Avina blieb bis zum nächsten Morgen in ein Zimmer eingesperrt. Zum Essen wurde sie aber seltsamerweise von zwei Wachen abgeholt. Sie fragte sich, welchen Sinn das hatte. Außerdem war sie nicht daran interessiert mit Daron zu frühstücken. Bei seinem Anblick verging ihr ohnehin der Appetit. Doch genau das schien der Plan zu sein, denn Avina wurde in einen großen Saal mit einem langen Tisch geführt. Daron war bereits dort und grinste sie an.
"Guten Morgen. Na, gut geschlafen?"
Avina verschränkte die Arme und setzte sich widerwillig.
"Was soll dieses Theater?", verlangte sie zu wissen. Daron stellte sich jedoch unwissend.
"Ich nenne das Frühstück."
Er begann zu essen und Avina blickte verunsichert auf ihren Teller.
Daron lachte auf. Oh, wie sie diese Lache hasste.
"Es ist nicht vergiftet. Schon vergessen? Ich brauche dich noch für Kalistrien. Heute Nacht geht die Reise los."
Avina ass nur ein paar Happen, um nicht zu hungern. Mit leerem Magen konnte sie sich keinen Fluchtplan ausdenken. Aber es interessierte sie immer noch, was das hier sollte und sie fragte erneut nach.
"Warum wurde das Essen nicht einfach aufs Zimmer gebracht?"
"Weil ich noch ein paar Fragen an dich habe."
"Pha du wirst keine Antwort bekommen.", meinte Avina und auf Darons Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab.
"Ach tatsächlich? Ich denke die Menge die du gegessen hast, sollte reichen. Ich habe nicht gerade damit gespart."
Avina sah ihn geschockt an.
"Was...!?"
Daron grinste hinterhältig.
"Ich sagte nur 'kein Gift'."
"Was dann?", fragte sie und ihre Stimme klang unfassbar hoch.
"Eine Art Warheitspulver und mittlerweile dürfte es wirken."
Avina starte fassungslos auf ihren Teller. Das durfte doch nicht wahr sein. Wie konnte sie so dumm sein?
"Also ..."
Daron stand auf und ging näher zu ihr.
"Testen wir es doch mal. Weißt du, wo mein Sohn steckt?"
Avina biss sich auf die Lippen. Sie wollte eigentlich nicht antworten, doch etwas in ihr brannte danach, es ihm zu sagen und schließlich platzte es aus ihr herraus.
"Ich weiß nicht. Ich dachte hier. Kyle meinte, er würde nachkommen, doch in Vars ist er nicht aufgetaucht."
Daron grinste zufrieden, wenn auch etwas enttäuscht, dass sie es nicht wusste. Aber er würde ihn schon noch finden. Jetzt gab es wichtigere Probleme, die nach seiner Aufmerksamkeit verlangten.
"Kyle lebt also Koch, wie schön! Nun zur nächsten Frage. Wie sieht euer Verteidigungsplan aus?"
Avina sah ihn geschockt an. Verflucht sie musste die Klappe halten, nur konnte sie es nicht.
"Wir kämpfen zusammen mit Sondra und Selina versucht mit den Drachen zu verhandeln."
Daron wirkte überrascht, von den Drachen hatte er offensichtlich nichts geahnt. Anschließend fluchte er. "Diese verdammte Gestaltwandlerin geht mir wirklich auf die Nerven." Plötzlich grinste er und dieses Grinsen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
"Was ist ihre Schwäche?"
Avina starrte ihn nun extrem geschockt an. Eigentlich hatte Selina keine Schwächen, nur im Moment war das leider anders und Avina verfluchte sich dafür, dass sie davon wusste. Mit aller Gewalt versuchte sie die Antwort zurück zu halten. Es war ein innerer Kampf, den sie nicht gewinnen konnte und schließlich antwortete sie ihm.
"Sie ist schwanger."
Gleich darauf brach sie in Tränen aus. Wie konnte sie ihre Freundin nur so verraten? Warheitspulver hin oder her, sie fühlte sich einfach furchtbar. Es tat ihr unendlich leid.
Daron hingegen grinste zufrieden.Selina wurde wenige Stunden später von einem der Diener geweckt.
