Als ich den Chat öffnete, blinkte mir ein Hi! Ich liege grade zuhause in meinem Bett und lese ein bisschen. Du? entgegen.
Ich lächelte in mich hinein und antwortete mit einem Liege auch im Bett. In diesem Camp, du weißt schon.
Ich hatte Jake von meinen übernatürlichen Fähigkeiten erzählt und ihm das Fliegen vorgeführt. Das Schattentanzen hatte ich jedoch nicht erwähnt. Er hatte seltsamerweise nicht überrascht gewirkt, nur beeindruckt.
Wir schrieben noch ein wenig miteinander. Am ende unseres Gesprächs schickte ich ein Bis bald, Jake. Vergiss mich nicht ab.
Das Vergiss mich nicht war zu unserer persönlichen Verabschiedung geworden. Es hatte immer etwas abschließendes, endgültiges.
Ich machte mein fast leeres Handy aus, steckte es ans schwarze Ladekabel und schloss meine müden Augen.
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Meine zuverlässige innere Uhr weckte mich genau so früh wie sonst auch. Es begann gerade zu dämmern, aber die Stadt war noch in düstere Stille gehüllt.
Ich kroch aus meinem warmen, angenehmen Bett und setzte mich mit der flauschigen Decke an das große Fenster, welches ich vorher öffnete. Ich genoss die Kälte und die Ruhe. Die Sonne ging langsam auf und ich beobachtete den orangenen Sonnenaufgang. Es wurde mir zu kalt, deshalb raffte ich mich mühsam auf , legte die Decke zurück in mein weiches Bett und holte mir einen grauen, kuscheligen Kapuzenpulli und eine schwarze Jeans aus meinem geräumigen Schrank, welchen ich am Vorabend noch schnell eingeräumt hatte.
Im Bad duschte ich und ließ zehn Minuten lang das angenehm warme Wasser auf mich herabprasseln. Danach zog ich mich langsam an und setzte mich mit nassen Haaren an das immer noch geöffnete Fenster. Ich nahm mein volles Handy vom Ladekabel und machte es an. Sie haben eine neue Nachricht, zeigte mein Handy an.
Diesmal hatte Jake mich angeschrieben und er war noch online. Jetzt lautete die freundliche Nachricht Guten Morgen. Was machst du heute an deinem ersten Tag? Sollen wir telefonieren? Dann kannst du mir alles erzählen.
Ich grinste in mich hinein. Beim Gedanken an seine Fürsorge kribbelte es warm in meinem Magen. Er war echt total süß.
Ich rief ihn gutgelaunt an. ,,Hey Zoe!", hörte ich ihn am anderen Ende der Leitung.
,,Hi Jake! Wie geht's dir?"
,,Gut, mir geht's gut. Aber viel wichtiger: wie geht's dir, Zoe? "
Ich überlegte. Mir fiel es immer schwer, mit anderen über meine Gefühle zu reden. Sogar mit Jake, der sich selber zu so etwas wie meiner seelischen Mülltonne gemacht hatte, wenn es mir schlecht ging.
,,Gut."
,,Gut? Du sagst immer, es würde dir gut gehen. dann bohre ich ein wenig mehr nach und bekomme allerlei Geschichten zu hören, nach denen zu schließen es dir eindeutig nicht gut geht. also frage ich noch einmal: wie geht es dir?"
Er hatte ja Recht. Immer, wenn er mich fragte, sagte ich das gleiche. Aber heute ging es mir wirklich gut , ich war glücklich, motiviert und nicht niedergeschlagen.
,,Es geht mir wirklich gut, Jake, Wirklich gut."
Das Telefonat streckte sich, die Sonne ging auf und langsam, ganz langsam, erwärmte sich die Luft um mich herum. Meine Laune stieg zusehends, während ich mit Jake sprach, und das Kribbeln in meinem Magen war auch wieder zurückgekehrt.
Ich betrachtete beim Reden und zuhören den Innenhof, dessen Bewohner langsam zum Leben erwachten. in dem Zimmer, in dem gestern die zwei Jungs Fifa gezockt hatten, saß jetzt ein einzelner auf der Couch und telefonierte. Zwei Fenster weiter ober sah man zwei Mädchen, die ungefähr acht Jahre alt waren und lachend mit Puppen spielten.
Nach dem ausgedehnten Telefonat, welches mindestens eine Dreiviertelstunde gedauert hatte, legte ich glücklich auf und blieb am Fenster sitzen. Es war ein schöner Tag heute. Ich genoss gerade die milde Luft und den orangenen Himmel, als hinter mir plötzlich jemand laut meinen Namen sagte. Erschrocken machte ich einen kleinen Satz nach hinten, wobei ich leider die Tatsache außer Acht ließ, dass ich an einem geöffneten Fenster im siebten Stock eines Hochhauses saß.
