Kapitel 10

10.9K 478 5
                                    

„So und jetzt gibt es den versprochenen  Kaffe!“ sagte Connor und startete den Motor. Wir fuhren in Richtung Stadt, doch schon nach kurzer Zeit bogen wir von der Landstraße ab und fuhren in eine kleine Nebenstraße. Nach fünfminutiger Fahrt erreichten wir ein kleines Schloss.

„Wo sind wir hier?“ fragte ich erstaunt. Es sah hier aus wie im Märchen.

„Hier gibt es ein kleines Caffe.“ Connor stieg aus und ich folgte ihm.

Schnell liefen wir in das warme Caffe, das total gemütlich war und in dem ich mich sofort wohl fühlte.

„Setz dich doch schon mal hin. Ich hol uns was zu Trinken.“ Connor lächelte sein Connor-Lächeln und deutete auf einen kleinen Tisch, der ganz hinten neben dem Ofen stand.

Ich setzte mich auf den Stuhl und machte es mir gemütlich. Der Ofen verströmte eine angenehme Wärme und die Kerze auf dem Tisch sorgte für eine angenehme Stimmung. Ich seufzte zufrieden und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.

„Hier extra für dich! Heiße Schokolade mit extra viel Marshmellows.“ Plötzlich stand Connor mit zwei dampfenden Tassen neben mir. Er stellte sie auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber hin.

„Genau das Richtige jetzt!“ Zufrieden schloss ich meine Hände um die Tasse. „Ich könnte hier ewig sitzen!“

„Ja ein echter Geheimtipp hier!“ lächelte Connor. Er krempelte die Ärmel seiner Jacke hoch. Dabei entblößte er eine lange Narbe die sich von seinem Ellbogen bis fast zu seinem Handgelenk reichte. Erschrocken starrte ich seinen Arm an.

„Was ist denn da passiert?“ fragte ich leise.

Connor war es offensichtlich unangenehm, darüber zu reden, denn er schaute angestrengt in seine Tasse.

Sofort entschuldigte ich mich. „Tut mir leid, du brauchst es mir nicht zu erzählen, wenn du das nicht willst!“

„Nein schon gut. Es wäre früher oder später sowieso rausgekommen.“ Connor sah auf, direkt in meine Augen. „Es ist vor circa fünf Jahren passiert. Ich war damals zwölf, als meine Mutter und ich im Auto saßen, auf dem Weg nach Hause. Es war ungefähr genauso ein Tag wie heute. Es hatte geshneit und die Straßen waren glatt.“

Er stockte. Es fiel ihm offensichtlich schwer darüber zu reden. Ich blieb still und schaute in nur an, bis er tief Luft holte und weiter redete.

„Wir hatten uns gestritten, über irgendeine belanglose Sache. Meine Mutter war ziemlich sauer auf mich, deswegen ist wahrscheinlich auch so schnell gefahren. Auf jeden Fall ging alles ganz schnell. Da war plötzlich das Reh und dann der Garben, und… Jetzt ist sie tot.“ Der letzte Satz kam schnell und leise. „Ich habe den Unfall überlebt und sie musste sterben. Sie war ein toller Mensch.“ Fügte er noch leise hinzu.

Bedrückt sah ich ihn an. Ich konnte nicht glauben was er da gerade erzählt hatte. Langsam hob ich meine Hand und strich sanft über die Narbe. Sie fühlte sich hart an. Ich spürte wie Connor unter meiner Berührung zusammenzuckte. Kurz darauf zog er seinen Arm zurück.

„Weißt du Mary, es ist schlimm einen Menschen zu verlieren, der einem wichtig ist. Ich hab ihr nie gesagt wie viel sie mir bedeutet hat.“ Traurig lächelte er mich an.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Nie hätte ich gedacht, dass Connor so etwas erlebt hatte. Der ganze Schmerz, die ganze Trauer. Das erklärte wahrscheinlich, warum er in der Schule immer so abweisend anderen gegenüber war. Aus Selbstschutz.

„Ich weiß zwar nicht wie du dich fühlst, aber ich kann es zumindest etwas nachvollziehen.“ Sagte ich leise mit belegter Stimme. „Ich habe meine Eltern verloren, als ich noch ganz klein war. Ich habe sie nie richtig kennengelernt.“ Überrascht sah Connor mich an.

„Wirklich?“ „Ja.“ Erwiderte ich traurig.

Wir hatten etwas, das uns verband. Das machte mich glücklich, denn mir war klar, dass Connor mir gerade eine Seite von ihm gezeigt hatte, die er wahrscheinlich noch nie jemanden zuvor gezeigt hatte.

„Deswegen bist wahrscheinlich immer so ein Idiot in der Schule.“ Murmelte ich leise, doch nicht leise genug, den Connor hatte es gehört und schaute mich kurz mit einem traurigen Lächeln an.

Mit einem Seufzen lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und mit einem Mal war er wieder der Alte Connor.

„So und was machen wir jetzt?“ fragte er grinsend. Die ganze Anspannung von vorhin war verflogen.

„Am besten du bringst mich jetzt wieder nach Hause!“ lachte ich mit einem Blick auf die Uhr. Es war ganz schön spät geworden.

„Stimmt. Der Abend ist so schnell vergangen!“

„Ja!“ erwiderte ich lächelnd.

„Das müssen wir wiederholen! Natürlich nur wenn du willst!“ fragend sah er mich an.

„Natürlich!“ sagte ich schnell, überrascht, dass er sich noch mal mit mir treffen wollte.

Connor fuhr mich nach Hause und wir hatten viel Spaß dabei. Wir redeten und lachten durchgehend.

Als wir vor meinem Haus angekommen waren, stiegen wir beide aus und Connor kam um das Auto herum zu mir.

„Schade, dass die Zeit so schnell vergangen ist, ich hätte gerne noch mehr Zeit mit dir verbracht!“ sagte Connor und grinste.

„Ja hätte nicht gedacht, dass du auch nett sein kannst!“ erwiderte ich lachend.

„Hey ich bin nett!“ sagte Connor entrüstet.

Er öffnete seine Arme und umarmte mich. „Gute Nacht und schlaf gut!“ flüsterte er mir dabei ins Ohr. Ich lächelte ihn an, dann drehte ich mich um und ging auf mein Haus zu. Als ich mich noch einmal umdrehte und zurückschaute, sah ich, dass Connor mir hinterherschaute.  

-Kein Titel-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt