Verschwendete Güte

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Gray wusste nicht wie lange er gebraucht hatte um das Haus zwischen allen anderen zu finden. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Die aufgehende Sonne blendete ihn von Weitem. Die frühen Vögel zwitscherten zu laut. 

Als er dann endlich angekommen war, blieb er vor dem Tor stehen und klingelte, was das Zeug hielt. 

Endlich drang Celestes Stimme aus der Sprecheranlage. "Ja?", fragte sie verschlafen. Es war fünf Uhr morgens. 

"Celeste?", fragte Gray leise. Er konnte die Lautstärke seiner eigenen Stimme kaum ertragen. Die Anlage wurde abgeschaltet und das Eisentor öffnete sich quietschend. Gray raste hinein und riss die massive Eichentür auf. Doch eine unsichtbare Kraft hielt ihn davon ab das Haus zu betreten. Er stieß immer wieder gegen die Barriere, doch er kam nicht rein. 

Dann hörte er polternde Schritte die Treppe hinuntersteigen. Celeste wickelte sich ihren Morgenmantel enger um ihren Körper. Ihr Haar war zu einem zerzausten Knoten am Hinterkopf zusammengebunden. 

"Gray, was soll der Lärm so früh morgens?", fragte sie verschlafen und rieb sich die Augen. 

"Lass mich rein!", knurrte er zurück. Plötzlich schüttelte sie den Kopf und war von eienr Sekunde auf den anderen hellwach. Sie standen sich auf einmal Nase and Nase gegenüber. Nur diese Barriere trennte sie voneinander. 

"Ich will alles wissen. Wer war es?", zischte sie. Er bemerkte ihre spitzen Eckzähne. Kanade hatte also die Wahrheit gesagt. Sie war tatsächlich ein Vampir und hatte ihm nichts davon erzählt. 

"Lass mich rein!", gab er zurück. 

Sie trat einen Schritt beiseite. "Komm rein", sagte sie. Gray tastete sich über die Türschwelle und als er problemlos rüberkam, schlüpfte er erleichtert hindurch und knallte die Tür hinter sich zu. Schwer atmend lehnte er sich dagegen. 

"Brauchst du Blut? Einen Tageslichtring? Oder ein Bad? Manchmal hilft das auch?", fragte sie und schlang den Morgenmantel enger um sich. Gray war ganz verwirrt von ihrer Hilfbereitschaft. War es Mitleid? Oder Schuldgefühle? 

"Was ist hier los? Ich erinnere mich an gar nichts!", rief er aus, so wie es Kanade ihm beigebracht hat. Ihm gefiel es gar nicht sie anzulügen, aber wie viele Lügen hatte sie schon erzählt? 

"Beruhige dich, Gray. Kein Ort ist so sicher wie mein Haus. Gib dir selbst Zeit und gewöhne dich an alles. Ich lasse dir einen Tageslichtring anfertigen" Sie ging voraus ins Wohnzimmer und bedeutete ihm sich auf ein Sofa zu setzen. Sie sah ihm dabei zu wie er in den weichen Kissen versank und verließ dann das Wohnzimmer durch eine Glastür. Gray sah sie an einem Schreibtisch stehen und einen goldenen Briefbeschwerer aus der Schublade hervornehmen. Dann schnappte sie sich Stift und Papier und kritzelte hastig etwas aus das Blatt, legte den Briefbeschwerer darauf und sah zu wie der Brief verschwand. 

Einige Sekunden später klingelte es erneut an der Tür. Celeste eilte dorthin . 

"Schon wieder? Was lädst du für Leute ein? Es ist halb sechs morgens!", fluchte Iris aus den oberen Stockwerken und kam ebenfalls heurntergepoltert. Ihr Anblick war noch komischer anzusehen. Sie hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass noch jemand im Haus war. Ihre Haare waren unordentlich zerzaust und sie turg ein überdimensionales Oberteil. Ihre Füße steckten in Pandapantoffeln. 

Celeste ging zur Tür und öffnete beide Flügeltüren. Ein kleines Päckchen lag auf der Türschwelle. Vorsichtig hob sie es auf und legte ein kleines Schmuckkästchen frei. Sie sah kurz aus der Tür, schloss sie und lehnte sich dann dagegen. Als sie den Deckel aufklappte, sah Gray etwas im Sonnenlicht glitzern. 

"Ist das ein Tageslichtring?", zischte Iris und erschien plötzlich neben Celeste. Diese nickte nur und klappte das Kästchen wieder zu. Iris öffnete den Mund als wolle sie etwas sagen, schloss ihn aber dann wieder als hätte sie die richtigen Worte nicht gefunden. Als sie dann sprach, ergoss sich ein schneller Redeschwall. "Was ist hier los? Wieso brauchst du einen Tageslichtring?" Dann ließ sie ihren Blick durch die Einfangshalle schweifen. Gray drehte sich schnell um, damit sie ihn nicht entdeckte und setzte sich wieder auf das Sofa. Hören konnte er sie immer noch.

A Vampire's Tears (Gray x OC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt