1st

198 9 2
                                    

Zu kellnern ist eigentlich ein ganz normaler Job, den auch Studenten neben der Uni haben. Dabei gibt es die guten und die schlechten Cafés oder Kneipen. Ich arbeitete nun schon seid zwei Jahren in einem der schlechteren Cafés The Boom. Und nein, ich tat das nicht als Nebenverdienst zur Uni oder College. Es war mein Beruf, denn für was anderes taugte ich entweder nicht oder es war mir zu stressig. Außerdem war dieser Job relativ gut bezahlt, auch wenn man sich an die Gäste erst einmal gewöhnen musste.

Dabei gab es verschiedene Rubriken von Gästen, die in The Boom einundaus gingen. Einerseits waren da die Leute vom College, das in der Nähe lag, die meistens Freitags kamen um sich ein/zwei Bierchen zu gönnen. Dann gab es wiederum diejenigen, die hierher kamen, weil es meistens ruhig und diskret war, sodass sie sich in Ruhe die Kante geben konnten, ohne dass Geschäftspartner, Verwandte oder Lebensgefährten es mitbekamen. Dann waren da noch diese möchtegern Badboys, die mit ihren teuren Motorrädern und der Kreditkarte von Daddy zusammen mit irgendeiner geldgeilen Schlampe hierher kamen, damit sie ja den Ruf von "bösen Jungs" bekamen. Doch mit all diesen Vollidioten kam ich klar, sie waren harmlos und einfach nur erbärmlich. Wirklich lästig waren die Typen, die The Boom mit einem Bordell verwechselten und jedes Mädel, das bei drei nicht auf dem Baum war, betatschten. Die und diejenigen vom College, die sich aus Versehen hierher verirrten oder dachten, ich wäre doch ganz gut als Freundin von außerhalb zu gebrauchen, machten diesen Job wirklich schwer.

>Angel, hast du nicht Lust, mal was mit mir zu unternehmen?< Und da war sie auch schon, pünktlich auf die Minute, wie immer: Mia Soundso. Ich hatte mir nie die Mühe gemacht, mir ihren Namen zu merken. Das sie Mia hieß, wusste ich nur, weil sie es mir wirklich jedes Mal so an die zehn/zwanzig Mal sagte. Und sie kam jeden Tag, deshalb war es schon fast unmöglich sich ihren Namen nicht zu merken, zumindest den Vornamen.

>Nein, hab ich nicht. Ich versteh nicht, was du jeden Tag hier willst. Meine Meinung ändert sich nicht<, gab ich zurück und stellte die bestellte Cola auf den Tisch.

>Komm schon. Du hättest bestimmt deinen Spaß< Das bezweifle ich.

>Ich muss wieder an die Arbeit<, meinte ich und drehte mich um, um zum nächsten Tisch zu laufen, wo einer der lästigen Typen saß, der all meinen Kolleginnen das Leben schwer machte. Nicht nur, dass der Typ das Wort Nein nicht kannte, - was hier allerdings eine weit verbreitete Krankheit zu sein schien - Nein, ihn interessierten weder Gerichtsbeschlüsse, noch Hausverbote oder Bedrohungen. Jedes Mal, wenn er hier auftauchte, machte er uns die Arbeit zur Hölle. Oder besser gesagt: er versuchte es. >Was darf es heute sein?<, leierte ich herunter und hatte dabei schon Block und Stift in der Hand.

>Wie wäre es mit dir, Engelchen?<, fragte er zurück und scheiterte kläglich an seinem Versuch, attraktiv und begehrenswert auszusehen.

>Mein Name ist Angel und ich stehe nicht auf der Karte. Also?<, fragte ich ungerührt, woraufhin er frustriert die Augen zukniff. Es war nicht das erste Mal, dass er mit seiner lahmen Anmache bei mir abblitzte, da ich ihn mittlerweile immer bedienen musste, weil die anderen ihn zu gruselig fanden und Angst hatten. Mir wäre es zwar auch lieber, er würde es einfach sein lassen, weil mir dadurch immer Zeit verloren ging, die ich fürs arbeiten hätte benutzen können, aber er kam einfach immer wieder. Und irgendetwas sagte mir, dass ich ihn heute auch nicht das letzte Mal sehen würde.

>Ein Whiskey<, murmelte er schließlich, was ich mir erst notierte und danach zurück zur Bar ging.

