"Das war einfach super", meinte ich und strich der Stute noch einmal über die Stirn. "Bis Morgen Quinn."
Und auch meine Beste Freundin Lilly verabschiedete sich von ihrem Wallach. Die Pferde gehörten nicht uns, sie gehörten der Schwester von der Heimleiterin. Und genau dorthin mussten wir nun. Ins Heim, Wie jeden Tag... Wir hatten zwar im Moment Ferien, aber trotzdem sahen die Tage gleich aus. Morgens um sechs Uhr zusammen mit Lilly aufstehen, fertig machen, Frühstück vorbereiten und Tisch decken. Nach dem Essen mit den Älteren zur Schule fahren, wohlgemerkt vier Kilometer mit dem Fahrrad. Nach der Schule alle wieder einsammeln und zurück bringen. Mittagstisch decken. Essen und abräumen, anschließend Hausaufgaben machen. Erst dann durften wir in den Stall, der ebenfalls drei Kilometer entfernt war. Dann mussten wir nach Hause, Abends wurde von den Jüngeren gedeckt und abgeräumt. Zur Nachtruhe mussten Lilly und ich wiederum bei allen vorbeigucken und direkt danach ebenfalls auf unser Zimmer. Einsilbige, gleichaussehende und anstrengende Tage. Alles was mir dabei etwas bedeutete war die Gemeinsame Zeit mit Lilly bei den Pferden.
"Na los", sagte ich nur und zog mein Fahrrad aus dem Ständer. Morgen war Sonntag. Seufzend stieg ich auf das Rad und trat in die Pedale, meine Freundin kam mir hinterher. Eigentlich war sie garkeine Freundin mehr für mich, sie war eher meine Schwester. Nach einiger Zeit kamen wir am Heim an, dort wurden wir schon sehnsüchtig erwartet.
"Na endlich", meinte Frau Mayer und öffnete uns den Schuppen. "Lilly, du darfst schon Essen gehen, aber du Lucy musst nochmal mitkommen."
Ich schluckte erschrocken. Was hatte ich gemacht?
"Es ist alles okay, es ist nichts böses, aber du musst selber wissen wie du es interpretierst...", erklärte sie.
Ich nickte und folgte ihr in das Büro. Eine blonde Frau saß auf dem Bürostuhl und lächelte vor sich hin. Die Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden, sie trug eine Hellblaue Bluse und eine Jeans.
"Hallo Lucia", grüßte sie mich.
"Ähm... Hallo...", sagte auch ich und lächelte sie ebenfalls an
"Lucy, das ist Frau Gerber. Sie würde sich gerne mit dir unterhalten. Über deine Zukunft. Höre dir genau an was sie zu sagen hat", meinte Frau Mayer, dann verließ sie den Raum.
"Bevor du jetzt groß fragst... Lass mich einfach anfangen, okay?", fragte sie.
Ich nickte und machte mich auf alles mögliche gefasst.
"Ich komme von einem Reitinternat. Eigentlich haben wir soetwas noch nie gemacht, denn normalerweise sind wir nicht so viel in Heimen unterwegs... Aber da wir noch dringend für die neue Achte Klasse Leute suchen... naja... Ich habe ein Angebot für dich. Für deine Zukunft. Da du in zwei Wochen vierzehn wirst dürfen wir dich dafür anfragen und... ich will dir das Ganze wann anders genauer erklären. Du bist gut in der Schule und du reitest super. Du kannst an unser Reitinternat kommen. Dort wirst du mit einigen Gleichaltrigen zusammen wohnen, du hast auf dem Internatsgelände Schule und kümmerst dich um ein Pflegepferd. Du wärst ersteinmal zur Probe da. Drei Monate bis zu den nächsten Ferien. Überleg dir ob du das machen möchtest", erklärte sie.
Ich war sofort Feuer und Flamme. Natürlich, das Heim war mein zu Hause aber... Es war eine Chance hier los zu kommen, weg aus dem verdammten Heim, weg von meinem Leben und ein neues Kapitel beginnen. Mit Pferden konnte ich gut, mit den Kindern im Heim eher weniger. Ich malte mir sofort aus wie es sein würde. Mit gleichaltrigen Mädchen zusammen reiten und wohnen, miteinander Quatsch machen und lachen. Es würde mit Sicherheit toll werden.
