Die Gefühle für die schlechte Lügnerin

164 9 3
                                    

14

"Da ist sie wieder!", höre ich jemand rufen.

Die Stimme kommt mir bekannt vor. Ich öffne meine Augen, die kleine Fette steht über mir gebeugt.

"Ich dachte du bist tot.", bringe ich heraus, meine Kehle ist ganz trocken.

Sie zuckt mit den Schultern, ich setze mich langsam auf und sie setzt sich neben mich.

Wie üblich greift sie in ihren Bh und zieht einen Schokoriegel daraus.

"Wer hat gesagt, dass ich es nicht bin?"

Ihre Stimme klingt ein wenig anders, als sonst. Rauer, ungewollt, als wäre sie nicht zum Reden bestimmt.

"Heißt das, ich bin dann auch tot?"

Sie fängt an zu lachen, ihr Mund ist ganz braun von der Schokolade.

"Wie kommst du denn auf so einen Quatsch?"

Will sie mich verarschen? Ich sitze hier gemütlich mit meiner toten besten Freundin und unterhalte mich mit ihr, als würden wir einen Kaffeeklatsch halten.

Mit hochgezogenen Augenbrauen gucke ich sie an. Auf diese dumme Frage werde ich sicher nicht antworten.

Sie ist mittlerweile fertig mit dem Essen und verschränkt die speckigen Arme vor der üppigen Brust.

"Nur weil ich tot bin, musst du es nicht auch gleich sein."

Wow, das hilft mir jetzt wirklich weiter. Wäre sie nicht sie, würde ich sie schlagen. Kann ich sie überhaupt schlagen, jetzt wo sie tot ist?

"Und was ist das dann hier?"

Ich drehe meinen Kopf ein wenig, da ich ganz verspannt bin.

"Deine Vorstellungskraft."

Also bilde ich sie mir nur ein. Träume ich? Wenn ja, will ich schleunigst aufwachen.

"Warum hast du dich umgebracht, Patricia?"

Sie scheint nicht mit so einer Frage gerechnet zu haben. Sie knetet ihre Finger, als wären sie ein Kuchenteig, sie ist nervös.

"Du bist mir keine Rechenschaft schuldig. Ich will es einfach nur verstehen."

Flehend gucke ich sie an. Das ist sie mir schuldig und das weiß sie selbst auch.

"Kannst du es dir nicht denken?"

Doch, natürlich kann ich das. Aber ich will es aus ihrem Mund hören. Also schüttel ich den Kopf. Es brummt in meinem Kopf, ich habe Migräne. Ich will schlafen, obwohl ich das wahrscheinlich schon längst tue.

"Du bist eine schlechte Lügnerin."

Vielen lieben Dank. Das bring ich in die Grabrede.

Sie sagte, ich bin eine schlechte Lügnerin. Aber sie hat trotzdem nie gemerkt, dass ich gelogen hab, als sie mich gefragt hat, ob ich einen Schokoriegel hab.

Geile Rede, muss ich mir merken. Aber wahrscheinlich wird es nicht mal eine Beerdigung geben und selbst wenn, wer wird kommen? Die "Freunde" die sie in der Klinik hatte? Das bezweifle ich.

"Man braucht einen Grund, um zu kämpfen. Ich hatte einfach keinen mehr."

Diese Antwort ist gleichzeitig so simple und doch so niederschmetternd.

"Für mich.", versuche ich es, aber wir wissen beide, dass das Schwachsinn ist.

"Du warst nicht mehr da. Glaubst du wirklich die Freundschaft hätte gehalten, wenn wir irgendwann beide clean gewesen wären?"

CleanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt