Idealbild einer offenen und ehrlichen Beziehung, denkt Mike sich. "Hat Clark irgendwelche Feinde?" "Natürlich. Geld erzeugt Neid, Neid erzeugt Hass. Googeln sie doch mal seinen Namen und lesen sie sich den shitstorm durch." Mit schnellen Zügen leert sie ihr Glas. Sofort erscheint das Hausmädchen und räumt das Glas in die Küche. "Können sie mir irgendwelche Namen nennen, ganz konkret?" "Kann ich nicht. Nun, ich habe einen Termin und muss mich noch fertig machen. Ray, begleite den Herrn zu Tür." Mit diesen Worten erhebt sie sich und stolziert an Swallow vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Der geschmackvoll gekleidete Schrank namens Ray schiebt ihn sanft, aber nachdrücklich zum Ausgang.

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