"Lady , euer Bruder ist angekommen." Sie nickte und schickte ihn hinaus. Sie stupste William neben sich an und stand auf nachdem er die Augen geöffnet hatte.
"Mein Bruder ist da. Wir sollten uns fertig machen und runter gehen.", sagte sie während sie sich ein sauberes Kleid aus dem Schrank holte und sich umzog. Dann kämmte sie sich noch die Haare und sah auffordernd zu ihm. Sie sahen sich eine Weile an, bevor er widerwillig aufstand. Er machte sich schnell frisch und dann liefen sie hinunter in den Thronsaal.
Unten angekommen fanden sie Luke auf einem der Sofas vor, die Will nach der Zurückeroberung hatte aufstellen lassen. Neben Luke saß Grimm der den Anschein machte, am liebsten verschwinden zu wollen. Will räusperte sich und brachte Luke dazu, von seinem Buch aufzusehen. Selina beobachtete ihn genau. Er hatte seit ihrem letzten Treffen abgenommen. Jetzt erinnerte er nicht mehr an ein gut gefüttertes Schwein, sondern eher an ein molliges Kind. Sein Blick glitt von Will zu ihr und seine Züge hellten auf. Er erhob sich und kam zu ihnen hinüber. Er gab Will die Hand und zog Selina in eine erdrückende Umarmung. Ein leises warnendes Knurren entwich ihrer Kehle, was nur Will und Grim dank ihres guten Gehörs hören konnten. Will zog Lukes Aufmerksamkeit wieder auf sich in dem ein ihn ansprach.
"Nun König Luke, es freut mich, dass Ihr unserer Bittenachgekommenseid. Aber was verschafft und die Ehre Eures Besuches?" Dass Luke persönlich da war, war verwunderlich, wie sie nicht schon dank Selinas Träumen, davon gewusst hätten.
Luke ließ sie los und wandte sich an Will. Hinter seinem Rücken schüttelte sie sich kurz und setzte sich auf das Sofa neben Grim, während sie den beiden zuhörte.
"Also ich bin hergekommen, als mich die Kunde des bevorstehenden Krieges gegen Xadrien und Kalistrien erreichte. Und die Nachicht, dass ich Onkel werde." Er warf Selina einen Seitenblick zu, während diese Grim wütend anfunkelte. Dieser hob beschwichtigend die Arme und versuchte sich zu verteidigen.
"Er hätte es so oder so erfahren, also verurteile mich nicht. Außerdem bist du mittlerweile nicht mehr die Schlankeste." Er zwinkerte ihr zu.
Als Antwort knurrte sie lediglich und er fauchte zurück. Sie fauchten und knurrten sich noch ein wenig an, bis Will sie beide mit einem Bellen unterbrach. Verdutzt sahen sie ihn an, während sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Luke brach in Lachen aus.
"Schluss mit Lustig. Wir sollten uns jetzt auf das Wichtige konzentrieren. Ich habe gestern Abend noch den General meiner Armee beauftragt, sich um die Rekruten zu kümmern. Er soll nun mit ein paar Leuten durch das Land reisen und kampffähige Männer zusammenrufen. Er ist vor wenigen Stunden aufgebrochen. Nun müssen wir uns auf etwas anderes konzentrieren. Wie befreien wir meine Schwester?", fragte er in die Runde und sah Kyle hilfesuchend an. Dieser saß auf einem Stuhl in der Ecke und hatte das Ganze stumm beobachtet. Nun stand er auf und stellte sich zu Will.
"Ich kenne mich mit Kalistrien nicht besonders gut aus. Die Hauptstadt, Lodun, liegt sehr weit nördlich, nahe an der Grenze zu Xadrien. Man bräuchte drei Tage, um von Karbhan dorthin zu gelangen, also drei oder vier Tage Schiffsreise. Ich nehme an, sie werden Avina über den Landweg dorthin bringen, da man den Seeweg nicht unbedingt sicher nennen kann. Es sind schon viele Schiffe auf dem Seeweg von Vars nach Lodun gesunken. Die alten Seefahrer berichten, dass dort Sirenen an den südöstlichen Klippen von Xadrien hausen, die die Männer mit ihrem Gesang nahe an die Klippen locken und die Schiffe dort zerschellen lassen, während sie die Männer ertränken und auffressen. Aber das wäre die einzige Möglichkeit ihnen den Weg irgendwie abzuschneiden und Avina zu befreien. Wenn wir durch Sondra reisen würden, würde es zu lange dauern und Xadrien ist Feindesland. Dort kommen wir nicht ungesehen davon. Es ist schier unmöglich dorthin zu gelangen ohne gesehen zu werden, egal von was oder wem.", erklärte er.
