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Wir schlenderten gemeinsam durch das hohe Gras - Borin und ich. Seine Hütte schrumpfte in der Entfernung und der frische Duft der Pflanzen umhüllte mich. Grashalme strichen an meinen Beinen und picksten in meine Hose. Der laue Herbstwind lies eine Strähne in mein Gesicht wehen, doch sie störte mich nicht.
Ich räusperte mich. "Herr-"

"Ach Mädchen, Borin ist vollkommen akzeptabel."

"Gut Borin, es ist so...In letzter Zeit haben sich die seltsame Dinge nur so überschlagen. Wirklich seltsam." Ich schaute ihn von der Seite an und wartete auf eine Unterbrechung, doch er blieb ruhig. "Ich weiß wirklich nicht, wie ich damit umgehen soll. Erst erfuhr ich von meinen verliehenen Kräfte und wurde in eine völlig neue Welt von Bändigern befördert, dann terrorisiert mich so eine blonde Schnepfe wegen meinem Element. Zu allem Überfluss taucht auch noch dieses unpassende Ding auf meinem Arm auf." Wenn ich vorher noch lechtfüßig durch das Gras gelaufen war, so stampften nun meine Füße auf den Grund.

"Meine Teuerste, dieses Ding existiert schon weitaus länger, als du und ich uns es je erträumen könnten. Die Lebensblüte, wie eine Bezeichnung lautet, wurde von ihrer ehemaligen Besitzerin geschaffen, bevor diese sie...", er zögerte und warf mir einen schnellen Blick zu, "...nun, sie hat sie verloren."

"Es verlieren? Das würde ich auch gern! Das kleine penedrante Ding -", ja ich wählte mit Absicht dieses Wort, "...hat sich in meinen Arm gefressen!" Ich schnaubte wie eine tüchtige Dampflock, Borin schlenderte gelassen neben mir her.

"Cora, ich gestehe, ich erfasse dein Problem nicht ganz. Wenn du wüsstest, welch ein Geschenk du erhalten hast! Weißt du, warum sie so rot leuchtet? Warum man sie Rote Blüte nennet? Man sagt, sie sei aus Blut geschaffen worden. Sie ist das Leben selbst! Cora, die Blüte ist keine Plage, sie ist ein Geschenk der Naturgeister. Eine Möglichkeit, die du ergreifen musst! Lerne, die Blüte zu kontrollieren und du wirst das Leben beherrschen. Merke dir meine Worte, kleine Blütenträgerin."

Fassungslos blieb ich stehen, auch Borin hielt an. Der Wind änderte seine Richtung und schlug mir nun rau in mein Gesicht. Er peitschte durch die Halme und heulte durch die Sträucher. Schützend hielt ich meinen Arm vor mein Gesicht.

"Was soll das bedeuten? Die Blüte sei das Leben selbst? Und schon wieder diese Naturgeister, hört euer Götterglaube denn nie auf?", rief ich gegen den Wind an. Schien dieser nicht eben noch angenehm über meine Wange zu streichen?

Mein Gegenüber zog scharf die Luft ein und zuckte unruhig mit dem Kopf hin und her. Der Wind zerrte an seinem Bart. "Nein, nein. Ich habe schon zu viel gesagt, zu viel in das Geschehen eingegriffen. Geh, geh, Mädchen! Kontrolliere die Blume und du wirst Großes vollbringen, Blütenträgerin!"

"Borin? Alles gut mit deinem Kopf? Woher weißt du das alles? Borin!" Eine heftige Böhne schlug mir ins Gesicht und warf mich fast um. Schützend verdeckte ich meine Augen, als der Wind wie ein gieriger Schurke an meinen Haaren zerrte. Was war nur los? Warum spielte die Natur so verrückt? Ich stemmte mein Füße in den Boden, um an Halt zu gewinnen. Doch so schnell der Wind aufgekommen war, schwächte er ab.
"Gott sei Dank, ich dachte schon, das würde-", wandte ich mich an Borin, doch vor mir stand niemand. Irritiert drehte ich mich im Kreis und rief sogar ein paar Mal seinen Namen. Doch Borin blieb verschwunden. Was war das denn für ein Abgang? Unheimlich und doch - ein bisschen neidisch war ich auf dieses filmreife Verschwinden. Der Wind hatte sich nun gelegt und strich wieder friedlich über die grünen Felder. Dieses Treffen wurde zu meiner "Seltsam-Liste" hinzugefügt. Aber wenn mich dieser Holzkopf - nein der tolle Ewigwährende - allein zurück lies, so zeigte ich doch wenig Begeisterung meinerseits. Also konzentrierte ich mich möglichst auf die Erde zu meinen Füßen, schloss die Augen und spürte wie sich meine Seele mit einem kleinen Ruck von meinem Körper löste. Das Gefühl war unbeschreiblich, als würde ich einer Wolke gleich federleicht schweben. Frei wie ein Vogel entfaltete ich meine Schwingen und flog hinfort. Meine Seele spürte ein Zerren, ein Ziehen, den Drang sich zu materalisieren. Ich wusste, mein Zielort war nah und mit dem Austritt aus der Seelenwelt, wich das unbeschwerte Gefühl augenblicklich. Meine Augenlieder öffneten sich und mit ihnen legte sich das erdrückende Gefühl der Schwerkraft um mich. Ich befand mich an Borins Hütte, die sich von der unberührten Natur abhob. Dass er sich auch dort nicht blicken lies, hätte ich mir ja denken können.

Lodernde BlüteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt