Es gibt nicht viele Geschichten über die Frau, von der ich jetzt erzählen möchte. Es ist die zweite, die so wirklich existiert hat und mich mit einem Lächeln auf den Lippen verlassen hat. Ich baue sie hier in diese Welt voller Perfektion, weil sie genau hier den Platz gefunden hat, den sie wohl immer gesucht hat.
Aurélie verließ die Welt der Realität und verewigte sich auf diesen Zeilen. Das hat sie geschafft, indem sie ihre Meisterwerke von der großen Bühne der kleinsten Theater nahm. Sie reihte ihre Wörter in eine Sammlung von Ikonen und mehr noch - von Kopien. Es waren Kopien von schlechten Inhalten, von schlechten Geschichten und von schlechten Autoren.
Aurélie war frustriert. Was sollte sie machen? Sollte sie in einer Welt, die für die Mittelmäßigkeit geschaffen war, leben? Sollte ihr der Weg für die großen Bühnen dieser Welt verwehrt bleiben, bloß, weil niemand die Kraft ihrer Worte verstand?
Sie hatte wohl die schillerndsten Gedanken und die prächtigsten Ideen, die man sich nur vorstellen konnte. Neue Erfindungen, neue Wörter und neue Sätze kamen aus ihrem Mund.
Aurélie ich muss dir sagen, dass ich dich niemals in diese Welten setzen wollte. Ich hätte nie gedacht, dass ich das machen müsste. Aber so verändern sich die Zeiten und du hast gezeigt, welche Kraft in dir steckt und was passiert, wenn du das tust, was dir liegt.
Es tut mir weh, wenn ich dich mit diesen Worten beschreiben muss, die du vielleicht niemals treffen würdest. Sind sie falsch? Sind sie richtig? Noch nie ließ ein Text mich derart verzweifeln.
Bravo Aurélie, ich verneige mich vor dir. Du hast es geschafft, dass man dich schätzt. Du hast dich begehrenswert geschafft, du hast dich in diese Geschichte geschlichen - besser noch; du bist die Geschichte. Du bist die Erzählung einer starken Frau, die für sich das Beste suchte.
Ich habe mir gedacht, dass ich dich in die Welt von Margerie schicke. Du sollst ihre beste Freundin sein, die niemals benannt wurde. Ich glaube, dass passt am Meisten.
Wie gefällt es dir, Aurélie? Magst du dich so, wie du bist? Möchtest du die rechte Hand von Margerie sein? Schwärmst du vielleicht für den Protagonisten, der keine Aufmerksamkeit von deiner besten Freundin bekam und nur ihren letzten Koffer fand?
Standest du vielleicht vor den Fenstern der Kapelle in Camaret-sur-Mer und hast dich nicht getraut durch die Tür zu gehen, weil du nicht eingeladen warst?
Wieso habe ich dich nicht früher gesehen, Aurélie?
Hast du vielleicht die Narzisse aufgehoben und in deine Haare gesteckt, als alle tanzenden Menschen aus der Kapelle gingen? Hast du vielleicht alleine getanzt?
Langsam wird dein Bild stärker, ich zeichne deine Umrisse mit den Worten aus meiner Hand. Es ist, als schreibe ich Blut. Es tut mir so weh, dass ich dich hier vermerken muss, damit ich dich nicht vergesse, Aurélie. Du anmutige, du starke, du besessene.
Deine Heimat soll Paris sein, du sollst Margerie schon in deiner Kindheit kennengelernt haben. Kannst du häkeln und stricken? Ab sofort ist es deine Leidenschaft. Arbeiten kannst du in einem Geschäft von Prada, oder Dior? Was meinst du, passt besser zu dir?
Als beste Freundin von Margerie magst du sie, aber du bist auch sehr neidisch. Oh Gott, wie eifersüchtig bist du! Du gönnst ihr den Erfolg, aber du willst auch etwas abhaben.Du willst nicht nur ihr Schatten sein, du bist Aurélie, die Aurélie.
Als ich nach einem Bild für dich gesucht habe, da wollte ich eine Frau mit einem Koffer. Ich mag das Bild sehr und du? Es ist jetzt in meinem Kopf und genau so sollst du aussehen. Das bist du, Aurélie. Brauchst du einen Nachnamen? Ich glaube nicht. Dein Vorname soll für dich stehen und uns allen in Erinnerung bleiben.
