17 (SAM & GAN)

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Komisch, wie sich irgendwie alles um Coco drehen konnte, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie gar nicht mehr auftauchte. Sie war letzte Woche Donnerstag und Freitag nicht in der Schule gewesen, und auch diese Woche keinen einzigen Tag. Das machte jetzt schon sieben Fehltage. Seit über einer Woche hatte Sam sie nicht gesehen. Coco war eine gute Schülerin, und sie würde den Schulstoff schon irgendwie aufholen, aber das konnte noch stressig werden. Schließlich hatte sie bereits drei Klausuren verpasst und viel Unterrichtsinhalt, der auf die noch bevorstehenden Klausuren vorbereitete. Mikala hatte erzählt, Coco würde sich zuhause die ganze Zeit über in ihrem Zimmer einschließen und nur Irina reinlassen. Sam kannte das schon. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich mit ihrem Laptop im Bett einnistete, anstatt zur Schule zu gehen, und Nachrichten größtenteils ignorierte, wenn es ihr schlecht ging. Aber normalerweise dauerte das nie länger als einen Tag. Erstmal hatte Sam beschlossen, ihre Freundin in Ruhe zu lassen, denn sie wusste, dass sie das so wollte. Coco hatte Sam geschrieben, sie sei krank, und Sam hatte eben so getan, als würde sie das glauben. Es war klar, dass Coco sehr sauer geworden wäre, wenn sie einfach bei ihr aufgetaucht wäre. Das hatte Sam aber nicht davon abgehalten, es vorgestern trotzdem zu versuchen; jedoch hatte keiner die Haustür aufgemacht.

Als Sophie sich in der zweiten Pause des Freitags zu Sam setzte, und fragte, ob sie heute Nachmittag mal zu Coco fahren wollten, nickte Sam. „Ich wollte es sowieso nochmal versuchen." Sophie wirkte erleichtert. „Ich habe ihr geschrieben, und sie meinte, es ist alles okay. Aber sie war sehr komisch. Als ich gefragt habe, wann ich ihr die Französischhausaufgaben vorbeibringen kann, meinte sie, das sei nicht nötig. Ich wollte sie trotzdem besuchen, aber sie hat abgelehnt, und wenn ich anrufe, geht sie nicht ran."

„Ja", sagte Sam, „es wird wirklich Zeit, sie zurückzuholen."

Es war Robert Bellencontre, der den beiden Mädchen am späten Nachmittag die Haustür aufmachte. Warum trug er im Haus so unbequem aussehende Schuhe?

„Wollt ihr zu Corinna?", fragte er freundlich.

„Ja."

Robert nickte wissend. „Steckt euch nicht an!", lächelte er und bat sie mit einer ausladenden Geste ins Haus.

„Wieso? Was hat sie denn?", fragte Sam provozierend.

Es brauchte einen Moment, bis er antwortete. „Ach, nichts Außergewöhnliches", antwortete er ausweichend. „Grippe oder so, glaube ich."

„Arschloch", zischte Sam, als sie die Wendeltreppe hochliefen.

Oben angekommen dauerte es etwa zehn Minuten, bis Coco aufhörte, so zu tun, als würde sie ihre Freundinnen nicht hören, die gegen die Zimmertür klopften und riefen, sie solle aufmachen. Nach weiteren zehn Minuten, in denen sie durch die geschlossene Tür diskutiert hatten, hatten sie Coco endlich dazu bringen können, die Tür aufzuschließen.

Sie sah wirklich beschissen aus. Dabei waren es weder die fettigen Haare, noch der zerzauste, zerfallene Zopf, in den sie gebunden waren, nein, nicht einmal die zahlreichen Flecken auf dem T-Shirt, die einem zu diesem Eindruck verleiteten. Es waren die Augen. Verquollen und rot und müde, mit tiefen, dunklen Augenringen. Coco war wohl das, was Leute, die diesen Ausdruck benutzten, unter ‚einem Häufchen Elend' verstanden. „Du siehst irgendwie aus wie ein Knicklicht, das nicht mehr leuchtet", sagte Sophie leise. „Wie ein Tannenbaum im Januar", stimmte Sam zu. „Wie ein Trend, wenn er keiner mehr ist?", fragte Coco in rauer Stimme. Sam lachte. „Ja - irgendwie traurig."

Es war einer dieser Tage, an denen man vergaß, dass Zeit existierte; wobei das keine treffende Beschreibung war, denn Gan war sich ohnehin nicht ganz sicher, ob es so etwas wie Zeit gab.

coco und coWo Geschichten leben. Entdecke jetzt