Schon als Corey durch die großen Eingangtore des Schlosses trat, spürte sie, wie die Angespanntheit und die Nervosität sich wie ein kalter Schleier über sie vier legte. Ihr entging nicht, dass der Platz, wo einst der Smoking tragende alte Herr, der einen Pinguin glich, leer war. Alfred hatte seinen Platz verlassen, um sich mit jemanden zu treffen, schloss Corey, wäre da nicht ein unscheinbarer Fleck rot auf dem Boden gewesen, der sie wieder stutzig machte. Sie erschauderte leicht und wante den Blick ab, während sie neben Lee durch die langen Schlossflure schritt. Alex und Lees Schritte verschnellerten sich immer mehr, je öfters sie einen Soldaten mit einem silbernen Schwert entgegenkamen, der sie mit seinem Blick forschend absuchte, nach möglichen Gefahren. Nach ihrer Ankunft hier am Schloss, wo Tatjana sie empfangen hatte, entschieden sie sich unverzüglich den König Eamon aufzusuchen, um ihr Vorgehen zu besprechen. Corey brannte darauf allen von ihrem Besuch am Orakel zu berichten, dass sie nicht die einzigste Auserwählte war, die das Land retten musste. ,,Alle waren in heller Aufruhe, als man Alfred gefunden hatte." ,sagte Tatjana plötzlich mit erstickter Stimme. ,,Wir dachten er sei ohnmächtig, oder er hätte einen Schwächeanfall. Wir haben die kleine Wunde an seinem Kopf erst viel später gesehen, erst, als sich das Blut auf dem Boden ausgebreitet hatte, erst, als es zu spät war." Ihr Blick gallte den Boden, sie war nicht dazu fähig, jetzt den anderen in ihre Gesichter zu schauen. ,,Dich trifft keine Schuld." Lee zog Tatjana näher an sich und umschlang ihre Schulter vorsichtig mit einem Arm, er wollte ihr Trost spenden. Er wusste, dass sich Tatjana, seine geliebte Schwester, Vorwürfe machen würde und sich selbst ärgern, warum sie es nicht früher bemerkt hatte. Aber nicht mal sowas konnte Tatjana voraussehen, niemand hatte das kommen sehen. Stumm liefen sie vier weiter, bis sie endlich an den hölzernen, mit kunstvoll geschnitzten Bildern versehene, Türen ankamen, die ihnen den Blick auf den Thron verbargen. ,,König Eamon war sehr unruhig, während ihr weg gewesen wart. Er-" Tatjana runzelte die Stirn. ,,-war die meiste Zeit in der Schlossbibliothek. Es schien, als habe er nach etwas gesucht." Corey nickte leicht. Vielleicht hatte der König ja etwas in der Bibliothek gefunden, was ihnen weiterhelfen konnte, aber sie selbst musste auch noch einmal dort hinein, sie wollte die Chance nutzen und schauen, ob es dort nicht informative Erzählungen über die Auserwählten gibt, was sie weiterbringen könnte.
Alex streckte die Arme aus und drückte schwungvoll die Tore zum Thronsaal auf. Ganz anders schien jetzt der Saal zu sein, keine verfluchten Bürger erwarteten ihre Ankunft, kein Applaus, kein Jubel, dass zeigte, dass sie erfreut waren, Alex, Lee und Corey wieder bei sich willkommen zu heißen. Der König war die einzigste Person im Raum, abgesehen von zwei Soldaten am Fuße des Throns und einem Diener, der dem König etwas zu trinken einschenkte, die saß. Die struppige Mähne von Eamon verdeckte die Krone auf seinem Kopf zum Teil und Corey erkannte an seiner Haltung, dass er sehr müde sein musste, was ihre Besorgnis nur noch mehr anregte. ,,Mein König." Tatjana trat weiter vor, während sich Lee, Alex und Corey im Hintergrund hielten, aber das auch nur für kurze Zeit. ,,Tatjana." ,stellte der müde verfluchte Mann fest und seine Augen wanderten zu seine Dienerin. ,,Was kann ich für dich tun, meine Liebe?" ,,Corey, Lee und Alex sind zurück." ,erklärte sie sofort und wies mit einer schnellen Handbewegung auf die drei Freunde. Die Augen des Königs wurden klarer und neugieriger, seine Haltung wechselte von schlapp, zu angespannt und setzte sich mit einem Ruck auf. ,,Corey, Alex." ,rief er erfreut aus und mit glänzenden Augen winkte er sie Näher zu sich. ,,Und Lee." Der ehemaliger Helfer der ersten Auserwählten sah jedoch kein bisschen erfreut aus, so wie der König selbst, der nun aufstand und zu ihnen stolzierte. Lees Körperhaltung war vorsichtig, als würde er sich für etwas bereitmachen, aber was? ,,Lee, Lee, Lee." ,begann Eamon und er stemmte seine Arme in die Hüfte, was nicht lächerlich, sondern eher väterlich rüberkam, bemerkte Corey. ,,Warum bist du einfach verschwunden?" ,warf der König ihm vor und kniff seine Augen forschend zusammen. ,,Warum hast du niemanden Bescheid gesagt, dass du zusammen mit der zweiten Auserwählten und ihren Helfer das Orakel aufsuchen willst?" Nur flüchtig warfen sich die beiden Geschwister einen vielsagenden Blick zu, der aber zu schnell erfolgte, um vom König erkannt zu werden. Lee hatte es jemanden gesagt, und zwar Tatjana, aber niemand von den drei wollte sie miteinbeziehen. ,,Tut mir Leid, mein König." Lee deutete eine respektvolle Verbeugung an, er ließ sein Kopf gesenkt, so lange, bis Eamon seufzte. ,,Nun, du hast die Suche gut überstanden und sie gefunden, ihnen vielleicht sogar auch geholfen." Oh und wie, dachte Corey ehrfürchtig, als sie sich an den Moment zurückversetzte, wo Lee den Scharlatan, mit dem Namen Samantha, tötete und somit Alex Leben rettete. Und vielleicht Corey auch dazu. ,,Ich hoffe, ihr könnt mir etwas über eure Reise berichten." Coreys Magen machte einen aufgeregten Satz. Was würde der König von dem Bund, der zwischen den Bösen Verrückten, Scharlatanen, Höllenpferde und Schatten entstanden ist, halten? Würde er ihre Vorderung, die Alex so bestimmt abgelehnt hatte, nachkommen? Sie holte tief Luft, blinzelte ein paar Mal, als würde sie sich konzentrieren, dann atmete sie die Luft hörbar wieder aus. ,,Wir fangen am besten da an, wo ich das Buch meines Vater zum ersten Mal aufgeschlagen habe." Und so begann sie.
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Das Lied der Auserwählten
FantasyCorey und Alex. Seit mehr als fünf Jahren Nachbarn und beste Freunde. Corey vertraut Alex mehr, als jemand anderen auf der Welt und das wusste er zu schätzen. Sie wussten alles über den anderen, sie erzählten sich jede Einzelheiten und beschützen s...