Mundwinkel

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Morgens wachte sie auf.

Wie jeder andere auch. Sie stand auf, wusch sich, putzte sich die Zähne, schminkte sich. Sie stand eine Weile vor ihrem Kleiderschrank und überlegte was sie anziehen würde. Sie frühstückte und trank eine Tasse Kaffee. Sie stritt sich mit ihrer Familie über irrelevante Themen und nahm den Bus in die Schule.

Wenn sie den ersten Fuß aus dem Bus setzte, klemmte sie sich die Zeigefinger in ihre Mundwinkel. Lockerte sie und zog sie nach oben.

Ihre Freunde begrüßten sie mit einem Lächeln. Alle lachten. Auch sie.

Sie tauschten sich über Vergangenes aus, besprachen Durchgekautes immer und immer wieder, lachten, liefen zum Unterricht.

Sie mochte die Schule. Niemand achtete auf den einzelnen, wenn es doch so viele bunte Blumen auf der Wiese gab. Niemand interessierte sich für die Gedanken der anderen, wenn sich jeder auf sich selbst konzentrieren musste. Niemand fokussierte sich auf sie.

In der Pause lachte sie, wenn ihre Freunde lachten und ihre Freunde lachten, wenn sie lachte. Sie stach beinahe heraus mit ihrer guten Laune, tanzte durch das Leben, heiterte die Menschheit auf.

Wenn niemand hinsah, klemmte sie sich die Zeigefinger in die Mundwinkel. Lockerte sie und zog sie nach oben.

Ihre Freunde holten sie in ihre Mitte, lachten mit ihr. Ihre Mundwinkel verrutschten eine Sekunde lang, niemand sah hin. Das strahlende Lächeln blendete alle. Ihre Augen strahlten, denn die helle Sonne überdeckte die Schatten unter ihren Augen.

Sie erzählte Witze, schloss die Lippen kaum, redete und redete. Unbedeutende Dinge flogen ihr aus dem Mund, umschwirrten sie, wie einen Schleier.

Sie erzählten ihr ihre Probleme, suchten ihr Mitleid, ihr Mitgefühl. Sie war da für ihre Freunde, für alle. Hörte zu und beriet. Machte deren Sorgen zu ihren Sorgen. Sie bedankten sich bei ihr, taten sie immer. Nach einer Weile kamen sie wieder und ersuchten sie.

Und wenn ihr kurz keine Aufmerksamkeit galt, klemmte sie sich die Zeigefinger in die Mundwinkel. Lockerte sie und zog sie nach oben.

Nachmittags saß sie zuhause und machte Hausaufgaben, wie jeder andere. Sie unterhielt ihre Familie, wenn jemand betrübt war, brachte sie zum Lächeln. Sie war für das Entertainment-Programm zuständig. Das war sie immer. Sie tanzte herum und sang und lachte. Alle lachten mit ihr.

Zwischendurch klemmte sie sich die Zeigefinger in die Mundwinkel. Lockerte sie und zog sie nach oben.

Sie blieb lange auf, aber sie war froh, wenn sie versteckt unter ihrer Decke lag und das Gesicht in das Kissen drücken konnte. Für einen kurzen Moment konnte sie von einer anderen Welt träumen, ehe auch sie langsam in den Schlaf überging.

Und für ein paar Stunden blieben ihre Zeigefinger, wo sie waren, und ihre Mundwinkel waren einfach nur ihre Mundwinkel.

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