Alex
Geschafft! Jetzt fehlt nur noch der Flug... reicht es wenn ich morgen den Koffer packe? Oder doch lieber heute? hmm... Brauche ich sonst noch etwas? ah, Ladekabel darf ich nicht vergessen. Was braucht man sonst noch? Geld, Kleidung, Schulsachen? Ein halbes Jahr ist schon verdammt lang. Wenn ich nur wüsste wie das Leben dort abläuft und zu wem ich kommen würde. Was, wenn es uralte Knacker oder Vollidioten sind? Immerhin muss ich ein halbes Jahr dort bleiben... oh mein Gott, ein halbes Jahr. Ich kann es mir noch immer nicht vorstellen. Jetzt lasse ich sie alle hier in Österreich zurück. Meine Familie, sie würden mich vielleicht brauchen?! Warum tue ich mir diesen Stress eigentlich an? Die Umstellung, das wird schwer werden. Nein! Ich darf jetzt nicht an mir zweifeln. Ich schaffe das! Und mein Französisch! Daran habe ich noch gar nicht gedacht! Ich meine, ja, die Aufnahmeprüfung habe ich bestanden. Aber was heißt das schon. Wie ich heiße und wie alt ich bin. Viel mehr war das auch nicht. Und ich muss mit denen kommunizieren, mich mit ihnen austauschen. Mein ganz es Leben in diesen sechs Monaten wird aus Französisch bestehen. Man lernt es schnell hat es geheißen, doch was wenn nicht? Und überhaupt am Anfang! Sie werden mich fragen wie mein Tag war. Ich werde nicht antworten können. In der Schule werden sie an der Kultur Österreichs interessiert sein. Was soll ich sagen? La culture autrichienne est bonne? Nö, definitiv nicht. Aber sonst kann ich doch nichts sagen. So, jetzt muss ich aber mit Packen beginnen. Och neee...
„Alex? Was ist denn los? Freust du dich denn nicht auf dein großes Projekt?" Erschrocken drehte ich mich um. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass meine Mutter hereingekommen war. „Naja Mama, weißt du, ich bin mir nicht sicher ob ich das will. Ich weiß, dass ich jetzt nicht mehr umkehren kann, aber. Ich weiß nicht, ein halbes Jahr ist schon lange." „Aber Alex! Sei jetzt nicht so unsicher! Es wird sicher ein Spaß und du wirst so viele Erfahrungen sammeln. Du darfst es jetzt nicht bereuen! Du schaffst das! Wenn es irgendwelche Probleme gibt, kannst du mich jederzeit anrufen. Oder wenn du Heimweh hast, denk immer daran, du kommst ja wieder zurück! Und behalt immer im Kopf, welche Türen sich dadurch für dein späteres Leben öffnen. Du hast unglaubliche Chancen mit guten Französisch-Kenntnissen."
„Ja, danke. Hoffentlich geht alles gut." Ich fuhr mir durch die Haare, um das Chaos auf meiner Kopfhaut etwas zu bessern. Dann schloss ich kurz die Augen, seufzte und machte mit Zusammenpacken weiter.
Ich sah mich noch ein letztes Mal auf österreichischem Boden stehend um, dann folgte ich der Menschenmenge und stieg ins Flugzeug! Dann wieder das übliche "Gelabere" über das Sicherheitszeug und dann rollten wir auf die Startbahn. Das war das erste Mal, dass ich alleine fliege. Nur zweieinhalb Stunden trennten mich von der Gastfamilie, bei der ich jetzt ein halbes Jahr lebe.
Neben mir quengelte ein Kind, es wolle nicht neben mir sitzen... toll, fing ja schon großartig an. Sehr gut, jetzt auch noch Turbulenzen. Das Kind hat sich übergeben. Igitt, dieser Geruch. Um davon wegzukommen, machte ich mich auf den Weg zur Toilette. Als ich zurück war, setzten wir auch schon zur Landung an. Wieder ein raunzendes Kind mit Ohrenschmerzen. Zum Glück habe ich keine kleinen Gastgeschwister, die nur nerven. Ich hoffe, der Hund ist nicht zu nervig.
Endlich aus dem Flugzeug draußen, machte ich mich auf den Weg zur Gepäcksausgabe. Als ich meinen Koffer dann in Händen hielt, schlenderte ich Richtung Ausgang. Leichte Aufregung machte sich in mir breit. Da sah ich auch schon, wie mir ein Schild mit der Aufschrift "Alex Maier" entgegengehalten wurde. Alle fünf Familienmitglieder (plus Hund) warteten auch mich. „Bonjour", ein Chor aus vier Stimmen begrüßte mich freundlich. Das erste Wort hallte länger in meinem Kopf, als es mir lieb gewesen wäre. Die Aufregung wurde größer, also schüttelte ich den Kopf, um von belastenden Gedanken wegzukommen. Ich zwang mir ein Lächeln auf, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Stell dich vor, Alex, sag was, steh nicht nur rum und grins so dumm.
„Bonjour, je m'appelle Alex", mehr bekam ich spontan nicht raus. schlaue Idee, Alex, als wüssten sie nicht wie ich heiße...
Die Mutter sah am freundlichsten aus und durchbrach das peinliche Schweigen mit einem Gespräch, alle anderen lachten mich nur doof an. Die ganze Familie sah ungeheuerlich sportlich und wirklich nicht schlecht aus. Sie war noch relativ jung, trug kurze Haare und hatte eine ziemlich durchtrainierte Figur. Der Vater war etwas älter, muskulös und trug ganz kurzes Haar. Der Junge, René, hatte etwas längeres, ebenfalls dunkles Haar und war auch mit Muskeln ausgestattet. Durch das Tanktop, das er trug, sah ich ein drachenartiges Tattoo, das sich über das Schlüsselbein zog. Die Gastschwester war zierlich und hatte dickes, brustlanges, braunes Haar.
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J'adore les idiots
General FictionIch liebe diese Idioten. Jedenfalls muss ich sie lieben. Zumindest dieses halbe Jahr. Dieses eine halbe Jahr, welches ich in Frankreich verbringe und mein altes Leben solange hinter mir lasse. Der Austausch auf den ich mich anfangs noch gefreut ha...