══════════════════════════ ATTACK AND DEFENSE ══════════════════════════

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Vier Wochen später...



Das Messer liegt sicher in deiner Hand. „[Name], tu das nicht." Frech grinsend beißt du dir auf die Unterlippe, während du die silberne Klinge langsam hinabgleiten lässt. „Und was, wenn doch?", erkundigst du dich amüsiert, weil Four allen Ernstes versucht, an das letzte Bisschen deiner Vernunft zu appellieren. „Ich warne dich, [Name], leg das Messer weg." – „Sonst was? Versohlst du mir dann wie der Stiff -Tris, richtig?- den Hintern?" Du zwinkerst deinem Gegenüber verschmitzt zu, den deine Anspielung auf seine Beziehung mit der Initiantin jedoch völlig kalt lässt. „Leg es weg!" Der Unterton seiner Worte lässt keinen Widerspruch zu, also tust du wie geheißen. Murrend lässt du das Messer sinken... aber auch nur, um im nächsten Moment auszuholen und es in den Schokokuchen zu rammen. „Ich fasse es nicht!", knurrt Four, genervt die Arme in die Höhe werfend, während du das Kuchenstück mit dem Tortenheber auf einen Teller packst und dir eine Gabel schnappst. „Den hat Eleanor extra für die Gäste gebacken." Genüsslich schiebst du dir den ersten Bissen in den Mund und zuckst unbekümmert mit den Schultern. 



Heute ist Besuchstag; das heißt, alle Initianten kriegen heute Mami, Papi, Brudi und/oder Schwesti -falls vorhanden- zu sehen. Die Ausbilder sind an diesem Nachmittag mit von der Partie. Immerhin sollen sie den Eltern versichern, dass es ihren Kindern bei den Ferox ausgezeichnet geht. – Man schenke den von Fäusten zerschundenen Gesichtern der Sechzehnjährigen keine Beachtung. Und du bist hier -in einer Art Mehrzweckraum-, weil der Schokokuchen hier ist. Außerdem möchtest du dem Ehepaar Hayes aufrichtiges Beileid und tiefes Mitgefühl übermitteln. Es muss schwer für die beiden gewesen sein, eine solche Missgeburt wie Peter großzuziehen. Sie haben eisernen Willen und wahre Elternliebe bewiesen, als sie sich nach der Geburt ihres Sohnes dafür entschieden haben, diesen zu behalten, anstatt ihn bei den Fraktionslosen auszusetzten. Du nimmt dir ein zweites Kuchenstück, weswegen Four sich im Hintergrund nur noch mehr über deine Unhöflichkeit beschwert. Mit gerunzelter Stirn schaust du von deinem Teller auf. „Äh... hast du was gesagt?"









Als die ersten Familien eintreffen, setzt du dein übertrieben freundliches Lächeln, das beinahe verstörend auf andere wirkt, auf und postierst dich an den Eingang. Von dort aus kannst du den gesamten Raum überblicken, ohne dich dabei von deinem beladenen Teller trennen zu müssen. Four hat es aufgegeben, dich davon abzuhalten, dich am Schokokuchen zu vergreifen. Nachdem er dir gedroht hat, dich an Eric zu verpetzten, hast du ihn herzlich ausgelacht, weswegen er nun schmollend an der gegenüberliegenden Wand lehnt. „Was machst du hier?" Du schaust nur kurz über die Schulter, um deinem festen Freund, der so plötzlich hinter dir aufgetaucht ist, einen Kuss zu geben. „Außer den Kuchen zu vernichten", fügt er leicht belustigt hinzu. „Ich bin für die Statistik der diesjährigen Besucherzahl zuständig", lässt du ihn schnippisch wissen. „Statistik?", echot Eric verwirrt an deinem Ohr. „Seit wann interessiert sich unsere Fraktion für irgendwelche Zahlen?" Du willst ihm gerade erklären, was Sarkasmus ist, doch da werdet ihr von einer schwarz-weiß gekleideten Frau -vermutlich die Mutter eines Initianten- unterbrochen. Eric lässt sich widerwillig auf ein Gespräch mit ihr ein.


Also bleibt dir nichts anderes, als weiterhin blöd in der Gegend rumzustehen, bis endlich die Ehrengäste eintreffen. - Mr. Und Mrs. Hayes. Sogleich setzt du dich in Bewegung, um ein wenig mit ihnen über ihren Sohn zu plaudern. Immerhin willst du dir nicht die einmalige Chance entgehen lassen, mehr über das ein oder andere demütigende Erlebnis aus seiner Kindheit zu erfahren. Jede Art von Information kann sich irgendwann als nützlich erweisen -da bist du mit den Ken einer Meinung-, denn du hast noch ein Hühnchen mit Peter zu rupfen. Als du jedoch einem wild gestikulierenden Candor ausweichst, der -weiß die Hölle- welche Störungen hat, verpasst du versehentlich einer anderen Person einen Gehfehler. - Peter. Der Sechszehnjährige stolpert über dein ausgestrecktes Bein und landet auf den Knien, mit der Visage voran in Fours Schritt. Auf deinem Gesicht breitet sich der Ausdruck purer Schadenfreude aus, während alle Gespräche rundherum allmählich verstummen, bis peinliche Stille einkehrt. Du feixt.



MU-HA-HA-HA – B.I.T.C.H ! ! !