Weißt du was es für eine Bedeutung ist, wenn ich dich hier verewige? Du reihst dich in eine Folge von Charakteren, die mich fortan immer begleiten sollen. Für immer. Du bist ab sofort ein Teil von mir, weißt du das? Du wirst dabei sein, wenn ich heiraten sollte. Du wirst mich bei meinen nächsten Abenteuern, bei meinen nächsten Geschichten nun immer begleiten.
Ich brauche noch unbedingt ein Synonym für dich, Aurélie. Irgendwas muss ich mir noch überlegen, was stellvertretend für dich sein soll.
Du musst verschwinden, auf jeden Fall. Die Geschichte soll ja echt wirken. Das ist schließlich der Höhepunkt.
Du musst Margerie verlassen Aurélie, es tut mir leid.
Margerie wird es nicht merken, versprochen.
Habe ich dir jetzt weh getan?
Aurélie, du wirst nach New York ziehen. Weißt du wieso? Weil du dort ein neues Leben anfangen kannst. Ein neues Leben mit - mit einem Mann und einem wunderbaren Beruf. Du sollst Schneiderin werden, ein Modeunternehmen gründen, bevor du hauptberufliche Autorin wirst. Wie klingt das?
Du sollst glücklich werden. Du sollst du selbst bleiben, auch wenn es mir weh tut. Vielleicht tut es dir auch weh, ich weiß es nicht.
Du sollst in Ellis Island ankommen mit einem Koffer und einer Nähmaschine. Es soll ganz klassisch wirken, du sollst untergehen in der Menge. Oder doch herausstechen? Herausstechen klingt besser.
Du brauchst auch unbedingt noch ein Zeichen, damit man weiß, wer gemeint ist. Beziehungsweise soll ich wissen, wer gemeint ist. Deine Lieblingstiere sind ab sofort Quallen, du findest sie gut, weil - weil sie sehr schön aussehen und du sie als Kind immer am Strand gesammelt hast. Du sollst die mögen, die diese Blume auf den Kopf hat.
Ich möchte, dass du ein fröhlicher Mensch wirst, Aurélie. Du sollst einen Mann bekommen und Margerie wird dich besuchen, aber das wird keiner wissen. Ich werde die Geschichte enden lassen, als du dich von Margerie verabschiedest.
Du wirst aus der Tür gehen, mit erhobenem Haupt. Du trägst ein Kleid von Dior, H-Form, blau mit weißem Kragen. Also ganz typisch. Ihr habt euch in einem Streit getrennt, weil du deiner besten Freundin erklären wolltest, dass sie ein wundervolles Leben hat.
Aber ihr wusstet beide nicht von eurem Schicksal, von eurem eigenen Leben. Etwas verwirrend, oder?
Aber so ist das Leben manchmal, verwirrend. Dinge passieren, von denen man niemals erwartet hätte, dass sie uns betreffen.
Warum bist du gegangen Aurélie?
Du musst dich jetzt selber finden.
Ich weiß, dass du in New York, neben deinem Modegeschäft, eine wunderbare Literatin wirst. Du wirst Musicals schreiben, weißt du? Sie werden beliebt sein.
Du wirst berühmt.
Aurélie, meine Aurélie wird berühmt.
Ich habe dir ein gutes Schicksal gegeben. Eins, welches du verdient hast.
Aurélie, ich habe dich jetzt erschaffen und ich werde dich gehen lassen. Ich vermisse dich, deine Worte, deine Ideen und deine Bilder. Die Bilder waren wirklich toll, die du gemalt hast. In meinem Kopf werden sie für immer bestehen.
Jetzt zum Schluss sehe ich dich nur auf diesem großen Dampfer, der von Le Havre abfährt. Du winkst mir einmal zu und verschwindest anschließend hinter einer Reihe von Leuten, die ich alle nicht kenne. Du versteckst dich hinter Personen, die ich noch nicht erschaffen habe.
Du wist der Geist meiner Worte bleiben, Aurélie.
Ich winke dir zu, doch du siehst mich nicht mehr.
Und es bleiben mir nur die letzten Worte,
Au Revoir Aurélie
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