Will rieb sich die Augen und sah plötzlich um viele Jahre älter aus.
"Also soll ich meine Schwester aufgeben?", fragte er Kyle.
"Sie werden sie nicht töten, nur zwangsverheiraten und zwar mit dem Prinzen von Kalistrien.""Und du meinst, dass ich das zulassen werde?" Seine Stimme wurde gefährlich ruhig.
Will ließ sich auf einen Stuhl sinken und sah verzweifelt zu Boden. Wenn sie erst einmal im Schloss von Kalistrien ist, ist es unmöglich sie von fort wieder herauszuholen.
Selina stand auf und legte eine Hand auf seine Schulter und wandte sich an die Anwesenden im Raum.
"Könnt ihr bitte hinaus gehen? Ich möchte kurz mit ihm allein sprechen.", erklärte sie mit ruhiger Stimme. Luke nickte und ging mit Grim und seinen Wachen nach draußen. Kyle und die Wachen von Larwenia verließen ebenfalls den Raum.
Selina hockte sich vor den Stuhl auf dem Will saß und versuchte ihm in die Augen zu sehen, allerdings hielt er den Kopf gesenkt.
"Will, ich ... ich hätte eine Idee, wie man Avina befreien könnte. Ich ..."
"Du wirst nicht nach Kalistrien oder Xadrien gehen! Du wirst nicht dein Leben aufs Spiel setzen! Ganz zu schweigen davon ... Wie willst du überhaupt dorthin gelangen, ohne erwischt zu werden?" Endlich sah er zu ihr auf, auch wenn der wütende Blick in ihr das Bedürfnis hervorrief wegzulaufen. Aber sie blieb an Ort und Stelle.
"Auf dem Seeweg.", erklärte sie ruhig.
"Auf dem Seeweg ... bist du noch zu retten?", fragte er und seine Augen funkelten zornig.
"Selbst wenn dort keine Sirenen existieren, es könnten Stürme aufziehen und dein Schiff gegen die Klippen lenken und dort zerschellen lassen."
"William, du vergisst, dass ich eine gewisse Kontrolle über das Wasser habe.", erwiederte sie.
"Du kannst nicht ewig die Wellen davon abhalten, irgendwann werden deine Kräfte aufgebraucht sein und du verlierst das Bewusstsein. Wenn dann das Schiff untergeht, wirst du ertrinken. Versteh doch Selina, ich will dich einfach nicht verlieren." Tränen sammelten sich in seinen Augen. Dieser Anblick brach ihr beinah das Herz. Sie stand auf, setzte sich auf seinen Schoß und nahm sein Gesicht in beide Hände.
"William, du wirst mich nicht verlieren." Eine Träne lief seine Wange hinunter und sie wischte sie sanft weg. Sie rückte dichter an ihn heran und umarmte ihn. Will vergrub seinen Kopf in ihrer Halsbeuge und ließ seinen Tränen freien Lauf. Sie wusste, dass er das Gefühl hatte, versagt zu haben, doch es war Avinas eigene Entscheidung nach Nathaniel zu suchen, egal ob Will nun im Schloss geblieben wäre oder nicht, sie wäre gegangen.
"Versprich mir, dass du hier bleibst.", flüsterte er und seine Stimme klang zittrig. Sie wusste, dass er Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, wenn sie plötzlich auch verschwände.
"Ich verspreche dir, bei dir zu bleiben."
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Larwenia Band 6 - Lord of Dark and Despair
FantasyDaron versucht seine Pläne in die Tat umzusetzen und Avina an Kalistrien zu verkaufen. Ein brutaler Krieg entfacht und Nathaniel der eigentlich gebraucht wird, ist noch immer spurlos verschwunden