Kapitel 16

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*Angie* POV

Als Violetta fertig war, brandete ein Applaus auf und nicht nur von uns dreien, nein, auch vor dem Gesangsraum hatte sich eine Traube von Schülern versammelt, um meiner Nichte zuzuhören!

Erschrocken blickte sie sich um.

"Violetta, du warst großartig.  Deine Stimme ist der Hammer!", lobte Maxi sie.

"Ja, Maxi hat Recht, du singst echt unglaublich. Mit diesem Talent wirst du sicherlich im Studio aufgenommen!", sagte ich, doch Violettas Gesichtsausdruck wurde, sehr zu meinem Erstaunen, trauriger.

"Was ist denn los? Habe ich etwas falsches gesagt? Wenn ja, dann tut es mir wirklich leid und ich habe es nicht so gemeint!", sprudelte es nur so aus mir heraus.

"Nein, ist schon gut, Angie! Es ist nur so, dass ich wahrscheinlich gar nicht ins Studio kommen kann!"

"Warum denn nicht? Du wirst sicherlich aufgenommen werden...oder...willst du nicht Schülerin dieses Studio sein. Hast du Angst, dass du nicht talentiert genug bist? Wenn das so ist, dann..." 

"Nein, nichts von dem, was du gesagt hast, stimmt! Mein Vater erlaubt mir nicht, zu singen oder zu tanzen, da es ihm zu sehr an meine verstorbene Mutter erinnert. Zudem darf ich keine öffentliche Schule besuchen, sondern werde stattdessen zu Hause von einer Hauslehrerin unterrichtet", traurig blickte sie mich an.

Ich spürte,  wie Wut und Zorn in mir entbrannten.

Wie konnte Germán nur so egoistisch sein? Er will sie mit allen Mitteln vor der Showbusiness fernhalten, was ihm bis jetzt auch erfolgreich gelungen ist, und er will sie auch so gut es ging zu Hause einsperren, um sie vor der fremden, rauen, harten aber wahren Welt fernhalten.

Merkte er nicht, wie sehr sie darunter leidet? Merkte er nicht, wie schlecht es Violetta ging, wie traurig sie ist? Merkte er nicht, dass sie eigentlich nur ein normales Leben, wie jeder Teenager in ihrem Alter, führen möchte?

"Angie! Angie! Hallo!" Erst jetzt bemerkte ich, dass Maxi wie wild mit seinen Händen vor meiner Nase herumfuchtelte.

"W-w-was ist?", sagte ich verdattert und kehrte somit auch schon wieder auf den Boden der Realität zurück.

"Du hast gerade vor dir hingeträumt!", bemerkte Camila frech.

"N-n-nein,  das stimmt nicht!", versuchte ich mich zu verteidigen. Schnell wechselte ich das Thema.

"Also, Violetta, es tut mir wirklich Leid unter welchen Bedingungen du aufwachsen musst...! Aber die Sache mit dem Studio kannst du dir ja trotzdem nochmals durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit, dass du hier studieren kannst. Du redest mit deinem Vater oder...oder!" Weiter Vorschläge fehlen mir auf Anhieb nicht mehr ein. "Wobei du ja nicht unbedingt die Aufnahmeprüfungen machen musst. Du kannst ja bei mir auch ein paar Stunden Gesangsunterricht nehmen", fuhr ich nachdenklich fort. 

Sofort erhellte sich, das noch soeben traurige Gesicht von Violetta. "Wäre das wirklich eine Möglichkeit?"

Zustimmend nickte ich. 

"Das wäre toll, dann könnte ich mich immer heimlich für ein paar Stunden aus dem Haus schleichen, mein Vater würde nichts bemerken und es wäre nicht so auffällig!", sagte sie übereifrig.

"Danke, Angie" mit diesen Worten umarmte sie mich und war schon verschwunden. Offenbar hatte sie es sehr eilig nach Hause zu kommen.

Schnell verabschiedeten sich auch Maxi, Camila und Francesca und ließen mich im Gesangsraum alleine zurück.

Erschöpft griff an meine Stirn.

Träumte ich etwa, oder hatte ich heute zum ersten mal nach all den Jahren meine einzige Nichte wiedergefunden, die meine Mutter Angélica und ich verzweifelt auch der gesamten Welt gesucht hatten?

Die letzten paar Stunden hatte ich wie in Trance erlebt und erst jetzt sickert das Geschehen richtig in mein Gehirn.

Meine Knie fingen plötzlich an, zu zittern. Schnell setzte ich mich auf einen Stuhl, bevor ich den Boden unter den Füßen verliere. Mein Puls raste und meine Mund war staubtrocken.

Vorsichtig ergriff ich die Tasse mit dem inzwischen kalt geworden Tee, den ich auf dem Schreibtisch abgestellt hatte, und begann zu trinken. Die kühle Flüssigkeit beruhigte mich wieder ein wenig. Ich schloss die Augen und konnte Violetta direkt vor mir stehen sehen.

Werde ich sie wieder sehen? Werde ich eines Tages den Mut haben, ihr die gesamte Wahrheit zu sagen?

Erschrocken fuhr ich zusammen, als mein Handy urplötzlich anfing, laut zu klingeln. Hektisch kramte ich meiner Tasche danach und sah auf den Display.

"Michaela" stand in schwarzen Lettern darauf.

Ohne lange nachzudenken, drückte ich auf den grünen Taste und schon sprudelte alles aus mir heraus: "Du wirst nicht glauben, wen ich heute kennengelernt habe!"

Leonetta - Una Amor Perfecta *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt