Carne humana

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"Guten Morgen!"

"Mom lass mich bitte noch ein bisschen schlafen!" nuschelte ich in mein Kopfkissen.

"Aber heute ist doch dein großer Tag, mein Engel."

Ich starrte müde in die weißen Augen meiner Mutter.

"Heute ist ein Tag wie jeder andere. Und ich bin auch kein Engel. Engel sind wunderschön."

"Dein achzehnter Geburtstag ist sehr wohl ein besonderer Tag. Und glaub mir, du bist das Schönste was ich je gesehen habe." sagte meine Mutter und lächtelte mich an. Dabei öffnete sie den Mund leicht, sodass ich fast alle ihrer spitzen, haifisch-artigen Zähne sehen konnte.

Ich wusste ich würde nie so schön werden wie meine Mutter.

Ihre Haut war bleich, aber enthielt trotzdem Spuren von menschlichem Rosa. Ihre Augen waren komplett weiß. Ohne Iris und ohne Pupille, aber das bedeutete nicht dass sie blind war. Sie sah erstaunlich gut. Besser als jeder Mensch. Ihre blonden gelockten Haare reichten bis zu ihrer Taille. Trotzdem war sie wie jeder von uns Mahus mager, und man konnte unter ihrem T-Shirt jede einzelne ihrer Rippen sehen.

Um alles zu erklären: Mahus sind etwas, was Menschen als "unrealistisch" bezeichnen würden. Sie sind den Menschen sehr ähnlich, bis auf ein paar Details, wie die spitzen Zähne die im Gegensatz zu Vampiren nicht nur Eckzähne sind, sondern das ganze Gebiss ausmachen, oder die seltsam gefärbten Augen. Wie bereits erwähnt haben sie Körper die einem Skelett mit Haut sehr ähneln.

Doch das was uns Mahus am meisten von den Menschen unterscheidet ist unser stetiger Hunger auf ihr Fleisch.

Auch wenn ich meiner Mutter nur ungern Recht gab hatte sie Recht: Der achtzehnte Geburtstag ist sehr wohl ein wichtiger Tag für einen unserer Spezies.

Es ist der Tag unserer Taufe. Diese Taufe hat rein garnichts mit dem zu tun was Menschen unter dem Begriff "Taufe" verstehen.

Nach diesem Ritual darf ein Mahu offiziell sein Dorf verlassen um selbst jagen zu gehen.

"Also gut, ich werde jetzt die Reste des gestrigen Essens zu Frühstück verarbeiten. Zieh dich inzwischen um.", sagte meine Mutter in einem strengen und doch liebevollem Ton.

Dann verließ sie mein Zimmer und ich war allein.

Ich zwang mich dazu aufzustehen und sah mich um. Unser Haus war - genau wie mein Zimmer - nicht gerade prächtig und trotzdem liebte ich es.

Mein Bett (falls man es so nennen konnte) bestand nur aus einer Matratze mit einem Polster und einer Bettdecke. Die 'Fenster' waren eigentlich nur Löcher in der Wand, durch die sich Kletterpflanzen in mein Zimmer rankten und somit die hässliche, halb zerbröckelte Wand mit schönen Grüntönen schmückten.

Die Mahus besaßen einfach nicht das Geschick der Menschen. Sie übernahmen einfach die Hinterlassenschaften der Menschen, nachdem diese verstorben (oder getötet worden) waren, wie zum Beispiel ihre durchlöcherte Kleidung und ihre halb zerfallenen Häuser.

Ich blickte in die Scherben die einst ein Spiegel waren um mein Aussehen zu überprüfen.

Meine Augen waren nicht weiß, wie die meiner Mutter, sondern rabenschwarz. Nicht nur die Iris sondern auch der Rest des Augapfels, der eigentlich weiß sein sollte. Meine Haut hatte auch nicht viel menschliches an sich. Sie war bleicher als die der meisten Mahus.

Mein schwarzes gewelltes Haar reichte fast bis zu meiner Hüfte.

"Abgesehen von den schönen Gesichtszügen habe ich nichts von meiner Mutter geerbt", schoss es mir durch den Kopf. Es machte mich auf eine seltsame Art traurig, weil ich zu gerne gewusst hätte wie mein Vater wohl ausgesehen hatte. Alles was ich über ihn wusste, war, dass er als ich noch sehr jung war gestorben war, allerdings wollte mir meine Mutter nie erzählen was damals passiert war.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 17, 2014 ⏰

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