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Der Dunst lag tief über der großen Festhalle und die Luft war voll von dem Gestank der schwitzenden Menschen und vom Duft des frischen Ciders. Am oberen Ende der Halle saß die Königsfamilie auf einer Erhöhung und unter ihnen ihr ganzer Hofstaat. Es war Frühling. Hochkönig Angus von Irland hatte abgedankt und nun war sein Sohn, Brian mac Angus, zum König gekrönt worden. Es war nicht üblich zu dieser Zeit, dass ein König abdankte. Aber Hochkönig Angus war von vielen noch nie als normal angesehen worden und deswegen freuten sich die Meisten, dass nun sein Sohn, ein kluger und ruhiger Mann in seinen späten Dreißigern, endlich das Land zu seinem alten Ruhm zurück führen würde. Zu dem Ruhm, welchen ihnen die Nordmänner vor langer Zeit stahlen.

Die Menschen in der Halle waren ausgelassen am feiern. Es wurde getanzt, gelacht und getrunken. Alle, auch die Bediensteten waren zu diesem besonderem Fest eingeladen worden. Die Tische waren schon lange zur Seite geschoben worden und in der Mitte hatten sich alle zum Tanzen versammelt. Der neue König betrachtete seine Untertanen mit wachsender Erheiterung. Schräg hinter seinem Thron stand sein langjähriger Freund und oberster Kommandant der Wache, Ewan. Die beiden waren schon seit langem enge Freunde und Ewan war Brians Berater und Vertrauter. Die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können, während Brian ruhig und bedacht war, war Ewan impulsiv und sehr talentiert mit dem Schwert. Außerdem war er ein hervorragender Tänzer. Brian konnte dem Tanzen nicht viel abgewinnen, obwohl er natürlich so wie seine Brüder auch Tanzstunden als Kind bekommen hatte.

Mit einem Grinsen drehte sich Brian zu Ewan um und gab ihm ein Handzeichen, wohl wissend, dass Ewan nur darauf gewartet hatte. Der rothaarige Hüne nahm seinen Waffengurt ab und gab ihn der nächstbesten Magd. Brians Grinsen wurde zu einem Lachen, als er seinen Freund fast schon die Treppe hinunter fliegen sah und sich der tanzenden Reihe anschloss.

Brian bedachte seinen drei älteren Brüder mit einem nachdenklichen Blick. Sein ältester Bruder Mahon war bereits an die fünfzig und hatte die Krone nicht haben wollen. Er war ein ruhiger Mann von eher kleinerer, leicht dicklicher Statur, welcher sich lediglich Ruhe in seinem Leben wünschte. Sein schwarzes Haar wurde schon mit leichten grauen Strähnen durchzogen und auch sein Gesicht wurde langsam faltig. Neben Mahon saßen die Zwillinge Aidan und Eoghan. Zwillinge die unterschiedlicher nicht sein konnten. Sie waren beide Anfang vierzig und Eoghan hätte eigentlich als nächster Anspruch auf den Thron gehabt, doch die beiden waren die unehelichen Kinder von Brians Vater und damit nicht berechtigt den Thron zu besteigen. Die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während Aidan kein Kind von Traurigkeit war und immer mindestens eine schöne Frau bei solchen Festen am Schoß sitzen hatte, war Eoghan Witwer und hatte nicht vor, je wieder zu heiraten. Eoghans Gesicht war wettergegerbt, da er Oberster Kommandant des Heeres war. Aidan war Gelehrter, daher war er nicht viel draußen und sah auch weit aus jünger als Eoghan aus. Neben den Zwillingen saßen Tiarnan und seine Frau Enya. Tiarnan war der jüngste der Brüder mit Anfang zwanzig und stach mit seine schwarzen Locken heraus. Zwar hatten die Brüder alle dunkle Haare, aber keiner hatte Locken. Enya war die Tochter des walisischen Fürsten aus Deheubarth. Auf Brians anderer Seite saßen sein Vater und die Mutter von Tiarnan. Seine eigene Mutter war vor zwanzig Jahren bei einem Überfall der Wikinger gestorben.

Das Fest hatte mittlerweile einen Punkt erreicht, an dem sich Brian wünschte, er könne sich endlich zurückziehen. Er war kein Freund von ausschweifenden Festen. Außerdem hatte er noch über etwas nachzudenken. Ein im unbekannter Herrscher hatte ihm ein Heiratsangebot mit seiner Tochter gemacht. Brian kannte das Land nicht, er wusste nur, dass es am Festland lag, ziemlich strategisch und an alle wichtigen Handelsrouten angeschlossen. Irlands Handel hatte schon vor langem einen Einbruch erlitten. Nur die Wikinger in Dublin hatten keine Probleme. Er wollte das Angebot annehmen. Seine Braut hatte den Ruf einer wunderbaren Schönheit und auch ihr Charakter sollte der einer Königin gleichen. Das einzige, das er auszusetzen hatte war, dass sie um einiges jünger war als er. Brian wusste, dass Altersunterschiede keine Rolle spielen sollten, da es hier um Politik und Strategie ging, aber er fühlte sich bei dem Gedanken nicht wohl, eine Frau zu heiraten, die zwanzig Jahre jünger war als er. Er empfand auch etwas Mitleid mit ihr, denn als er achtzehn war, hatte er noch keine Gedanken an das Heiraten verschwendet. Sie würde sich an eine Mann binden, der viel früher als sie starb.

