Kapitel 2

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Ich mag alte Häuser mit vielen Stockwerken, knarrenden Holztreppen und wunderschönen Erkern. Ich sollte mich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass wir in so einem Haus wohnen dürfen, doch leider gibt es dort einen riesen großen Haken. Von außen sehen die altertümlichen Verzierungen und die Fensterläden sehr einladend aus aber von innen ist es das reinste Chaos. Wir teilen uns das Haus mit fast der gesamten Familie, weil wir es uns sonst nie leisten könnten. Mein Vater quält sich täglich durch seinen lausigen Job als Taxifahrer und meine Mutter musste ihre Arbeitsstelle als Kindergärtnerin aufgeben, weil sie sich um die anderen Bewohner in unserem Haus kümmern muss. Im Keller wohnen die Zwillinge meiner Tante: Josh und Jon. Ich weiß nicht ob sie mit Absicht dort unten eingesperrt wurden damit sie nicht mehr so viel Mist bauen oder ob sie freiwillig sich nach unten verschanzt haben, um allen anderen Leuten aus dem Weg gehen zu können. Sie sind der erste Grund warum meine Mutter ihren Job hingeschmissen hat. Sie kocht für die beiden Nervensägen, bringt sie zur Schule und kümmert sich um sie als wären sie ihre eigenen Kinder. Nur weil ihre Schwester den ganzen Tag arbeiten muss. „Ich schmeiße den gesamten Hauhalt. Hab ein wenig Mitgefühl." „Ich bin doch hier die Hauptverdienerin. Mit dem Job deines Mannes kommen wir hier nicht weit." So geht es jeden Abend und jedes Mal gehen sie sich schmollend aus dem Weg. Generell glaube ich, dass sie sich am liebsten gegenseitig aus dem Haus schmeißen würde aber schlussendlich sind sie doch auf einander angewiesen. Im Erdgeschoss wohnt die Mutter meines Vaters, meine Oma Loraine. Sie redet nicht viel, sitzt meistens auf ihrem Schaukelstuhl im Garten und beobachtet stundenlang die Vögel und wie sich die Grashalme im Wind bewegen. Sie ist wohl der zweite Grund warum meine Mutter den ganzen Tag zu Hause bleibt. Mein Vater hat Angst, dass sie eines Tages in ihrem Schaukelstuhl einschläft und nie wieder aufwacht oder , dass sie vergisst ihre Medikamente zu nehmen. Mein Vater macht sich um alles und jeden Sorgen und manchmal sehe ich wie er kopfschüttelnd am Küchentisch sitzt und zerreist sich den Kopf über alles mögliche. Im 1. Stock wohnen meine Eltern, meine total hochnäsige Cousine Fine und das alte Zimmer meines Bruder Thomas. Er ist vor zwei Jahren ausgezogen und noch immer telefonieren meine Eltern jeden Abend mit ihm, nur um sicher zu gehen, dass er auch ja nichts vergisst und alles richtig macht. Sein Zimmer steht noch immer so da wie vor 2 Jahren, denn sie hoffen, dass er sie irgendwann mal wieder besuchen kommt. Im 3. Stock ist dann nur noch ein großes Zimmer für meine Patentante und ihren on/off Freund. Sie sind beide Künstler und bestehen darauf, dass alle ihre schrecklichen Gemälde im Haus verteilt werden. Sie meinen sie würden eines Tages berühmt werden, aber insgeheim haben sie nicht mal genügend Geld für eine eigene Wohnung. Um in den 4. Stock zu gelangen muss man eine verdammt enge und steile Treppe hoch, vorbei große Leute ihren Kopf einziehen müssten, so tief ist die Decke. Mein „Zimmer" (ich nenne es lieber Abstellkammer) besteht aus einem Mini Badezimmer, wo man während man auf dem Klo sitzt locker duschen könnte und meinen gefühlten ein Quadratmeter Platz. Die Decke ist schräg und ziemlich tief, aber das macht mir nichts, denn ich bin ziemlich klein und große Leute betreten das Zimmer eh nicht. Auch nicht meine Freunde, denn ich hab gar keine. Ich bin das schwarze Schaf der Familie und auch wenn es hart klingt hab ich mich ziemlich gut daran gewöhnt von allen Verwandten schräg angeschaut zu werden. Wir haben ziemlich oft Besuch von unseren näheren Verwandten, die eigentlich immer auch Verwandte von über 5 Ecken mitbringen. Fast jedes 3. Wochenende ist das Haus rappelvoll und unsere ganze "Familie" feiern irgendetwas. Tatsächlich finden sie immer einen Grund zu feiern sogar wenn der erste Zahn von dem Sohn meiner Tante der Cousine gewachsen ist hatten wir einen riesigen Brunch am Start. Es ist wahr, wir haben das größte Haus und das nutzen alle möglichen Leute schön aus um ihre Freizeit hier zu verbringen. Ich mag keine größeren Menschenmengen und man könnte auch meinen ich mag generell keine Menschen. Das sind nur hochnäsige Püppchen, die sich für jeden Scheiß aufmotzen lassen. Aber wehe eine Haarsträhne sitzt nicht an der Stelle wo sie sitzen soll oder die Bluse hat auch nur eine kleine Falte. Die meiste Zeit verstecke ich mich in meinem kleinen Kammer und lese alle möglichen Bücher, die ich auf Flohmärkten, in Bibliotheken oder alten Sammlungen meiner Großeltern finden kann. Egal ob alt oder neu, Liebesroman oder Krimi- ich tauche gerne in die Welten ein und will nicht zurück in die Realität bis ich die letzten Wörter verschwinden und ich die allerletzte Seite umdrehe. Wenn das passiert lande ich auf dem harten Betonboden der Realität, dass mein schreckliches Leben nie so sein wird wie in einen dieser Bücher.

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