Summercamp - Der Sommer deines Lebens

Kapitel 1

Die Schulglocke schrillte ein letztes Mal laut durch die Gänge und Liz stürmte mit all den anderen Schülern nach draußen. Ihre dunkelroten Haare flogen im Wind als sie eilig zu einem der vielen gelben Schulbusse rannte. Seit Wochen hatte Liz diesem Moment entgegengefiebert. Die Sonne brannte auf ihre helle Haut als sie aus der Schule ins Freie trat. Es war einer dieser Sommertage, wie man sie aus Filmen kannte. Die Luft flirrte förmlich und kein Windstoß regte sich, der für Abkühlung hätte sorgen können. Jeder der konnte, hielt sich heute in einem klimatisierten Raum auf und bewegte sich kaum. Doch Liz war das egal. Sie rannte zu einem der Busse, die in einer langen Schlange vor der Schule aufgereiht waren.

Endlich raus aus dem miefigen, dunklen Gebäude, das sich Schule schimpfte. Weg von den in Liz Augen inkompetenten Lehrern und vor allem weg von dem oberflächlichen, idiotischen Klassenkameraden. Sie konnte sie alle nicht leiden, aber am wenigsten mochte sie Zac und seine "ach so coole Gang". Sie waren der Inbegriff des typischen Klischees der Reichen und Schönen an jeder amerikanischen Highschool und Liz hasste sie dafür, dass sie allen anderen Schülern jeden Tag aufs neue zeigten, wie miserabel und bedeutungslos doch das eigene Leben war. Auch Liz durfte sich immer wieder anhören was für ein Nerd sie doch war, dabei mochte sie ihr Leben eigentlich.

Zwar hatte Liz in Texas nicht wirklich viele Freunde, aber die brauchte sie auch nicht, denn die meiste Zeit verbrachte Liz vor ihrem Rechner oder ihrer Konsole, denn Liz war ein Gamer durch und durch. Nicht so ein Gamer Mädchen, dass Fotos machte, auf denen sie ihren Controller in die Kamera hielt, um in Wahrheit nur ihre Brüste zu zeigen, sondern eins, dass auch mal ihren Bildschirm anschrie, wenn sie eine Runde bei Call of Duty verloren hatte.

Gerade überlegte sie, welche Spiele sie den Sommer über spielen sollte, als Zac mit ein paar seiner aufgeumpten Muskelfreunde den Bus betrat.

Er schlenderte breitschultrig und selbstbewusst den Gang entlang und setzte sich dann direkt auf den Platz hinter Liz. Diese verdrehte bereits genervt die Augen, wohl wissend was jetzt kommen würde.

Er tippte ihr auf die Schulter und im nächsten Moment erschien sein Kopf auch schon neben ihrem. Sie musterte ihn kurz mit einem genervten Blick. Seine blauen Augen strahlten sie triumphierend an und seine perlweißen Zähne blitzen zwischen seinen Lippen durch: "Na Rotschopf, was sind deine Pläne für den Sommer? Rumsitzen im dunklen Zimmer, einsam und alleine?" Lässig fuhr er sich durch die braunen Haare während er auf ihre Antwort wartete. Liz zeufzte nur genervt, wann war Undercut so beliebt geworden?

"Nein Zac, das ist nicht der Plan. Wenn alles gut geht fahre ich mit meinen Eltern nach LA zur E3, aber das sagt dir sowieso nichts. Alles was du kennst sind Stylingprodukte und Fitnessgeräte. Für mehr ist in deinem Gehirn kein Platz." Anstatt sauer zu werden oder sie zu beleidigen, lachte Zac einfach nur: "Wenn du meinst, Rotschopf, aber wenn du dich einsam fühlst, sag einfach Bescheid. Ich komme dann aus dem Urlaub in der Karibik extra zurück geflogen und kümmere mich um dich." Er zwinkerte ihr zu und lief dann zu seinen Freunden in die hinterste Reihe. Liz steckte sich Kopfhörer in die Ohren und drehte die Musik auf. Der Typ war anscheinend sogar zu blöd, um zu bemerken, wenn man ihn beleidigte.