···

Meine Schicht endete um kurz nach acht Uhr abends, als endlich meine Ablösung kam - über eine Stunde zu spät. Ich machte mir nichts draus, zog mich um und stand schon bald darauf draußen in der Kälte. Ich wollte schon losgehen, doch dann hörte ich ein Winseln aus der Nebengasse. Nicht schon wieder... Mit dem Gedanken spielend, dass ich einfach so tun könnte, als würde ich das erstickte Kreischen des Mädels nicht hören, blieb ich am Eingang zur Gasse stehen. Ach, vergiss es. Mir entfuhr ein Seufzer, da ich schon wieder zu spät nach Hause kommen würde, und machte mich auf den Weg in die Dunkelheit.

Andere hätte es schockiert, sie hätten die Bullen gerufen und hätten sich hinterher als die großen Helden aufgespielt. Für mich war es schon fast alltäglich geworden. Die Hände in den Jackentaschen vergraben, schlenderte ich schon fast gemütlich zwischen Müllsäcken, Essensreste und irgendwelchen Exkrementen, die ich nicht genauer identifizieren wollte, hindurch. Spinnen, Kakerlaken, Ratten, tote Obdachlose, Drogen- oder Alkoholabhängige... man wusste nie, worauf man in solchen Gassen stoßen würde. Allerdings war das bei dieser hier etwas anders. Die einzigen, die diese Gasse wie magisch anzuziehen schien, waren Vergewaltiger. Bisher hatte es nicht eine Woche gegeben in der nicht irgendein Mädchen angefallen worden war. Was wiederum meinen Job gefährdete. Und genau das war der Grund, weshalb ich jedes Mal eingriff, wenn ich sowas mitbekam. Eine neue Arbeit zu bekommen, war in dieser verfluchten Stadt nämlich gar nicht so einfach. Vor allem bei meiner Vorgeschichte. 

Wieder ertönte ein erstickter Schrei, nur dass ich dieses Mal auch hören konnte, was der Typ zu dem ganzen Gezeter zu sagen hatte: >Hör doch endlich auf zu schreien. Ich weiß doch, dass du es willst. Dass du mich willst< Resigniert stieß ich einen theatralischen Seufzer aus, bevor ich den Typen und sein Opfer hinter einem Container entdeckte. Er mit heruntergelassener Hose, sie mit einer zerfetzten Bluse. Als ich ihn etwas genauer ansah, bestätigte sich meine Vermutung. Das gibt's doch nicht.

>Wirklich, Bill? Schon wieder?<, sprach ich ihn direkt an, worauf er sich zu mir umdrehte und von dem Mädchen abließ, wie immer.

>Engelchen<, erwiderte er. Erstaunlich, dass er nicht lallt. >Was willst du denn hier?< Ein kurzer Blick zu dem Mädel sagte mir, dass sie eines der dummen Weiber war, die wie festgewachsen stehenblieben, anstatt die Beine in die Hand zu nehmen. Beim genaueren Betrachten erkannte ich in ihr Mia. Ich wusste ja, dass sie nicht mehr ganz dicht ist, aber ein bisschen Grips hätte ich ihr schon zugetraut.

>Bill, wie oft muss ich es noch sagen? Hör auf dich bei uns zu betrinken und dir dann irgendein Girlie zu schnappen<, meinte ich augenverdrehend und packte ihn an seinem Kragen. Besonders schwer war er nun wirklich nicht. >Na los. Geh in irgendeinen Puff. Da machen die alles, was du willst< Ich verpasste ihm einen Tritt, sodass er nach vorne taumelte. Er drehte sich zwar noch einmal um, doch als er meinen kalten Blick bemerkte, suchte er schnell das Weite. Nun widmete ich mich Mia. >Verletzt?< Sie schüttelte verstört den Kopf. >Gut, dann kann ich ja gehen<, sagte ich und marschierte los.

>Wa - Warte!<, rief sie mir hinterher, doch ich dachte gar nicht daran. Ich wollte nicht noch einen Bus verpassen, nur weil sie einen Psychiater brauchte. >Angel! Warte, bitte< Sie hielt mich an meinem Arm zurück. Langsam drehte ich mich um und hob abschätzig eine Augenbraue, woraufhin ihre Augen groß wurden. Als sie realisierte, dass sie mich noch immer festhielt, ließ sie so schnell los, als hätte sie sich verbrannt.

>Was ist?<, fragte ich unfreundlich. Ich wollte nur noch nach Hause, bevor er auf die Idee kam nach mir zu suchen. Das brauchte ich nun wirklich nicht.

>Du bist es also wirklich...< Abwartend sah ich sie an, woraufhin ihr das Blut in die Wangen schoss. >Du... Mein Bruder... Er...<

>Hör auf hier rum zu stammeln. Spuck's schon aus< Ich will nach Hause. Sie holte tief Luft, schien sich zu wappnen für das, was sie mir sagen wollte. Jetzt mach schon hinne.

>Du musst meinem Bruder helfen<, platzte es aus ihr heraus. Bitte?!

Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt