Irgendwann wusste ich nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war. Ich saß bloß da und starrte vor mich hin. Die Lehne des alten Sofas bohrte sich in meinen Rücken, doch ich beachtete den Schmerz nicht. Ich hatte einen Fehler gemacht und mir fiel beim besten Willen kein Weg ein, mich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Mein Kopf dröhnte. Ich war verwirrt. Verwirrt, weil ich meine Gefühle nicht mehr verstand. Bisher hatte ich gedacht, ich würde Eric wirklich lieben. Doch diese Nacht - Diese Nacht hatte alles geändert.
Irgendwann wurde die Dunkelheit in meinem Zimmer zu einem angenehmen Dämmerlicht und schließlich fielen die ersten Sonnenstrahlen des Tages durch die Fenster hinein und tauchten den Raum in ein freundliches Orange. Ein neuer Tag - Ein neuer Anfang. Doch alles, was mir einfiel, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, war zurückzukehren, zu dem Menschen, mit dem alles seinen Lauf genommen hatte. Also nahm ich mir eine Jacke und meine Schlüssel vom Tisch und verließ die Wohnung schnellen Schrittes.
Je näher ich Hazels Appartement kam, desto unsicherer wurde ich. Was würde sie denken, wenn ich jetzt bei ihr auftauchte? Ich hatte ihre Nummer, ich könnte sie anrufen. Eigentlich hatte ich nicht einmal das Recht, sie in all das mit hineinzuziehen. Vermutlich wäre es die beste Idee gewesen, sie zu vergessen und nie wieder zu sehen. Aber irgendwie fühlte ich mich magisch zu ihr hingezogen. Abgesehen davon, dass ich das Gefühl hatte, sie könnte für alles eine Lösung finden, wollte ein Teil meines Herzens sie auf jeden Fall noch einmal sehen. All das führte dazu, dass ich mich nur kurze Zeit später vor ihrer Haustür wiederfand. Ich starrte auf die Klingelschilder und in dem Moment wurde mir klar, dass ich diese Frau überhaupt nicht kannte. Ich wusste nicht einmal ihren Nachnamen. Was tat ich eigentlich hier?
Ich wollte gerade umdrehen und um die Ecke verschwinden, als ich eine bekannte Stimme hinter mir vernahm. "Hey, was machst du denn hier?" Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Langsam drehte ich mich um. Sie trug eine kurze Laufhose und ein lockeres T-Shirt. Ihre blonden Haare waren zu einem lockeren Pferdeschwanz zurück gebunden. Obwohl ihre Wangen vor Anstrengung gerötet waren, war sie wunderschön. Sie war wohl Joggen gewesen. Ich sog scharf die Luft ein. Sie wollte gerade noch etwas sagen, da sah sie meinen Blick und verstummte. Sie runzelte die Stirn. "Ist alles okay bei dir?" Ich schüttelte bloß den Kopf. Sie musterte mich kurz, dann zog sie einen Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Tür, packte mich am Arm und zog mich ins Treppenhaus. Plötzlich bekam ich Angst. Was wollte ich ihr eigentlich erzählen? Ich schüttelte ihre Hand ab. "Das war keine gute Idee", murmelte ich unsicher, "Ich sollte nicht hier sein, tut mir Leid." Mit diesen Worten wollte ich an ihr vorbei und zurück auf die Straße, doch sie ließ mich nicht durch. In dem Licht wirkten ihre Augen beinahe grün, als sie mich nun fixierten. "Ich lasse dich so nicht gehen. Irgendetwas stimmt doch nicht. Ich weiß, ich habe dir versprochen, keine Fragen zu stellen, aber ich glaube du schuldest mir eine Erklärung." Meine Augen füllten sich mit Tränen. Sie schob mich sanft in Richtung ihrer Wohnungstür, schloss auf und bugsierte mich hinein. Drinnen konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. All die Verwirrung musste irgendwie hinaus, also weinte ich, wie ein einsames, verzweifeltes Kind. Ich konnte Hazel durch den Tränenschleier nicht erkennen, doch ich spürte ihren Blick in meinem Rücken.
