Lewis Holtby

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Ich laufe den Weg entlang zum Trainingsgelände der Spurs. Seit ich denken kann, bin ich leidenschaftlicher Anhänger der Jungs aus Tottenham. Natürlich, immerhin bin ich halbe Engländerin. Mein Vater ist Brite, meine Mutter deutsche. Aber wenn man mich genauer kennt weiß man, dass ich mehr englisch, als deutsch, denke.

"Und bist du aufgeregt?", fragt Dad und mustert mich von Kopf bis Fuß.

Selbstverständlich bin ich aufgeregt. Es ist schließlich das erste mal überhaupt, dass ich beim Training meines Teams dabei sein kann.

"Ach quatsch, ich bin doch nicht nervös! Das sind doch nur zwei Dutzend junger Männer. Na ja, unter denen sich schon der ein oder andere gutaussehende befindet.", antworte ich, wobei ich die letzten Worte eher in meinen nicht vorhandenen Bart nuschel.

"So ist das also!", grinst er mich an und legt seinen Arm schützend um mich, als wolle er sagen ‘Niemand bekommt mein Mädchen’. “Wer ist den der Glückliche?"

Ich weiß, dass ich es ihm sowieso nicht verheimlichen kann. Von daher, erkläre ich, wer, seiner Meinung nach, der ‘Glückliche’ ist, der mein Herz, mehr oder weniger, für sich gewinnen konnte. Ich weiß, es ist absurd, für einen Menschen zu schwärmen, den man eigentlich nicht kennt. Aber es ist eben so passiert. Und, ehrlich gesagt, weiß ich genau, dass zwischen mir und ihm nie etwas laufen wird. Nicht mal annähernd.

"Spatz, schau mal, da kommen sie!"

"Dad, nenn mich nicht Spatz! Ich bin schon 20! Das ist ja peinlich…"

Etwas beschämt halte ich mir meine Hand vors Gesicht, um wirklich sicher zu gehen, dass niemand sieht, wie ich erröte. Währenddessen laufen die Spieler an uns vorbei uns grüßen uns alle freundlich. 
Es waren jede Menge Schaulustige gekommen und empfingen ihr Team durch Applaus. 

Gespannt folge ich dem Training. Es sind keine großen Unterschiede zu diversen Vereinen in Deutschland. Nein, im Gegenteil. Es gibt viele Paralellen. Zum einen ist es die Dauer, zum anderen der Ablauf, zumindest, das Gröbste davon. 
Nach etwa einer Stunde und 30 Minuten begeben sich die Spieler an den Zaun um Autogramme zu schreiben. Zum Glück stand ich mittig und war somit nicht die erste. Das wäre mir irgendwie… unheimlich gewesen.

"Hello beautiful lady!", sagt Gareth Bale zu mir, der auch nicht unbedingt von schlechten Eltern kommt. “You’re fine? I’ve never seen you here, before."

"Hi. Yes, I’m good, thanks.", antworte ich ohne zu stocken, aber mit leicht roten Wangen. “I’m not from here, I just visit my Dad!"

Er antwortet nicht mehr und unterschreibt einfach auf meinem Trikot, bevor er noch ein letztes Lächeln zu mir wirft und dann schließlich weiter geht. Der nächste kommt vorbei, unterschreibt aber schweigend und geht ebenfalls mit einem Lächeln weiter. Derjenige, auf den ich mich eigentlich am meisten freue, ausgerechnet der ist bei weitem noch nicht in meiner Nähe.

"Dauert das immer so lange?", frage ich quengelig und blicke an das vordere Ende der langen Reihe. 

"Meistens. Aber… Macht es dir was aus, wenn ich schon zum Auto gehe? Ich denke, du bekommst das schon ganz gut ohne mich hin!", erklärt er mir mit einem leicht misstrauisch wirkenden Grinsen.

Ich nicke stumm und wende mich wieder zum Geschehen mit den Spielern um. Ich suche wieder nach diesen einen. Doch dieses Mal ist jede noch so große Bemühung um sonst. Nirgendwo weit und breit ist er zu sehen. Keine blonden Haare auf 1,76m Körpergröße erkennbar. Leicht deprimiert widme ich mich deshalb dem Geschehen direkt vor meiner Nase.

"You’re fine Darling?", sagt er plötzlich mit perfektem englischen Akzent.

"Y-yes I’m good a-and you?" Oh Gott wie peinlich, ausgerechnet jetzt fange ich an zu stottern und lasse mein Englisch schlecht klingen.

