Kapitel 9

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Ich machte ein Geräusch, etwas ähnliches wie Pff.
Da würde ich gerne mitspielen.
Ich legte den Pfeil an den Bogen, ziehlte auf den Apfel. Jedenfalls tat ich so.
,,Reece! Stopp! Das war ein Scherz!",rief Mars und warf seine Arme in die Luft.
Ich senkte den Bogen.
,,Nur damit du es weißt, ich bin hier nicht die Dumme.",grinste ich, er schüttelte nur erleichtert den Kopf.
,,Bringst du's mir bei?",fragte ich dann, und betrachtete den Pfeil. Er war wunderschön, sorgfältig geschliffen, mit einer glänzenden Metallspitze vorne und einer braun-gepfleckten Feder.
,,Das ist nicht einfach, Reecey."
,,Ach, hast du jetzt schnell von Kätzchen auf Reecey gewechselt?",knurrte ich. Ich hasste es.
Mars sagte nichts, holte diesmal nur eine richtige Zielscheibe aus dem Schrank. Sie war von einigen Löchern übersäht, das Holz splitterte an diesen Stellen.
In der Mitte war ein schwarzes Feld, drum herum ein rotes, und als letztes ein weißes.
Er stellte sie auf ein Regal an die Wand.
,,Ich mach's dir einmal vor, alles klar?",fragte Mars lässig und zog einen Pfeil aus dem Köcher an seinem Rücken.
Er spannte den Bogen an, kniff ein Auge zu und schoss ab.
Er traf genau in der Mitte, und an seiner Miene konnte man sehen, dass das nichts neues war.
Scheiße, war der gut.
,,Jetzt du. Ich helfe dir ein bisschen.",sagte er.
Ich nickte, stellte mich an die Stelle wo Mars vor einigen Sekunden stand. Dann zog ich einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an den Bogen.
Plötzlich spührte ich Mars Atem an meinem Ohr.
Er legte seine Hand neben meiner auf den Bogen, drückte den Bogen ein wenig zur Seite. Mit der anderen drückte er meinen Körper näher an seinen.
Mein Gesicht wurde heiß.
,,Genau so.",flüsterte seine raue Stimme in mein Ohr und Gänsehaut breitete sich in meinem Körper aus.
Ich schoss ab.
Weiß.
,,Schlag ein!",freute sich Mars, ich schlug lachend in seine Handfläche.
Das war nicht mein Verdienst. Das war seiner. Mit dem Hindernis namens Reece.
,,Jetzt will ich alleine."
Mars nickte, entfernte sich einige Schritte von mir.
Drei Mal schoss ich ab. Ich traf überall, nur nicht in die Zielscheibe. 
,,Ich glaube, ich bin eher der Nachkampf-Typ.",gab ich schließlich schulterzuckend zu.
Mars lächelte.
,,Ich habe dir gesagt, es ist nicht einfach, also mach dir nichts draus. Komm, lass uns gehen."
Mars ging voran, aß den Apfel währendessen auf.
Ich folgte ihm, wir traten in den Wald.
Die Hütte war kaum sichtbar, und sah total verfallen aus.
,,Warst du schon Mal im Wald?",fragte Mars ohne mich anzugucken.
Ich dachte nach.
,,Nein.",murmelte ich. Schon auf dem Hinweg habe ich das grüne hier überall bewundert. Die frische Luft, der kühle Wind, der feuchte Boden.
Mars blickte über seine Schulter zu mir.
,,Wirklich?"
Ich antwortete nicht, presste meine Lippen aufeinander und versuchte, neben Mars herzulaufen.
,,Du musst lernen, was giftig ist, und was nicht. Falls du dich einmal verirrst, musst du wissen wo du Wasser findest.",meinte Mars und sprang ein Paar Meter nach vorne.
Ich versuchte, so schnell wie möglich hinterherzukommen.
Nach einigen Metern blieb er apprubt stehen, zischte mir etwas zu. Doch ich lief direkt in ihn hinein.
Nachdem ich mich an ihm festgekrallt hatte, half er mir auf die Beine.
,,Was denn?",schnaufte ich und sah mich um.
,,Hat sich schon geklärt.",versuchte Mars zu lächeln. Er raufte sich die Haare und seufzte lange.
,,Was-"
,,Lass es einfach, okay?!",brüllte er plötzlich, und trat gegen einen Baum.
,,Was willst du von mir?!",schoss ich zurück.
,,Unser erster Hirsch! Unser erster Hirsch seit Monaten...",wurde er immer leiser und lehnte sich an den Baum.
Ich presste meine Lippen aufeinander. Ich hatte nicht vor, mich zu entschuldigen.
,,Weiter.",sagte Mars dann nach einer Weile und ging zügig los. Ich ging an seiner Seite.
,,Saß Dean schon immer im Rollstuhl?",fragte er schließlich.
,,Nein." Ich war fast dabei, ihm die ganze Geschichte zu erzählen, überlegte es mir dann aber anders.
,,Weißt du, seit wann?"
,,Klar."
Mars wartete, bis ich weiterredete. Allerdings sagte ich nichts mehr.
,,Und?"
,,Mars...",erwiederte ich, ,,Nichts gegen dich, aber das geht dich nichts an. Dean will vielleicht nicht, dass du das erfährst."
,,Ja... Aber wir sind ein Team. Jeder weiß alles von jedem."
,,Und du weißt nichts über mich."
,,Mehr als du denkst, Kätzchen."
Ich lachte auf.
,,Oh nein, Mars, du weißt rein gar nichts."
,,Was macht dich so sicher?",grinste er.
,,Was? Alles.",schmunzelte ich.
,,Dann erzähl mir was.",beschloss er.
,,Du darfst anfangen."
,,Meine Eltern sind tot, ich bin Einzelkind und Anführer des Noahs Ark Clubs."
,,Und du denkst, dass ich das alles nicht wusste.",führte ich seine Aufzählung zu Ende.
,,Hm, vielleicht?",lachte er, ,,Du bist dran."
,,Ich heiße Reece.",sagte ich und sah Mars in die Augen. Braun. Dunkler als Deans. Während Deans Augen ein wenig Gold waren, waren seine fast schwarz.
Eine Stimme in meinem Kopf sagte, ich solle mich zwischen den Farben entscheiden. Schwarz oder Gold.
Und ich entschied mich für meine Lieblingsfarbe. Schwarz.
,,Ach echt?! Du heißt Reece? Davon wusste ich noch nichts!",stellte Mars voller Sarkasmus fest und verdrehte lächelnd die Augen.
Ich sagte nichts, lebte für einer Weile in meiner perfekten Welt.
,,Reece!",rief Mars.
Ich drehte mich um.
,,War schneller oben ist!"
Mars zeigte auf einen Baum, der wie fürs Klettern geschaffen war. Es kam mir vor, als wären wir plötzlich zehn Jahre jünger.
,,Wer schneller oben ist?",ich sprintete nach vorne, ,,Ich, selbstverständlich."
,,Werden wir noch sehen!",gab Mars zurück.
Auf die Sekunde sprangen wir beide auf einen Ast, jedoch brach dieser ab.
Wir landeten auf einen Boden voller Tannennadeln, ich direkt auf Mars.
Als ich mich vergewisserte, dass es Mars gut ging - er lag dort mit geschlossenen Augen und einem breitem Grinsen auf den Lippen, sagte ich:,,Ich wäre erste geworden, Fettsack."
Mars schmunzelte.

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