Ich schaute auf die Wellen hinab. Die Strömung zog an meinen Füßen. Riss den Sand unter mir davon, bis ich nur noch auf den feinen Kieseln stand, die sich in meine Sohlen bohrten. Die Strömung war stark und bei jeder neuen Welle prasselte kleine Kieselsteine gegen meine Beine.
Mit jeder neuen Welle wurde mein Kopf freier.
Jedes kleine Schlagen eines Kiesels, zerschlug meine wirren Gedanken ein Stück mehr.
Endlich löste sich das schwere Band, welches um meine Brust lag und zu lange schon zudrückte. Ich konnte wieder atmen.
Die Sonne hing tief am Himmel und färbte die wenigen Wolken glutrot.
Ich wanderte zu den nahegelegenen Steinen und ließ mich nieder. Die Wellen brachen sich zu meinen Füßen und ich genoss die Aussicht.
Ich wusste nicht, wie lange ich dort gesessen hatte. Die Sonne war gerade am Horizont verschwunden.
Ein paar Meter von der Küste entfernt brach eine Gestalt durch das Wasser. Ich nahm an, ein großer Fisch hatte sich so nah an den Strand verirrt und guckte interessiert zu. Immer wieder verschwand der Körper und tauchte auf. Jedoch konnte ich nicht erkennen, was es war.
Mal wieder weiter weg und dann wieder näher an mir dran. Lange Schatten lagen mittlerweile über der Landschaft, als sich ein Umriss aus dem Wasser erhob. Gegen die letzten Lichtstrahlen konnte ich nicht sehen, was es war. Es war jedoch nicht weit von mir entfernt.
Ich blieb still sitzen. Wollte es nicht verschrecken. Es schien mich zu mustern. Angestrengt versuchte ich zu erkennen, mit was ich es zu tun hatte, doch die Dunkelheit verschlang langsam alles um sich rum.
Nach einer Weile stand ich enttäuscht auf. Ich würde heute nicht mehr herausfinden was es gewesen war.
Der Wind wurde stärker und meine nackten Beine kalt. Ich kletterte von den Felsen herab und stolperte beim letzten Stein. Unsanft landete ich im Wasser. Die spitzen Kiesel schnitten in meine Handflächen und Knie. Rissen die Haut leicht auf.
Fluchend rappelte ich mich auf. Meine Knie brannten, wo das Salzwasser sie umspülte. Hinter mir hörte ich ein lautes Plätschern und ich wurde von Wasserspritzern getroffen. Erschrocken drehte ich mich um und sah keinen Meter hinter mir eine riesige Gestalt im Wasser lauern. Sie beobachtete mich. Mein Herz schlug rasend schnell. Panik breitete sich in mir aus. Angst überrollte mich. Ich versuchte langsam aus dem Wasser zu schleichen. Doch die Gestalt kam mir nach. Immer weiter erhob sich die Gestalt aus dem Wasser. Ich konnte nur seinen Schatten gegen das Dämmerlicht ausmachen. Sie wurde immer größer. Überragte mich bald. Ich stolperte wieder und landete unsanft im Sand. Ich krabbelte zurück, doch es stand schon genau vor mir.
Ich blickte auf zwei Beine. Meine Augen wanderten höher. Kurz bleibe mein Blick an seiner Körpermitte hängen. Er war eindeutig männlich und eindeutig unbekleidet. Dafür brauchte ich kein Licht, um das zu erkennen. Sein Oberkörper war breit gegen das Restlicht. Seine Haare hingen über seine Schultern in nassen Wellen. Sein Gesicht war nicht mehr zu erkennen.
Er hielt mir seine Hand hin, um mir aufzuhelfen. Vorsichtig nahm ich sie und er zog mich mühelos hoch. Seine Hand fühlte sich sehr warm an im Vergleich zu meiner abgekühlten Haut. Meine Angst lähmte mich. Ich sah ihn an. Er war groß. Gut zwei Köpfe größer als ich. Wasser tropfte an ihm runter. Die Tropfen trafen mich, so nah stand ich vor ihm. Er strahlte eine unglaubliche Wärme ab in der kühlen Nachtluft. Ich spürte, dass er mich musterte. Die Dunkelheit schien ihn nicht zu stören. Ich konnte seinen Blick auf mir fühlen, wie er mich von oben bis unten ansah.
Er berührte meine Haare, strich über meine Wange, meine Lippen. Seine Finger fuhren meinen Hals herunter, glitten über mein Schlüsselbein und meinen Arm herab. Kurz drückte er meine Hand, bevor er meine Handfläche nach oben drehte. Ich fühlte, wie er etwas schweres, kaltes herein legte. Es war groß. Größer als meine Hand. Er nahm meine andere Hand und legte sie oben drauf.
Flüchtig fühlte ich einen Kuss auf meiner Stirn durch seinen warmen Lippen, bevor es wieder plätscherte und er zurückglitt ins Wasser. Sobald er unter der Oberfläche verschwunden war, drehte ich mich um und rannte los. Das Gefühl seiner Lippen auf meiner Stirn als Erinnerung, dass er da gewesen war, der Gegenstand in meinen Händen der Antrieb. Ich klammerte es fest, ohne zu wissen was es war. Ich hatte das Gefühl beobachtet zu werden, während ich mich durch den Sand kämpfte. Die Lichter des Dorfes waren mein Ziel. Es schien ein Ewigkeit bis ich die mittlerweile gespenstische Dunkelheit des Strandes verlassen konnte und die Lichter mich einhüllten.
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Wellen
ParanormalEs sollte ein einsamer Urlaub werden. Eine Möglichkeit ihre erschöpften Kräfte wieder aufzutanken. Doch es wurde ihr Weg in eine völlig neue Welt.