Dumm gelaufen, würde man meinen.
Aber nicht für mich.
Ungefähr im dritten Stock bremste ich mich ab und blieb schweratmend in der Luft hängen.
Aus dem Augenwinkel sah ich einen Schemen an Fenster stürzen und entsetzt und verängstigt ,,Neeeiiiiinnnn!" kreischen.
,,Zoe? Zoe!", schrie die geschockte Stimme wieder. Ich brachte mich in meine Flugposition, drehte mich auf den Bauch, streckte die Arme zur Seite aus und sog einmal die angenehme Luft in mich hinein und blies sie wieder heraus. Dann flog ich nach oben und gelangte schließlich vor einem geöffneten Fenster im siebten Stock und einer unglaublich fassungslosen Scarlett an.
Sie konnte nur ein schockiertes ,,Wie ... was?" herausbringen, dann verdrehte sie die Augen und kippte nach hinten auf den Boden.
Jetzt hatte ich die Rolle der entsetzten, verängstigten Person. Ich flog auf das immer noch geöffnete Fenster zu, stolperte hinein, kniete mich neben die bewusstlose Scarlett auf den Boden und tätschelte hilflos ihre Wange. Dabei sagte ich, mehr oder weniger laut, ,,Scarlett? Scarlett, hörst du mich? Wach auf!"
Doch sie bewegte sich nicht, deshalb sah ich mich, verzweifelt einen Ausweg suchend, dazu genötigt, ihr eine Backpfeife zu geben. Was ich dann auch tat. Aber kurz darauf bereute ich es schon wieder, da mich mein schlechtes Gewissen überrollte.
Schlechtes Gewissen hin oder her, immerhin hatte es jetzt funktioniert. Scarlett blinzelte verwirrt und in ihr blasses Gesicht kehrte langsam die Farbe zurück. Ganz langsam.
Als sie mein Gesicht erblickte, riss sie überrascht die Augen auf.
,,Zoe? Aber ... du bist doch aus dem Fenster gefallen ... ich verstehe nicht..."
,,Schon gut, schon gut,", versuchte ich sie zu beruhigen, ,,alles okay. Am besten legst du dich kurz in dein Bett, ich hol dir schnell ein Glas Wasser, ja?"
Ich führte sie an ihrer kalten Hand langsam zurück zu meinem Bett und deckte sie fürsorglich zu. Dann eilte ich zu der Minibar mit Schrank und machte ihn hektisch auf.
,,Tassen-nein.
Schüsseln-nein.
Gläser-ja!", murmelte ich vor mich hin, während ich die Gläser suchte. Schließlich fand ich sie, nahm eins heraus, knallte die Schranktür zu und befüllte es im Bad mit Wasser.
Dann ich eilte zu Scarlett zurück, die, immer noch etwas blass um die Stupsnase, in meinem Bett saß. Ich drückte ihr das kühle Wasser in die Hand und setzte mich vorsichtig neben sie. ,,Was ist denn passiert? Du hättest -du hättest sterben müssen! Du bist aus dem siebten Stock gefallen! Das sind fast zwanzig Meter, und der Hof ist gepflastert!", fragte sie aufgewühlt.
,,Erst einmal: Geht es dir wieder gut? Sollen wir einen Arzt holen oder so?", wollte ich besorgt wissen.
Sie trank ein paar Schlucke und schien sich langsam wieder von dem Schock zu erholen. ,,Nein, ist schon gut. Ich bin sehr anfällig für Ohnmachtsanfälle. Das passiert mir wenn ich einen großen Schock kriege oder so. Aber erklär doch mal, was ist passiert?"
Ich begutachtete sie skeptisch, dann begann ich wieder zu reden. ,,Nun gut ... Also, meine Kräfte sind das Fliegen und das Beeinflussen der Schwerkraft. Ich habe die Schwerkraft ausgeschaltet und mich abgefangen."
,,Cool.", hauchte sie. ,,Mal wieder jemand mit einer viel besseren Fähigkeit als ich."
Ich zuckte nur mit den Schultern.
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Die Schattentänzerin | Abgebrochen
Fantasy,,Das muss ein ziemlicher Schock für dich sein, oder? Zu sehen, wie deine real geglaubte Welt einfach so mir nichts, dir nichts aus den Fugen gerät und du rein gar nichts dagegen tun kannst." Verwirrt. Mächtig. Gejagt. Gefährlich ... Zoe ist eine ga...