Im nächsten Moment betreten Tris und ihre Altruan-Mutter den Raum. Tris' verdutzter und Fours erschrockener Blick begegnen sich, was du innerlich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen feierst. Die ältere Stiff erkennt sofort, dass es sich bei Peters Situation um ein peinliches Versehen handelt, weswegen sie ihm sofort mit einem, „Alles in Ordnung mit dir?", auf die Beine hilft. Dieser nickt nur und zieht sich mit hochrotem Kopf zurück, worauf sich alle kurzerhand wieder ihren Privatgesprächen widmen. Nur du, das typisch scheinheilige Miststück, das du bist, kannst dir eine frivole Bemerkung nicht verkneifen. Beim Vorbeigehen drückst du Four deinen Teller mit der Gabel in die Hand. „Du hast deiner Freundin einiges zu erklären, mein Lieber." Dann wendest du dich Tris zu, der du gespielt mitleidig in die Augen siehst. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, weißt du ja, wo du mich findest."







Dir ist nicht mehr danach, Mr. Und Mrs. Hayes über ihren Sohn auszufragen. (Er hat sich heute genug blamiert und du wirst dafür sorgen, dass er seinen kurzzeitigen Uferwechsel -auch wenn es ein Unfall war- nie mehr vergessen wird.) Du hältst nach Eric Ausschau und eigentlich müsste es nicht so schwer sein, einen Kerl wie ihn, der mit seinem grimmigen Gesichtsausdruck Vögel aus der Luft holen könnte, zu finden, allerdings siehst du ihn nirgends. Vermutlich schleppt ihn gerade jemandes senile Oma durch das gesamte Ferox-Hauptquartier auf der Suche nach ihrem Enkelkind. Als der Gepiercte jedoch kurze Zeit später erscheint, hängt an seiner Seite keine senile Oma. Sondern eine Ken, die viel zu jung ist, um als Mutter eines sechszehnjährigen Teenagers durchzugehen. Sie ist -schätzt du zumindest- um die zwanzig Jahre alt. Eric sagt gerade etwas zu ihr und sie quittiert es mit einem enthirnten Lachen. Das ist der Moment, in dem deine Aufmerksamkeit geweckt ist.



„Hey", begrüßt du den Gepiercten, wobei du dich zwischen ihn und seine Begleitung schiebst. „Du hast gerade echt was verpasst. Wo warst du?", erkundigst du dich beiläufig, ohne die Ken auch nur eines Blickes zu würdigen. „Ich habe Cara den Weg zur Toilette gezeigt", gibt er nüchtern zurück, worauf besagte Cara sich in dein Sichtfeld drängt. „Hallo, ich bin Cara." Sie hält dir die Hand hin, die du vermutlich schütteln sollst, und lächelt dieses höflich-kühle Lächeln, das ihre blauen Augen nicht erreicht. Du ignorierst ihren Griffel mit den fein manikürten Nägeln. „[Name]", erwiderst du gelangweilt. „Ich habe einen schrecklichen Orientierungssinn", fügt Cara hinzu und klingt dabei so sachlich wie die restlichen Mitglieder ihrer Fraktion, wenn sie eine Tatsache aussprechen. Verwundert ziehst du eine deiner Augenbrauen nach oben. „Oh, die Ken haben so viel nützlichen technischen Schnickschnack, aber nichts, was ihnen an einem fremden Ort das Klo zeigt?" 



Cara verschlägt es kurz die Sprache, da sie höchstwahrscheinlich gerade über die Umsetzung deines Vorschlags nachdenkt. Du bist an so etwas bei den Ken bereits gewöhnt. Manchmal verstummen diese Leute mitten in einem Gespräch, um das Gesagte einer anderen Person zu überdenken, jedes Wort und den Sinn dahinter zu analysieren, um dann bestehende Antwortmöglichkeiten auszuwerten. Wie eine Maschine. Cara beschließt, das Thema zu wechseln. „Bestimmt kennst du meinen Bruder, Will, er ist einer der diesjährigen Initianten." Du machst dir nicht einmal die Mühe, so auszusehen, als wüsstest du, wer Will ist. Du hattest bis jetzt keinen Dunst, dass hier überhaupt so etwas wie ein Typ namens Will durch die Gegend läuft. „Aha", erwiderst du und hoffst, genau so unerträglich zickig rüber zu kommen, wie du dich gerade mit vollem Einsatz zeigst. 



„Nun", Cara wirft Eric einen flüchtigen Blick zu, „ich würde mich noch gerne ein wenig mit meinem Bruder unterhalten, bevor die Besuchszeit vorüber ist. Hat mich gefreut, [Name]." Pfff, wer's glaubt. Sie verabschiedet sich von euch, worauf du hinter ihrem Rücken eine Grimasse schneidest. – Eine außerordentlich erwachsene Geste, wie man dir zugestehen muss. Eric nickt nachdenklich, kaum ist Cara in der Menge verschwunden. „Wir sollten uns auch unterhalten." Sofort stellst du dein infantiles Spektakel ein und schaust zu ihm auf. „Was, jetzt?" – „Jetzt." Damit nimmt er dich wie ein ungezogenes Kind am Arm und bugsiert dich Richtung Ausgang. Sehnsüchtig seufzend wirfst du einen letzten Blick auf den Schokokuchen, von dem höchstwahrscheinlich nach eurer Unterhaltung nichts mehr übrig sein wird.   

мιѕтѕтücĸ х мιѕтĸerlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt