Ich fühlte wie die Macht mich berauschte, als ich mit einem sanften, katzenartigen Sprung auf seinem Balkon landete. Endlich würde ich mich rächen können. Nur deswegen war ich damals Vaters Einladung gefolgt, dem Verband der Magier beizutreten. Ich konnte ein fieses Grinsen nicht unterdrücken, als ich den Zauberspruch flüsterte. Mit einem leisen Klacken sprang die Tür auf. Zwischen meinen Beinen streifte ein Katze hindurch. Meine Helferin. Verzauberte Katzen sind die gehorsamsten, pflichtbewusstesten Diener, die sich ein Magier leisten kann. Zur Sicherheit hatte ich sie mitgenommen, obwohl ich bei meiner Mission keine Schwierigkeiten erwartete. Ich musste nur einen Gegenstand stehlen. Den Gegenstand an dem er am meisten gehangen hatte, als er klein war. Die schmale Sichel des Mondes beleuchtete den Raum nur schwach. Aber ich hatte mir durch einen Zauberspruch die Augen einer Katze verliehen. Ich konnte alles um mich herum haarscharf erkennen. Neben einer Blumenvase mit Tulpen machte ich ein Photo von uns aus. Es war vor dem schicksalshaften Tag aufgenommen, an dem ich ins Internat musste. Ich, mein kleiner Bruder und meine Mutter. Eine scheinbar glückliche Familie. Ein leises Miauen riss mich zurück in die Gegenwart. Aber es war schwer seine Gedanken auf das Jetzt zu konzentrieren, wenn alles um einen herum einen zurück in die Vergangenheit katapultierte. Es hatte sich hier gar nichts geändert. Das Sofa, der Esstisch, die Teppiche. Alles wie als wäre es gestern gewesen, dass ich diese Wohnung verlassen hatte. Ich war zehn und ging nichtsahnend mit meiner Mutter zum Eisessen. Ich sehe den großen Eisbecher noch vor mir stehen. Schmecke das halbgeschmolzene, kühle Eis auf meiner Zunge. Und höre wie meine Mutter mir ihren Beschluss mitteilt. Wie sie mein Vertrauen verrät. Mein Glück zerstört. Sie hat mich verstoßen. Und er war der Grund. Mein kleiner Bruder. Damals war er noch ein kleiner Engel. So süß, so unschuldig. Ich blickte in das Bett, in dem früher meine Mutter geschlafen hatte. Nun lag er darin. Er sah dem kleinen Engel aus Kindertagen verteufelt ähnlich. Seine goldenen Locken glänzten im Mondschein. Nur trug er sie jetzt kürzer als damals. Ich sah mich um und ließ meinen Blick durchs Zimmer wandern. Er blieb an einem kleinen Teddybär hängen, den mein Bruder immer bei sich getragen hatte als er klein war. Das musste es sein. Das musste damals sein ein und alles gewesen sein. Trotzdem zögerte ich. Ich hatte eine Gänsehaut im Nacken wie als würde mich jemand beobachten. Ich fühlte mich auf einmal unsicher in meiner Haut. Überhaupt merkte ich wie die Begeisterung, die ich bei meiner Ankunft gespürt hatte langsam schwand. „Wenn ich schwach werden sollte.", flüsterte ich meiner Begleiterin zu.„Ziehst du die Sache durch, verstanden?" Sie gab nur ein zustimmendes Schnurren von sich. Ich seufzte. Ich werde das jetzt durchziehen sagte ich mir und riss den Teddy an mich. Als ich mich umdrehte um zu gehen, merkte ich, dass er aufgewacht war und mich beobachtete. „Ich wusste, dass du irgendwann zurückkehren würdest.", sagte er „Mama hat darauf immer gemeint, dass ich das lieber nicht hoffen sollte. Denn wenn du zurückkämmst würdest du uns beide vernichten wollen. Du würdest der Teufel persönlich sein." Mit seinem verstrubbelten Haar sah er dem Jungen, der er gewesen war so ähnlich, dass ich zum Foto neben der Blumenvase spähte, ob er dort herausgekommen war. Mir schien das in diesem Moment nicht unrealistisch zu sein. Ich hatte im Verbund der Magier schon ganz andere Dinge gesehen. „Und...?", hörte ich ihn flüstern„willst du mich vernichten, weil du Mama nichts mehr anhaben kannst? Soll ich für alles büßen?" Ich zeigte ihm den Bären, als würde das alles erklären.„Ja!", knurrte ich „du hast mir meine Kindheit gestohlen. Es gab kein Gelt für zwei Kinder. Da kam das Stipendium eines Internats gerade recht, um mich wenigstens los zu sein. Jetzt werde ich dir alle deine schönen Erinnerungen nehmen. Ich werde sie vernichten. Dafür wirst du dich auf einmal erinnern wie es ist in einem Militärinternat erzogen zu werden. Wie es ist wenn dich alle mobben, weil du nicht reich bist. Wie es ist wenn du geschlagen wirst, wenn du jemanden eingesagt hast. Wie es ist wenn du als einziger in den Ferien allein in der Schule bleiben musst." Ich schluckte. Meine Entschlossenheit hatte ich wiedergewonnen. Mein Hass war wieder frisch und suchte ein Ventil. Mein Blick fiel wieder auf den Bären in meiner Hand:„Das war doch das Liebste, was du hattest als du klein warst, oder?", fragte ich. Wenn ich mich nämlich täuschte würde der Zauber nicht funktionieren. Bestenfalls. Schlimmstenfalls würde alles auf mich zurückfallen. „Nein", behauptete er ganz leise „das, was ich am liebsten hatte als ich klein war, war..." Ich schaute in aufmerksam an. Wenn es ein Mensch war, wird es schwierig ihn in den Zauber zu verweben. „war mein Bruder. Einen Bruder, den ich liebte und der mich liebte und den es jetzt anscheinend nicht mehr gibt. Wenn du meine Kindheit zerstörst. Dann zerstörst du auch das Letzte, was uns noch verbindet." Meine Hand erschlaffte und der Teddybär fiel zu Boden. „Mutter hat dich weggegeben um dich zu schützen. Dass Vater dich nicht findet und dich nicht zu einem Monster machen kann, dass nur an Zerstörung denkt." „Und wieso nicht dich?" „Von mir weiß Vater gar nichts." Die nächsten Sekunden vergingen wie in Zeitlupe. Ein schwarzer Schatten. Sprang. Landete. Riss ihm die Kehle auf. Ich warf mich auf sie. Schleuderte sie zurück. Die Blumenvase zersprang. Die Katze entfloh. Ich wusste gleich, dass meine Zauberkraft nichts mehr helfen würde. Magie kann nicht alles rückgängig machen. Ich setzte mich zu ihm und sprach ein paar Zaubersprüche. Die Wunde schloss sich. Doch komischerweise, war mein kleiner Bruder kein bisschen entsetzt. Als er starb sah er nicht nur aus wie ein Engel, sondern war auch einer. Denn mit seinem letzten Atemzug sprach er mich frei: „Ich dachte schon die Magie hätte dich kaputt gemacht, die Macht dein Gewissen zerstört. Aber das ist nicht passiert. Dein Charakter ist derselbe geblieben. Du bist immer noch mein Beschützer." Dann schloss er seine Augen.
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Rache ist bitter
Short StoryRache treibt ihn an. Er sucht den Schuldigen für seine unglückliche Kindheit. Und nicht nur die Macht der Zauberei lässt ihm am Ende im Stich.