"Ich brauche deine Entscheidung bis morgen Abend.... Ich weiß, dass das knapp ist, aber es muss alles noch geregelr werden mit den Papieren und den Pferde-, Klassen- und Zimmerverteilungen. Und das machen wir ab Montag...", rief sie.
"Okay", sagte ich und strahlte. "Ich ähm.. geh dann Mal essen!"
Als ich strahlend und lächelnd über beide Ohren am Tisch ankam, lächelte auch Frau Mayer verschwörerisch, Lilly sah mich eher fragend an. Sofort setzte ich mich zu ihr und erzählte ihr begeistert von dem Angebot.
"Das ist meine Chance von hier los zu kommen! Ich denke dass das meine Zukunft sein wird", schloss ich die Erklärung schließlich ab und wartete auf ihre Reaktion.
"Das ist ja... super?", meinte sie mit einem künstlichen Lächeln auf den Lippen.
Sie freute sich nicht für mich. Sie sah verletzt aus, warum hatte ich das auch so gemacht? Sie war meine beste Freundin und wir waren zusammen seit wir denken konnten! Ich hätte es vorsichtiger machen müssen.
"Ich denke ich werde es nicht annehmen", beichtete ich jetzt.
Ich wollte sie auf keinen Fall verletzen und auch nicht im Stich lassen. Sie brauchte mich. Und wenn ich jetzt ging... Nein, ganz klar, ich würde bei ihr bleiben.
"Lucy. Das kommt garnicht in Frage!", rief sie nun, doch ich merkte dass sie das ganzschöne Kraft kostete.
"Natürlich gehe ich nicht! Ich lasse dich hier nicht alleine! Auf garkeinen Fall!", schrie ich nun.
"Und ob du gehst!", zischte sie, dann wurde sie wieder ruhiger. "Das ist die Chance für dich. Ich komme hier bestens klar, das ist mein Ding hier, aber ich sehe doch wie es dir Tag für Tag schlechter geht. Das ist eine einmalige Chance und so ein Angebot bekommst du nicht nochmal. Also nimm an. Ich hab viel über das Internat gelesen, hörst du? Es hat wahnsinnig gute Rezensionen und die Pferde sind alle erstklassig ausgebildet. Du bist die, die Pferde von Anfang an fasziniert haben. Du hast die Weiterbildungen bekommen, weil du dich so dafür interessiert hast. Lass dir das nicht kaputtmachen nur wegen mir. Und weißt du noch etwas? Am Wochenende können wir uns jederzeit treffen. Und dein Handy darfst du auch mitnehmen, also können wir soviel schreiben wie wir wollen. Lucy. Ich würde dir dein ganzes Leben verbauen, das will ich auf garkeinen Fall! Und wenn du willst unterschreibe ich dir das sogar."
Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte los, dabei fiel ich Lilly um den Hals.
"Du bist die allerbeste Freundin die man sich vorstellen kann". flüsterte ich und weinte noch eine ganze Zeit lang weiter, bis alle anderen mit dem Essen fertig waren.
Frau Gerber hatte noch mit Frau Mayer geredet, deshalb war sie noch da, und ich teilte ihr meine Entscheidung mit, zusammen mit Lilly, die sich alles auch anhören durfte. Und dann erklärte die Frau auch schon das Procedere. Einen Tag vor Schulbeginn war die Anreise, dann würden Zimmer-, Pferde- und Klassenverteilungen bekanntgegeben. Sie redete über allerhand uninteressante Sachen und beteuerte mir zum Schluss noch dass es mit Sicherheit eine tolle Zeit werden würde. Müde fielen wir anschließend ins Bett und während Lilly schon schlief, machte ich mir Gedanken über das Internat. Das ist die Chance für dich! , hallten ihre Worte in meinem Kopf. Das ist die Chance für dich!
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Reitinternat Schwarzental
Teen FictionLucy ist 13 Jahre alt und lebt seit dem Unfall ihrer Eltern im Heim. Mit ihrer besten Freundin Lilly wird es nie langweilig. Bis zu dem Tag an dem Frau Gerber das Gebäude betritt. -ChevauxVerlag-