Ich versuchte leise zu sein, doch mein Erscheinen wurde schneller bemerkt als mir recht war.
"Leo, hey." Es war der Junge, der mich musterte und immer noch vor mir stand. Seine Hand war ausgestreckt, als wollte er meine Hand schütteln. Meine Laune war gerade so gut, dass ich ihm den Gefallen tat. Und so schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen, als ich seine Hand nahm und zudrückte.
"Ich bin Jonathan", sagte er und ließ meine Hand los. Ich nickte nur und musterte ihn. Er schien älter als ich zu sein, allerdings höchstens siebzehn, seine Hände waren rau und um einiges größer als meine. Sein Klamottenstil war einfach und vor allem gemütlich. Gut zum arbeiten. Ein Mechaniker also.
"Wie läuft's in der Werkstatt? Viel los momentan, was?" Sein Blick war unbezahlbar und ich musste grinsen.
"Ähm, ja ziemlich viel los momentan. So kurz vor den Ferien lassen viele das Auto noch einmal durchchecken." Ich nickte zufrieden.
"Der Alte ist drinnen, wenn du ihn kennenlernen willst. Ansonsten kannst du mir dein Zimmer zeigen. Deine Mutter meinte, ich kann dort schlafen. Nur wenn du willst, versteht sich."
Es folgte ein Brummen meinerseits und ich zog meine Schuhe aus.
"Ich nehm dich mit hoch, komm." Es war mehr eine Aufforderung als alles andere. Es war ein Befehl, den er ohne zu zögern ausführte. Auf dem Weg in mein Zimmer, die Treppe hoch steigend, blieb es still. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie müde ich eigentlich war.
"Wenn du willst kannst du mir einfach das Zimmer zeigen und dann schlafen. Du siehst kaputt aus", unterbrach er die Stille. Wir standen mittlerweile dierekt vor meiner Zimmertür. Ich sagte nichts, nickte einfach und öffnete die Tür.
"Mein Reich", brummte ich und warf mich auf's Bett. Seufzend schloss ich meine Augen und rollte mich zusammen. Neben mir gab das Bett leicht nach, dann driftete mein Bewusstsein immer weiter Richtung Traumland. Auch wenn ich nicht wirklich schlief und alles wahrnahm, was um mich herum geschah, so war ich doch tief genug im Schlaf um mich nicht äußern zu können.
Wärend Jonathan sich die meißte Zeit hin und her drehte und weiter weg rutschte, hatte ich Angst, dass er runterfallen könnte. Aber ich konnte auch nichts sagen, oder machen.
WUMP!
Mit einem mal saß ich aufrecht im Bett und starrte auf den Boden. Jonathan richtete sich gerade auf und hielt sich den Kopf.
"Sorry, passiert mir öfters", nuschelte er und setzte sich wieder auf das Bett. Der Blick zu meiner Uhr verriet mir, dass es bereits morgen war. Also hatten wir doch geschlafen.
"Wenigstes etwas geschlafen?" Mein Blick war fragend, denn es interessiere mich wirklich. Er brachte ein lächeln zustande und nickte.
"Sehr gut, bis ich runter gefallen bin. Das passiert mir andauernd. Die machen immer Witze darüber mir ein Gitterbett in Riesenvormat zu kaufen." Er kratzte sich etwas beschämt am Kopf.
"Dein Vater stellt immer Stühle vor mein Bett, damit das nicht passiert. Tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe."
Ich zuckte mit den Schultern und lächelte etwas. "Passt schon. Mehr Schlaf hätte ich sowieso nicht bekommen", mit den Worten stand ich auf und verzog mich in das Badezimmer um zu duschen und meine Klamotten zu wechseln. Die sind auf Dauer nämlich ungemütlich geworden.
In Jogginghose und einem etwas zu großem schwarzen Shirt gesellte ich mich wieder zu meinem Besucher in mein Zimmer.
"Könntest du mir was leihen? Ich hab nur die Sachen mit und ich stinke so langsam." Er lachte, wärend ich ihm ein Stapel Kleidung heraus suchte und in den Arm drückte.
"Dürfte etwas eng sein, aber das ist das einzige was passen könnte. Oh, zweite Tür rechts ist das Bad."
Er lief fröhlich pfeifend los und grinste dabei. Wow, solch eine gute Laune hätte ich auch gern gehabt. Ist ja unglaublich. Ich seufzte erneut, das war meine neuste Angewohnheit, und ging nach unten in die Küche. Ein wenig enthusiastischer als vor wenigen Minuten deckte ich den Tisch, kochte Tee und machte mir selbst einen Kaffee.
"Oh, fleißig fleißig", Jonathan war hinter mir aufgetaucht und grinste über meinen Kopf hinweg. Warum ich das wusste? Ich hatte es einfach im Gefühl. Ihm stand dieses Grinsen einfach. Es passte zu ihm.
"Naja, wenn man Frühstück machen als fleißig bezeichnet." Ich zuckte mit den Schultern und wollte gerade zum Kaffee greifen, da schnellte Jonathans Hand vor und schnappte mir den Becher vor meiner Nase weg.
"Sehr lecker", grinste er und nahm einen Schluck davon. Irgendwie war ich ihm nicht mal böse. Ich hatte eher ein schlechtes Gewissen, da ich ihn nicht gefragt hatte ob er auch einen wollte.
"Kein Ding. Ich mach mir auch noch eben einen. Meinst du dein Dad will auch was?" Wärend ich die zweite Tasse fertig machte schüttelte er mit dem Kopf. Das war gut, denn der Rest Kaffee reichte gerade für eine Tasse.
"Er findet das Zeug ekelig." Jonathan setzte sich an den Tisch und nahm sich ein Brot. Wenigstens steht er nicht nur herum und wartet bis man ihm alles zuweist.
"Und er ist nicht mein Dad."
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Lebenssplitter
FantasiNormal, was ist heute noch normal? Geschichten, was davon ist real? Leben, was für eine Sinn hat es? Wie viel gibt die Gesellschaft Preis und wann sehe ich die Wahrheit und kein perfektes Scheinbild? Auch wenn der normale Alltag unglaublich langweil...