Angst [K11 - Kommissare im Einsatz]

Der Zufall birgt Fragen

Michael stand noch eine kleine Weile vor der Tür und hing seinen Gedanken nach. In seinem Kopf herrschte inzwischen großes Chaos, denn er hatte viel erfahren. Nur leider warfen die ganzen Details nur weitere Fragen auf – was hatte der Bruder der Freundin mit dem ganzen zu tun? Warum hatte Michael das Gefühl, dass der Bauherr hinter allem steckte? Und warum hatten sie immer noch keinerlei Hinweis auf Alex' Aufenthaltsort? Müde schüttelte Michael den Kopf und machte sich wieder ins K11 auf.

In der Zwischenzeit hatte Gerrit mit den IT-Spezialisten gesprochen und das Phantombild bekommen, das der Obdachlose angefertigt hatte. Wieder im Büro blickte er eine ganze Zeit gedankenversunken auf das Bild, ohne es sich überhaupt anzusehen. In seinem Kopf spukten Gedanken, die er lange Zeit verdrängt hatte. Ob er Alex wohl wieder sehen würde? Warum hatte er ihr nie wirklich gesagt, wie es in ihm aussah? Am Anfang hatte er nur gedacht, dass es eine Schwärmerei sei, dass er sich von ihr angezogen fühlte, weil sie so eine nette Kollegin ist und ihm die Arbeit mit ihr Spaß machte. Doch relativ schnell hatte er gemerkt, dass er ihre Art und ihren Charakter liebte. Dass ihn ein starker Beschützungsinstinkt heimsuchte, sobald sie alleine zu einem Tatort fuhr. Ab und zu hatte er an freien Tagen von ihr geträumt. So heftig hatte es ihn noch nie erwischt. Doch er war immer ein Gentleman gewesen und hatte sie nie zu irgendetwas gedrängt. Denn so sehr er sie liebte, er wollte das gute Verhältnis zwischen ihnen nicht auf die Probe stellen. Und dann war da noch Michael... Gerrit war sich sicher, dass sein älterer Kollege auch Gefühle für ihre Kollegin hegte. Robert war der einzige, der definitiv keine romantischen Gefühle für Alex hegte. Er und Gerrit tranken öfter ein Feierabendbier zusammen, unterhielten sich über jedwedes Thema und sie konnten sich wirklich als Freunde bezeichnen, nicht nur als Arbeitskollegen. Doch hatte Gerrit seinem jüngeren Freund nie gesagt, dass er Alex von ganzem Herzen liebte. Robert war vielleicht noch etwas zu jung um so etwas zu verstehen, denn Robert konnte was Alex angeht immer objektiv sein. Trotzdem war Gerrit sich sicher, dass sein Kollege verstanden hatte, wie es um seine Gefühle stand. Im Geiste dachte er an den letzten gemeinsamen Auftrag, bei dem Alex und er ein Paar mimen mussten. Schon damals wollte er ihr sagen, was er fühlte, doch irgendwie hatte er nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden. Stundenlang hatte er sie damals angesehen, während sie schlief. Er hatte es ihr nie erzählt, doch kurz bevor er selber die Augen zu gemacht hatte, war sie auf seine Seite hinüber gerollt und hatte ihren Kopf auf seine Brust gebettet. Danach konnte Gerrit erst recht nicht schlafen, doch bald hatte er sich getraut, den Arm um Alex zu legen. Während er noch über den Fall nachgegrübelt hatte, war er eingeschlafen. Beim Gedanken an diese Szene huschte ein wehmütiges Lächeln über Gerrits Gesicht. „Nana, Kollege, hast du Liebeskummer?", ertönte da eine Stimme schräg hinter dem Kommissar: Robert Ritter stand grinsend hinter ihm und blickte auf seinen Kollegen herab. „Ach du bist es nur. Ich überlege gerade wer hübscher ist, du oder der Kerl hier auf dem Foto.", neckte Gerrit den jungen Polizisten um seine eigene Verlegenheit zu überspielen. Wie erwartet setzte Robert ein geschocktes Gesicht auf und trat näher um das Phantombild genauer zu begutachten. „Waas, mit dem vergleichst du mich? Das kränkt mich aber zutiefst." Gerrit unterbrach ihn: „Warte nur, vielleicht sieht er in Echt schlimmer auf als auf dem Bild. Nein Spaß beiseite. Sagt dir der Kerl was?" Robert überlegte einen Moment und antwortete, während er die Gesichtszüge des Mannes auf dem Foto betrachtete: „Nein. Kenn ich nicht. Ich denke, wir sollten den Kerl zur Öffentlichkeitsfahndung ausschreiben. Uns läuft die Zeit davon. Wir haben noch genau 27 Stunden." Gerrit nickte zustimmend und hatte schon das Telefon in der