Zuhause angekommen änderte Liz Laune sich wieder schlagartig zum Besseren, denn sie wusste, was sie gleich erwarten würde. Jedes Jahr bekam sie etwas für ihre guten Zeugnisnoten und dieses Jahr hatte Liz sich besonders angestrengt. Denn ihr größter Wunsch war es auf die Spielemesse in LA zu können, das hatte sie auch immer wieder angedeutet und heute war es endlich so weit. Seit Wochen träumte sie davon in einer Halle mit tausenden anderen Gamern sie neusten Spiele zu testen, gezuckerte Softdrinks zu trinken und Unmengen an fettiger Pizza zu essen. Freudestrahlend sperrte Liz die Tür auf und lief in die Küche, in der ihre Mutter bereits das Mittagessen kochte.

"Hey Schatz wie war der letzte Schultag?" Ihre Mutter zog sie in eine kurze Umarmung und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. "Ätzend wie immer, aber wenigstens ist er jetzt vorbei." Liz begutachtete das Essen in den Töpfen und Pfannen und probierte von allem etwas bevor sie dann fragte: "Ist Dad schon da?"

"Noch nicht, aber er müsste jede Minute kommen." Liz war nervös, sie wollte unbedingt erfahren, was ihr Geschenk war, darum ließ sie nicht locker: "Komm schon Mom, sag es mir schnell, was bekomme ich für mein Zeugnis? Ist es eine neue Festplatte, oder ein neues Headset, oder vielleicht doch eine Reise? ich erfahr es doch eh, wenn Dad nach Hause kommt." Doch ihre Mutter ignorierte nur alle Versuche und entgegenete nur knapp: "Dann kannst du auch noch so lange abwarten." Dann widmete sie sich wieder dem Fleisch im Ofen.

Pünktlich um 14:00 Uhr kam Martin, Liz Vater nach Hause. Er umarmte Liz kurz und gab seiner Frau, Jane, einen romantischen Kuss. Eigentlich waren Liz Eltern das typische Bilderbuchpärchen, nur Liz selbst passte nicht wirklich in diese heile Welt hinein. Sie interessierte sich mit 16 nicht für Klamotten, Schminke oder Jungs, alles was sie interessierte, war virtuell, aber viel spannender als das echte Leben.

Nachdem alle während dem Essen von ihrem Tag erzählt hatten, setzte ihr Vater eine verschwörerische Miene auf: "Also Liz, dieses Jahr ist dein Zeugnis das Beste, das du je hattest und deswegen ist deine Belohnung auch die Beste, die du je hattest. Ich bin sicher du wirst dich freuen. Du wolltest doch eine Reise machen, nicht wahr?" Liz nickte freudestrahlend, sie durfte tatsächlich auf die E3 nach LA!

"Dieses Jahr", fuhr ihr Dad fort und legte dabei seine Hand auf die seiner Frau: "Haben wir dir einen Platz in Camp Castaway besorgt!"

Das war ein schlechter Witz oder? Liz Miene verfinsterte sich schlagartig. "Da kannst du neue Kontakte knüpfen und ein paar Freunde finden", fügte Jane hinzu. Liz starrte die beiden nur ungläubig an, dann platzte es aus ihr heraus: "Ihr wisst doch ganz genau, dass ich Leute in meinem Alter hasse?! Ich will gar keine Kontakte knüpfen oder Freunde finden, oder sonst irgendwas, alles was ich wollte war auf die E3 zu fahren, Video spiele zu spielen und Pizza zu essen! Ich will in keinem Zelt schlafen, Dosenfutter essen und von Moskitos zerstochen werden! Ich bin doch nicht lebensmüde! Camp Castaway, was ist das überhaupt für ein beschissener Name? Camp für Verstoßene, wollt ihr mir damit irgendetwas sagen?" Bevor ihre Eltern reagieren konnten, war Liz bereits aufgesprungen, die Treppe zu ihrem Zimmer hochgestürmt und hatte ihre Tür zugeknallt. Ihr Vater lief ihr noch hinterher, klopfte an die Tür und meinte, dass ein Bus sie bereits morgen um 8:00 Uhr abholen würde, sie solle also früh genug aufstehen. Liz Antwort beschränkte sich auf ein "ich hasse euch". Das konnten ihre Eltern nicht tatsächlich ernst meinen, sie wussten,  wie sehr Liz sich eine Reise nach LA gewünscht hatte und jetzt schickten sie sie mit irgendwelchen fremden Teenagern in ein heruntergekommenes Camp mitten im Nirgendwo. Was hatte sie getan, um das zu verdienen? Wütend schmiss sie wahllos Klamotten in ihren Koffer, bis sie irgendwann unter Tränen einschlief.