Part I

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Es war Abend. Ein leises rauschen der mit Blätter gefüllten Bäume war durch das offene Fenster zu vernehmen und die Sonne brachte ihre letzten Strahlen hervor. Ihr schwaches Licht wirkte Müde, so als wäre ihr bewusst, dass es Zeit war sich zur Ruhe zu setzen und ihren Geliebten, den Mond, hell erstrahlen zu lassen. Auch die Vögel wurden stiller und stiller, erschöpft wie die Sonne wollten sie ruhen. Es versprach eine klare Nacht zu werden, denn es waren keine Wolken am Himmel zu sehen. Insgesamt wirkte alles sehr idyllisch, außerhalb der kleinen Wohnung in der Emilia Birkenhead lebte. Das Wohnungsinnere hingegen war im völligen Chaos. Überall lagen Kleidungsstücke, Kunst Utensilien und Stapelweise Bücher auf dem Boden der zwischendurch mit Blumentöpfen dekoriert war. Emilia selbst lag auf ihrem Bett. Sie starrte ihre Decke an und atmete jedes mal scharf ein, wenn sie einen Windzug durch das offene Fenster bemerkte. Ein Windzug kam, sie atmete ein, wartete einige Sekunden, atmete wieder aus und wartete auf den nächsten Windzug. Das tat sie schon seit Stunden. Oder waren es doch nur Minuten? Für sie hätten es auch schon Tage sein können.

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.

War so nicht das ganze Leben? Ein Abfolge von Atemzügen, die vergingen, ohne irgendwo Beachtung zu finden.

Endlich setzte sie sich auf. Sie fühlte sich erbärmlich. Sie fühlte sich erschöpft. Und zudem fühlte sie sich, als würde die gesamte Welt, gerade jetzt in diesem Moment, mit einem Mal auf sie hinabfallen. Alles war schwer und lästig und deprimierend. Noch einmal atmete sie ein. Noch einmal atmete sie wieder aus. Doch es half ihr nicht, ihre Welt wieder zusammenzusetzen. Sie war kaputt. Emilia streckte ihre Arme in die Luft und seufzte. Eigentlich war gar nichts kaputt, eigentlich war alles in Ordnung, eigentlich war alles wie Immer. Aber seit wann fühlte sie so? Seit wann war Emilia Birkenhead so einsam und seit wann fühlte sie dieses Gewicht, das sie immer weiter hinunter zog? Sie wusste es nicht. Niemand wusste es, denn natürlich hatte sie mit niemanden darüber geredet. Mit wem denn auch? Und obwohl ihr bei dieser Frage so viele Namen einfielen, blieb sie still an ihrem Platz sitzen und starrte aus ihrem Fenster in die Ferne.

Der Mond war aufgegangen, die Sonne war verschwunden. Sie hatte deren Kuss verpasst. Doch die Sterne, die nun auch am Himmel zu erkennen waren, funkelten Emilia entgegen, als wollten sie sie auf etwas hinweisen. Auf etwas besonderes, etwas, was nur sie sehen konnte. Emilia dachte angestrengt nach, doch war nach kurzer Zeit wieder abgelenkt, da sie sich wieder einmal auf ihren Atem konzentrierte.

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.

Als sie sich dabei ertappte, schüttelte sie den Kopf und blickte wieder zu den Sternen hinauf. Langsam formten ihre Lippen Worte, es fühlte sich falsch an. Wann hatte sie das letzte mal ihre Stimme genutzt? Es fühlte sich an, als wäre es vor langer, langer Zeit gewesen. "Sterne", sagte sie. "So sprecht doch." Und für einen Moment hatte sie das Gefühl ein Rauschen zu vernehmen, das sofort wieder durch Stille ersetzt wurde. Emilia starrte weiter in den Himmel. "Sterne", flüsterte sie noch einmal. Dann schwieg sie und beobachtete die Sterne, bis ihre Augen müde wurden und sie in einen tiefen Schlaf fiel.

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