Hand und wählte die Nummer der zuständigen Abteilung. Während er gerade die ersten Nummern eintippte, kam Michael durch die Tür und ließ sich schwer auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Schnell beschloss Gerrit, dass das Telefonat warten konnte, legte auf und blickte den älteren Kollegen erwartungsvoll an. Michael war sich der Blicke seiner Kollegen bewusst, ließ sich aber trotzdem noch etwas Zeit zum durch schnaufen. Dann begann er, Gerrit und Robert alles zu berichten, was sich an dem Tag noch zugetragen hatte. Seine Kollegen brauchten einen kleinen Moment, um alles zu verdauen, da blickte Michael auf den PC-Bildschirm und wäre fast vom Stuhl gefallen. „Hey Jungs! Woher habt ihr das Bild?? Den Kerl kenne ich doch!" Robert blickte den älteren Kollegen mit großen Augen an und antwortete: „Das ist das Phantombild, das unser verletzter Zeuge angefertigt hat. Das haben wir gerade zugeschickt bekommen und wollten den Kerl zur Öffentlichkeitsfahndung ausschreiben.".Michael hatte da etwas dagegen: „Nein, Jungs. Das werden wir nicht tun. So warnen wir ihn ja! Das ist der Bruder der Freundin des Herrn Mahrn. Den hab ich vorhin erst gesehen, ich werde gleich eine Zivilstreife auf Observation schicken. Wir müssen rausfinden, wo Alex ist und was dieser Kerl mit allem zu tun hat!" Gerrit, der bis dahin nichts gesagt hatte, meldete sich zu Wort: „Ich werde erst einmal etwas zu Essen holen und wir überlegen danach weiter, wie wir unseren Fall lösen und vor allem, wie wir Alex finden. Spezielle Wünsche?" Michael schien glücklich, dass Gerrit an seinen Magen gedacht hatte und gemeinsam beschlossen die Kommissare, dass es Pizza geben sollte. Also machte sich Gerrit auf zu ihrer Lieblingspizzeria in der Schillerstraße, denn Luigi machte eine der besten Pizzen und dafür lohnte sich die etwas längere Fahrt. Nach etwa 15 Minuten war er bereits dort angekommen, denn auf den Straßen war schon nicht mehr so viel los. Doch leider waren die Parkplätze alle belegt und so beschloss er, in der Seitenstraße bei dem Discounter zu parken. Als Gerrit auf dem Parkplatz einfuhr, nahm ihm ein Wagen die Vorfahrt und der Kommissar musste eine Vollbremsung hinlegen. Er ärgerte sich maßlos und war kurz davor auszusteigen und dem Trottel seine Meinung zu geigen, da sah er, wer ihm beinahe in die Seite gefahren wäre: niemand anderes als ihr Verdächtiger Herr Mahrn! Kurzentschlossen suchte sich Gerrit eine freie Parkbucht und folgte dem Bauunternehmer möglichst unauffällig. Im Discounter beobachtete er den Verdächtigen genau und merkte sich, welche Mengen welcher Artikel er kaufte. Gerrit kam schnell zu dem Schluss, dass er viel zu viel für seinen Einpersonenhaushalt im Wagen hatte. Beinahe fiel dem Kommissar die Kinnlade runter, als der Erwachsene in ein Regal griff und Kinderspielzeug inklusive eines Kuscheltieres kaufte. Das machte Gerrit mehr als Misstrauisch, auch wenn Michael erzählt hatte, dass die Freundin öfter Besuch von einem Kind hatte. Doch konnte er nichts weiter in Erfahrung bringen, denn Herr Mahrn war mit seinem Einkauf fertig und stand an der Kasse. Da Gerrit nichts kaufen wollte, beschloss er, draußen auf den Verdächtigen zu warten. Er stieg ins Auto und wartete, währenddessen rief er bei Luigi an und bestellte die gewünschten Pizzen, dass er nicht so lange warten musste. Beinahe hätte er Herrn Mahrn verloren, der in diesem Moment an ihm vorbei fuhr. Schnell startete Gerrit den Motor und fuhr ihm hinterher. Er ignorierte in diesem Moment geflissentlich das lauter werdende Piepen seines Autos, denn er war noch nicht angeschnallt. In etwas Abstand fuhr er dem schwarzen Wagen vor ihm hinterher. Das Auto bog in die Sonnenstraße ein und hielt vor dem Haus von Olivia Böhmer. Gerrit fuhr in eine Parkbucht und wartete, doch nachdem Ferdinand Mahrn in dem Hochhaus verschwunden war, tat sich nichts mehr. Nachdem der Kommissar einige Zeit vergeblich gewartet hatte (er wusste selber nicht genau auf was), holte er die Pizza ab und fuhr zu seinen Kollegen ins K11 zurück.