Kapitel 6

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Abgesehen von der Tatsache, dass Lacy mich jetzt anschreiben musste, da sie und ich zusammen eine Präsentation halten mussten, verlief der Tag wie immer. Es kam etwas plötzlich, aber Matt hatte Isla gestern noch geschrieben und sie würde heute Abend vorbeikommen. Ich war schon total aufgeregt, die Freundin meines Bruders kennenzulernen. Ich wartete auf meine Bahn und sah Lacy nicht weit von mir. Ich wollte zu ihr, aber da kam die Bahn und stoppte mich bei meinem Vorhaben. Ich stieg ein und musste mich an die Situation von heute Morgen erinnern, als wir miteinander sprachen. 

Meinte sie nicht, dass sie in der Nähe meiner Station wohnte? Das hieß doch, dass wir jeden Tag zusammen zur Schule und nach Hause fahren konnten oder nicht? Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich im Augenwinkel bemerkte, wie Lacy ausstieg. Es war aber wieder die Station, an der sie am vorigen Tag schon ausgestiegen war. Warum stieg sie hier aus, obwohl es nicht ihre Haltestelle war? Ob sie jemanden besuchte? Nein, bestimmt nicht. Schließlich stieg sie gestern auch schon hier aus. Aber vielleicht war das eine Art Routine, die zum Tagesablauf gehörte? Vielleicht ging sie ihre Großmutter besuchen? 

Bevor ich weitere Theorien aufstellen konnte, musste ich aussteigen und lief nach Hause. Keine zehn Minuten später, lief ich den gewohnten Weg an den schlafenden Obdachlosen vorbei und fuhr dann nach oben zu unserer schwarz lackierten Haustür.

"Wieder da!", rief ich wie gewöhnlich durch die halbe Wohnung.

"Sind in der Küche!", schrie Mum zurück.

Ich lief ins Wohnzimmer und dann in die anliegende Küche und gab Mum zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange. Dad stand am Herd und studierte die verschiedensten Gerichte im großen Kochbuch an. Normalerweise kochte Mum, aber wenn es um ein fünf-Sterne-Essen ging, war Dad der beste Mann. Er sah sich meistens paar Gerichte an und nahm sich somit Inspiration für neue Gerichte. Mom stand am Esstisch und ging mit einem Lappen rüber. 

"Mason, geh in dein Zimmer und zieh dir etwas ordentliches an!", wies sie mir zu. Ich sah an mir runter: schwarze Jeans, dunkelblaues Sweatshirt. Ich runzelte leicht die Stirn. Was war an meinem Aussehen falsch? Dad verstand meinen Blick und sprach meine Gedanken aus.

"Schatz, er sieht doch gut aus? Soll er sich noch extra in einen Smoking zwängen?", sagte er belustigt.

"Ach, du hast recht. Ich bin nur so aufgeregt.", sie fächelte sich mit ihrer Hand Luft zu, um sich zu beruhigen.

"Mom, es ist nur Matt's Freundin. Kein weltberühmter Schauspieler." Dad und ich lachten.

"Ja, aber wir bekommen nicht jeden Tag besuch von unserer vielleicht zukünftigen Schwiegertochter und müssen demnach einen guten Eindruck machen!", sie ging ins anliegende Wohnzimmer und putzte dort eifrig weiter. Dad und ich lachten nur.

"Ich geh dann mal in mein Zimmer. Wisst ihr, wann Isla und Matt genau kommen?", fragte ich ihn.

"Matt meinte, dass sie gegen sieben da sind.", antwortete er.

"Okay, ich packe nur schnell meine Sachen weg und helfe dir dann." 

Dad und ich machten das Abendessen, während Mom die Wohnung putzte, obwohl sie schon sauber genug war. Außerdem bezweifelte ich, dass Matt Isla in den 30 Tagen, die sie zusammen waren, noch kein einziges mal nach Hause brachte, weshalb sie unsere Wohnung eigentlich kennen sollte. Mom machte aus diesem Abend eine zu große Sache. Wie es wohl sein wird, wenn ich meine Freundin mitbringe? Irgendwie kam mir Lacy in den Sinn. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich sie ihnen vorstellen würde.