Tief im Inneren hatte Brian seine Entscheidung jedoch schon getroffen. Es war ein Angebot, welches er einfach nicht abschlagen konnte und welches seinem Land vielleicht wieder zu Ruhm verhelfen würde. Er hatte das Gefühl, dass sie der Schlüssel zum seinem Erfolg als König sei.


Drei Tage später schickte der König einen Eilboten nach Arda, dem Heimatland seiner zukünftigen Braut, um sein Einverständnis kundtun zu lassen. Fünf Tage danach kam der Bote mit der Antwort, dass sich der König sehr geehrt fülle und er und seine bezaubernde Tochter im Mai für die Hochzeit kommen würden. Brian war verwundert über diese Aussage, da weder Verträge noch sonstige Vereinbarungen geschlossen worden waren. Er schickte den Boten mit der Antwort zurück, dass man zuerst noch den Ehevertrag verhandeln müsse. Der König von Arda antwortete, dass man dies arrangieren könne und er mit seiner Tochter und seinem Gefolge Ende April zu den Verhandlungen kommen werde. Dagegen konnte Brian nichts einwenden.

Der April war gekommen und Brian wurde sichtlich nervöser, da er an seiner Entscheidung zweifelte.

"Mein Herr, warum seid ihr dieser Tage so betrübt. Eure Braut kommt bald. Ihr solltet euch freuen, stattdessen, seht ihr aus als ob ihr von einem Wikingerangriff wüsstet und wir nicht." Ewan versuchte die Aufmerksamkeit des Königs zu erlangen, doch dieser ignorierte ihn. Seufzend ging der gebürtige Schotte auf seinen König zu, zog ihn am Arm aus dem Stuhl und verfrachtete ihn, trotz großen Protestes seitens Brians, zu den Ställen. Ewan wusste, dass Pferde das einzige waren, was Brian über die Maßen liebte.

"Kommt, mein König. Ihr braucht dringend frische Luft zum Atmen. Außerdem müsst ihr endlich einmal nach Tagen euer Zimmer verlassen."

"Du weißt immer, wie du mich mich auf andere Gedanken, bringen kannst, aber dieses Mal muss ich dein Angebot ablehnen. Ich bin nicht in der Stimmung zum Reiten."

"Hörst du dich in letzter Zeit eigentlich selbst reden? Du klingst, als würde man dich bald erhängen wollen und dies sind deine letzten Tage. Du weißt du kannst mir alles erzählen. Sag, was liegt dir auf der Seele?"

"Ich sprach mit Cian. Er prophezeite, dass diese Frau Irland für immer verändern würde."

"Na dann ist doch alles in Ordnung."

"Er prophezeite auch, dass ich durch sie sterben werde."

"Brian, wir beide wissen, dass Cian nicht immer richtig liegt und außerdem benutzt er seine Kräfte um die Geschicke und Politik diese Landes für sich zu leiten. Warum er immer noch am Hof ist verstehe ich einfach nicht."

"Ich kann nicht einfach den Hohepriester vom Hof verweisen. In Irland ist es Tradition, dass der Sitz des Hochkönigs auch der Sitz des Hohepriesters ist."

"Ich weiß, aber du bist nicht der Hochkönig. Du bist zwar König von Connacht und Leinster, aber König Niall von Munster wurde zum Hochkönig nach der Abdankung deines Vaters. Was nebenbei bemerkt eine komische Regelung ist, wenn die Hochkönigswürde nicht an den Sohn weitergegeben werden kann."

"Auch das ist irische Tradition und ich weiß, dass Niall Hochkönig ist. Aber ich werde mir diesen Titel zurück holen, deswegen bleibt Cian. Sozusagen als kleine Vorgeschmack für Niall auf das, was auf ihn zu kommen wird." Die beiden Männer mussten schmunzeln und schließlich ließ sich Brian doch zu einem Ausritt überreden.


"Eure Braut ist an der Küste angekommen, mein Herr." Brian schrak auf aus seinen Gedanken und blinzelte kurz in Ewans Richtung.

"Habt ihr sie gesehen, mein Freund? Ist sie wirklich so, wie sie die Boten beschrieben haben?"

"Sie ist noch viel schöner und ihre Ausstrahlung gleicht der einer Göttin, mein Herr. Sie ist die geborene Königin. Sie wird euch sehr behilflich sein, solltet ihr das Land zurückerobern wollen. Mit ihr braucht ihr keinen Krieg beginnen, sie werden ihr alle zu Füßen liegen. Und bevor ich jetzt zu viel sage möchte ich dich nur vorwarnen. Ihr Lachen ist nicht bezaubernd sondern verzaubernd, es lässt dich leichter und fröhlicher wirken in dem Moment, in dem du es hören wirst."

"Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen du hast dich verliebt. Und bevor du jetzt etwas erwiderst, ich weiß es besser."

Ewan schenkte seinem König ein neckisches Grinsen und bedeutete ihm mit einer Armbewegung und leichter Verbeugung in Richtung Tür, sich endlich auf den Weg nach draußen zu machen, um seine Braut im Schlosshof zu erwarten.

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