Fünf Minuten später fand ich mich auf der Couch im Wohnzimmer wieder. In der Hand hielt ich eine Tasse mit heißem Tee, den Hazel mir gereicht hatte. In dem hellen Licht des anbrechenden Tages sah hier alles noch wesentlich kleiner aus, als in der Nacht zuvor. Hazel strich sich eine Strähne hinter das Ohr. "Besser?" Ich zuckte mit den Schultern. Sie verzog das Gesicht. Ich glaubte Sorge darin erkennen zu können. Bedeutete ich ihr etwas? "Also, was ist los?"
Ich atmete tief ein. Jetzt führte kein Weg mehr zurück. Ich war hier, nun musste ich auch mit ihr sprechen. "Ich habe einen Freund." Ihr Blick war wenig überrascht. "Ich habe mir gedacht, dass du in einer Beziehung bist. So wie du gestern drauf warst, hattet ihr wohl Streit." Ich nickte. "Und? Du bist zurückgekommen, um das deinem One night stand zu erzählen?" Ich schüttelte den Kopf. Sie lachte. Mein Herz machte einen kleinen Sprung. "Als ich nach Hause gekommen bin, war er da. Er hat sich entschuldigt und er hat... Er hat..." Sie seufzte. "Er hat was?" "Er hat mir einen Antrag gemacht."
Ihre Augen zogen sich ein Stück zusammen. "Ich denke, du solltest ihm die Wahrheit sagen, wenn du ihn liebst." Ich biss mir auf die Unterlippe. "Das kann ich aber nicht", flüsterte ich dann. "Du willst deine Ehe mit einer Lüge beginnen?" Sie spielte jetzt nervös mit ihrem Armband. So ruhig, wie sie vorgab, war sie also gar nicht. "Ich weiß gar nicht, ob ich ihn heiraten will." Sie verharrte mitten in der Bewegung. "Warum nicht?" Ich senkte meinen Blick. "Weil...Das zwischen uns...Da war...Da w-" "Da war nichts", fiel sie mir ein wenig zu schnell ins Wort. Ich schluckte. Das tat weh. "Aber es hat sich gut angefühlt. Das ist das Problem. Und ich glaube, ich fühle-" "Da war nichts", wiederholte sie. Ihr Gesicht war jetzt hart. Das hübsche Lächeln war verschwunden. "Ich möchte, dass du jetzt gehst. Und denk das nächste Mal lieber genau darüber nach, bevor du so etwas sagst. Das kann Menschen verletzen. Wir kennen uns kaum." Jetzt verstand ich gar nichts mehr. "Aber es fühlt sich so an, als würde ich dich kennen. Ich wollte doch nur..." Sie war aufgestanden und hatte die Tür geöffnet. An ihrem Gesicht erkannte ich, dass das Gespräch für sie vorbei war. "Geh! Du weißt doch selbst nicht, was du willst." Ich stellte die volle Tasse auf dem Boden ab. Ich hatte keinen einzigen Schluck daraus getrunken. Als ich zur Tür lief, drehte sich alles vor meinen Augen. Neben ihr verharrte ich kurz. Ich war fasziniert von ihrer Ausstrahlung. Sie war so nah, dass ich ihren Atem an meiner Schulter spüren konnte. Ich unterdrückte den Drang, sie zu berühren. Stattdessen trat ich auf den Gang hinaus. Bevor sie die Tür hinter mir schloss , waren ihre letzten Worte: "Manchmal gibt es einen Unterschied zwischen dem, was wir fühlen und dem was richtig ist. Denk mal darüber nach." Ich fuhr herum, doch stieß bloß noch an das kalte Metall der Tür, die uns trennte. Müde ließ ich die Stirn dagegen sinken.
In meinem Kopf flogen die Gedanken wild durcheinander. Dieses Gespräch hatte mich bloß noch mehr verwirrt. Meine Emotionen waren nun vollständig durcheinander. Eine Lösung hatte ich keine. Und was nun?
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Hazel Eyes
Teen Fiction"Es sollte der schönste Tag ihres Lebens werden. Doch irgendetwas läuft schief. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass sie jetzt gerne an einem ganz anderen Ort wäre, mit einer anderen Person. Ihr Herz gehört längst nicht mehr dem Mann im Anzug, der...