"Und? Wie läuft es bei dir so in der Liebe?", fragte Dad wie aufs Stichwort. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich antworten solle. Einerseits würde mir nur Lacy in den Sinn kommen, aber andererseits denke ich nicht, dass ich Chancen bei ihr hätte, so wie sie sich zu mir verhält. Sie empfand mich schließlich als nervig ...

"Nichts, eigentlich.", gab ich ihm als Antwort.

"Eigentlich?"

Bevor Dad weiter nachfragen konnte, konnte man das Rascheln von Schlüsseln an der Tür hören. Mom war total aufgeregt und zog Dad am Arm zur Tür. Ich lief ihnen lächelnd hinterher. Mom machte eindeutig eine zu große Sache daraus. 

Alles lief super. Isla war freundlich, süß, hatte Manieren, aber vor allem natürlich - sie passte perfekt zu Matt. Sie hatte braune Haare, die ihr in Wellen bis zur Schulter gingen und klare, blaue Augen. Nun saßen wir alle am Esstisch und unterhielten uns fröhlich. 

"Jetzt will ich es aber wissen! Wann und wie habt ihr euch kennengelernt?" Mom, Dad und ich sahen sie neugierig an.

"Sagst du es ihr oder soll ich es?" 

"Mach du.", sprachen die beiden sich ab.

"Okay, also es war so:" Isla fing an zu lachen. "Ich war bei dieser Convention, auf die Matt auch ging und stand mit meiner Freundin am Crêpe-Wagen, weil sie sich eins kaufen wollte. Jedenfalls stand ich da dann mit meinem Obstbecher und hab gewartet bis wir rankamen. Plötzlich kam dann Matt aus der Ecke und fragte mich, wo die Toiletten sind. Ich hab mich dann gefragt, warum er ausgerechnet mich fragte - sah ich seiner Meinung nach etwa aus wie eine Angestellte? Ich hab ihm den Weg zu den Toiletten erklärt, er hat sich bedankt und ging dann paar Schritte von uns weg. Meine Freundin hätte mich am liebsten laut ausgelacht, wenn sie in dem Moment nicht rangekommen wäre. Sie musste aber dann auf Toilette. Matt folgte uns. Ich wollte eigentlich mit meiner Freundin auf Toilette, weil mir Matt echt Angst machte, aber sie wusste, dass ich nicht musste und bat mich mit ihren Crêpe vor der Toilette zu warten. Matt stand dann plötzlich neben mir. Ich hab schon schlimmes befürchtet! Hey, kam es von ihm nach einer Weile und ich erwiderte es. Er fragte nach meiner Nummer, aber ich sagte nein. Als ich ihn mir genauer ansah, wechselte der Eindruck vom kranken Stalker zum süßen Stalker. Ich wollte ihm meine Nummer aber trotzdem nicht geben und hab vorgeschlagen, unsere Nicknames für ein Online-Spiel auszutauschen. Schließlich spielt fast jeder Junge sowas und ja... wir haben uns kennengelernt, getroffen und uns dann zu lieben gelernt." Am Ende der Erzählung nahm sie die Hände von Matt in ihre und sahen sich verliebt an.

"Das ist süß.", sprach Mom die Gedanken aller am Tisch aus. 

Dad und ich stimmten mit einem Nicken zu. 

"Aber warum hast du sie gefragt, wo die Toiletten sind?", fragte ich Matt belustigt. Isla's Blick, als sie davon erzählte, dass sie sich wie eine Angestellte fühlte, war einmalig.

"Ich wollte sie ansprechen und eine andere Art ist mir spontan nicht eingefallen." Matt kratzte sich verlegen und auch etwas beschämt am Hinterkopf, woraufhin wir alle lachten mussten.

Es war ein toller Abend. Isla erzählte uns peinliche Momente von Matt, was Mom und Dad dazu anregte, uns mit den Highlights ihrer Beziehung zu amüsieren. Es wurde viel, sehr viel Gelacht. Der kleine Abend zog sich in die Länge und ich genoss jede Sekunde der fröhlichen Atmosphäre.

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