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Es gab mehrere Gründe, warum Enid Parties nicht ausstehen konnte und sie mied.

Erstens, betrunkene Leute waren unberechenbar, zügellos und meist verhielten sie sich, als ob sie durch den Alkohol mindestens zwanzig ihrer IQ-Punkte verloren hatten.

Als ob das nicht schon Gründe genug wären, gab es auch ein Zweitens. Zweitens verlangten Parties nämlich soziale Interaktionen von ihr. Und das fiel ihr meist nicht ganz einfach. Zumindest nicht, wenn es darum ging, dieses ganze coole Getue unter Männern zu verstehen, generell all den hormongesteuerten Kram. Was zwangsläufig dazu geführt hatte, dass Elijahs Vermutung, dass sie sonst keiner anfassen wollte, auch nicht ganz falsch war. Sie war noch Jungfrau. Und es war nicht gerade schön, von ihm solch eine verletzende Begründung dafür zu hören.

Wobei wir bei drittens wären, nämlich, dass es auf Parties zu viel sexuelle Avancen gab, für ihren Geschmack. Warum nur waren so viele unter Alkoholeinfluss so sexfixiert?

Während sie so darüber nachdachte, stieg sie über eine im Flur schlafende Person und erspähte hinter der offen stehenden Küchentür zwei Mädchen, die wild miteinander rummachten.

Oh Gott, können die nicht wenigstens die Türe schließen?

"Hey schöne Frau!" Es war Lukas, der ihr von hinten auf die Schulter fasste.

"Hey...", murmelte sie, sodass es von der Musik verschluckt wurde, aber die Röte in ihrem Gesicht sprach wohl Bände.

"Willst du jetzt immer rot werden, wenn wir uns sehen?"

"Sorry!", schrie sie gegen die Bässe an. "Wo sind die anderen?", fügte sie noch hinzu.

"Keine Ahnung!"

Er wirkte ein wenig nüchterner als zuvor, aber nicht ausreichend, um ein ernstzunehmendes Gespräch zu führen.

"Kann ich... dir vielleicht was zu trinken holen...?"

Er trat unsicher vom einen Fuß auf den anderen.

Enid legte den Kopf schief, unschlüssig, was sie davon halten sollte.

Ach, was soll's?

"Ja, warum nicht?", sagte sie und zuckte mit den Schultern.

Sein schmales Gesicht mit den vielen Sommersprossen wurde nun erhellt von einem strahlenden Lächeln und er lief los. Kurz nachdem er in der Masse der Leute verschwunden war, setzte Enid ihren Rundgang fort.

Sie musste mal.

Die Toilette war nach zehn Minuten Sucherei endlich gefunden, hinter der sechsten von ihr geöffneten Tür empfingen sie die Kacheln der hell gefliesten Wände und sie wollte gerade erleichtert aufatmen, als eine Stimme sie aus ihren Gedanken riss.

"Was willst du denn hier?"

Es war Elijah. Er stand über das Waschbecken gebeugt, den Oberkörper entblößt und mehrere Lagen seines Verbands befanden sich im Becken, größtenteils in schmieriges Rot gefärbt.

Als sie realisierte, was los war, vergaß sie plötzlich all ihre Abscheu und Angst vor dem Arschloch, das da stand, und eilte zu ihm hinüber.

"Scheiße, die Wunde hat sich doch entzündet! Du musst zum Arzt!"

Seine Schulter war dick angeschwollen und knallrot, die Wunde war zwar vernäht, aber das rohe Fleisch und Eiter quoll dazwischen hervor. Es sah ekelhaft aus, aber das war nicht wichtig in dem Moment. Er musste vor Schmerzen kaum ein Shirt auf der Wunde ertragen haben.

"Verpiss dich aus dem Bad! Du bist doch daran schuld!"

"Könntest du bitte einmal deine persönliche Abscheu gegen mich vergessen und an deine Gesundheit denken? Man kann von sowas eine Blutvergiftung bekommen! Zeig mir das."

Enids Vater war Arzt, sie hatte sowas schon oft gesehen. Und als sie sah, was sie angerichtet hatte, fühlte sie sich zwar schuldig, jedoch war für Schuldgefühle jetzt keine Zeit.

"Nein!" Er zog ruckartig die Schulter beiseite, damit sie sie nicht berühren konnte.

"Mann du Idiot, benutzt doch mal deinen Kopf oder willst du aus Stolz draufgehen? Entweder du zeigst mir jetzt die verdammte Wunde oder ich rufe hier und jetzt den Notarzt an, der dich von der Party schleppt, was der schlimmste Abgang deines Lebens wird!"

Er biss sich auf die Unterlippe, schaute sie einmal an, dann auf die Wunde im Spiegelbild, seufzte schließlich und ließ die Schulter sinken.

Enid trat näher an ihn heran und inspizierte das Ganze genauer.

"Seit wann sieht das so aus?"

"Bist du ein fucking Arzt oder was?", knurrte er.

"Nein, aber mein Vater. Ich habe schon mit sechs oder sieben Schlimmeres gesehen."

"Du bist echt krank."

Enid schaute auf und runzelte die Stirn.

"Du kannst echt nicht nett sein, oder? Nicht mal zu jemandem, der dir helfen will?"

"Ich brauche keine Hilfe, schon gar nicht von dir. Du bist schließlich schuld an dem Scheiß."

"Ja und das tut mir leid. Aber du bist auch nicht ganz unbeteiligt daran gewesen..."

Er wollte zum Protest ansetzen, doch Enid unterbrach ihn.

"Du solltest mir beantworten, seit wann das so aussieht."

Er knirschte unzufrieden mit den Zähnen, antwortete aber schließlich: "Seitdem es genäht wurde, ist es immer schlimmer geworden."

Entsetzt schüttelte sie den Kopf.

"Okay, du musst sofort ins Krankenhaus. Du brauchst Antibiotika und eine Wunddesinfektion. Sorry, aber der Krankenwagen lässt sich wohl nicht vermeiden..."

"Auf gar keinen Fall!"

"Wollen wir etwas weiter weg gehen, sodass keiner was davon mitbekommt? Allerdings musst du dir dann was anziehen, sonst ist die Aufmerksamkeit ebenfalls garantiert."

Er verkniff das Gesicht, das Ganze schien für ihn wohl wie die Wahl zwischen Pest und Cholera, doch schließlich nickte er langsam.

"Okay, ich helfe dir."

Sie fischte sein schwarzes T-Shirt vom Boden und hielt es ihm entgegen.

"Ich... kann den Arm kaum heben, vorhin habe ich zehn Minuten zum Ausziehen gebraucht", gestand er ohne ihr ins Gesicht zu sehen.

Enid seufzte.

"Na gut. Lass mich dir helfen."

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