"Du bist Deutsche!", sagt er zu meiner Überraschung, während er mein Trikot unterschreibt und grinst. "Wie kommts, dass du hier bist?"

"Na ja. Ich bin schon seit ich denken kann Fan der Spurs und wollte mir endlich mal meinen Kindheitstraum erfüllen. Aber woher wusstest du, dass ich Deutsche bin?!"

"So ist das also… Na ja. Ich habs am Akzent erkannt! Endlich mal jemand, der meine Muttersprache spricht!", gibt er leicht lachend zurück und lehnt sich gegen das Geländer, willig, sich mit mir zu unterhalten, scheinend. "Woher kommst du genau?"

"Gelsenkirchen."

"Interessant. Warst du auch manchmal beim Training von Schalke?"

"Ein paar mal, wieso fragst du?"

Es ist wundernswert, weshalb er mir diese Frage stellt. Ich war vielleicht drei, vier… Na gut, vielleicht auch fünf Mal, oder noch öfter, mal gucken. Und ja, auch nur wegen ihm. Aber er kann sich doch, bei Gottes Willen, nicht an mich erinnern. Es ist fast ein Jahr her. Das ist unmöglich.

"Wie heißt du?"

"So viele Fragen auf einmal?", grinse ich zurück, worauf er ebenfalls nur schmunzeln kann. "[y/n]."

Sein Blick wird immer… Unscheinbarer. Langsam schüttelt er den Kopf, während er zu Boden schaut. Anschließend mustert er mich wieder und guckt immer noch ungläubig in meine Augen, was mir leicht unangenehm wird, aber mich trotzdem nicht zum wegschauen bringt. Seine blauen Augen sind fast eins mit meinen.

"Das gibts nicht.", sagt er wieder und dreht sich eine Runde um seine eigene Achse, seine Hände im Nacken verschränkt. 

"Was?", frage ich vorsichtig, um mich selbst nich noch mehr zu verwirren.

"Ich kenn dich.", sagt er entschlossen und guckt mir dabei wieder in die Augen. "Du warst oft beim Training in Gelsenkirchen. Du bist nicht unbemerkt geblieben."

"Wieso nicht? Ich meine, ich war wie jeder andere da."

"Nein, eben nicht. Also. Ja gut. Es klingt jetzt ein wenig… komisch… Aber… Für mich warst du nicht wie jeder andere. Du bist mir aufgefallen. Du wolltest fast jedes Mal ein Autogramm von mir. Und du hattest sogar mein… Trikot.”

Mit diesen Worten, nimmt er sich mein Trikot und dreht die Rückseite zu sich, sodass er den Namen darauf lesen konnte - seinen Namen. Schlagartig bildet sich ein Lächeln auf seinen Gesicht und er gibt mir das Trikot zurück. Mit leicht geröteten Wangen stecke ich es in meine Tasche, um nicht für noch mehr furore zu sorgen.

"Ich dachte nicht, dass du dich daran erinnern kannst.", gebe ich zu und grinse ihn dabei neckisch an.

"An schöne Frauen erinnert Mann sich gerne."

Verlegen schaue ich grinsend zu Boden. Es ist seltsam, wie ein eigentlich wildfremder Mann mich so sprachlos machen kann. Das schaffen eigentlich nicht einmal meine engsten Angehörigen.

"Also. Ähm… Ich muss jetzt eigentlich weiter.", sagt er schließlich.

Ich schaue mich schnell um - wir sind die einzigen, die hier noch stehen und sich unterhalten, die anderen sind bereits gegangen. Etwas getrübt nicke ich und mache mich auf den Weg zu meinem Vater, doch so weit komme ich gar nicht.

"Warte mal.", sagt er als er mich an meiner Hand festhält. "Wollen wir nachher vielleicht was trinken gehen? Ich lade dich ein."

"Gerne!", gebe ich, ohne lange zu zögern oder zu überlegen, zurück. 

"Kann ich dann deine Nummer bekommen? Dann schreib ich dir, wenn ich Zeit hätte."

Schnell zücke ich einen Stift aus meiner Tasche und greife mir seine Hand, worauf ich meine Handynummer und meinen Namen schreibe. Zufrieden begutachte ich mein ‘Werk’ und packe den Stift wieder ein, bevor ich ihn kurz um den Hals falle.

"Bis dann, Lewis!", sage ich zum Abschluss und drücke ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

One ShotsWhere stories live. Discover now