Yvonne
Nicole schleppte sich förmlich durch die langen Flure des Amtes und sie tat mir schrecklich leid. Dass sie mir im Auto das Wort abgeschnitten hatte, konnte ich einerseits verstehen und doch befand ich diese Lösung mit dem Internat als die Beste, auch wenn sie nichts davon hören wollte.
Nachdem Marco Nicole an dem morgen bei mir abgesetzt hatte und ich all die Dinge gehört hatte, musste ich erst mal zwei ganze Nächte drüber schlafen. Ich fing an zu recherchieren und drehte das Internet auf links. Ein guter Kunde war Psychiater und selbst den zog ich in ein Gespräch, um ihm die übliche Geschichte zu erzählen "ich habe da eine Freundin und diese hat ein Problem", nur in meinem Fall war es keine Geschichte. Er sah mich dennoch misstrauisch an und ich konnte deutlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Als ich dann fertig war mit erzählen, kam auch die Frage wie nah mir diese Freundin stehen würde. Ich musste lachen und versicherte ihm, dass es sich nicht um eine verwandte handelte. Er war zwar ein guter Kunde, dennoch wusste ich nicht wie weit ich ihm vertrauen durfte und konnte. Man musste immer damit rechnen, dass es zu schlechte Presse für meinen Bruder kam. Er gab mir schlussendlich dann doch noch einen Rat, den ich gerne mit Nicole besprochen hätte. Dazu kam es leider nicht und irgendwie ging ich besser vorbereitet in das Gespräch mit der Frau von der Fürsorge, als es meine Freundin tat. Ich war auch gewillt mit Marco darüber zu sprechen, was ich aber sein ließ, um nicht Nicole in den Rücken zu fallen. Natürlich sprach mich mein Bruder auf die Sache an und ich versuchte neutral zu bleiben. Erst musste ich wissen was bei dem Gespräch raus kam und was Nicole dann plante.
Zaghaft klopft Nicole an der Tür der Sachbearbeiterin und als wir ein leises "herein" hörten, atmete sie nochmals durch und wir gingen rein. Knapp umriss meine Freundin ihr Problem, bei dem sie recht viel weg ließ. Dann sah sie mich an und fügte erst die Details ein oder gab mir zu verstehen, dass ich es anfügen soll. Was ich natürlich weniger blumig als sie machte. So bekam die Dame einen besonderen Eindruck der Lage und sah Nicole immer mitleidiger an. Ich fand dies überhaupt nicht gut, denn von Mitleid würde die Situation auch nicht besser. Nicole brauchte ernsthafte Hilfe und das ohne das die Dame negativ auf sie und das Verhältnis mit Luca kam. Genau nach dem fragte die Tussi dann und ich fing an sie nicht mehr zu mögen, weswegen ich das Wort ergriff ohne auf meiner Freundin ihr Einverständnis zu warten. "Luca ist in sehr guten Händen. Er ist nicht so belastet wie Luisa, was in dieser Sache sicher förderlich ist. Er ist ein fröhlicher und aufgeweckter Junge. Sie sollten nicht von ihm auf seine Schwester schließen oder andersrum. Das sind zwei verschiedene Dinge. Was können wir also für Luisa tun? Denn sie stört diesen Familienfrieden wirklich. Es muss da doch eine Möglichkeit geben, die für alle gut ist?". Die Tussi lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, hielt einen Kugelschreiber zwischen ihren Händen und sah von mir zu Nicole. Nicole sah aus wie ein Hund den man nach einer Prügelattacke ausgesetzt hatte. "Frau Müller, wie ist ihr Verhältnis denn zu Luca?" Wiederholte sie ihre Frage und machte mich unglaublich wütend damit. Was man unschwer an meinen aufgeblähten Nasenflügel und den zusammengezogenen Augenbrauen erkennen konnte. "Ich ... ich habe keine Probleme mit Luca. Ganz im Gegenteil. Meine Freundin hat es richtig beschrieben" ihre Stimme stolperte erst über die Unsicherheit und wurde dann immer fester und überzeugend. "Es geht hier wirklich nur um Luisa. Ich komme nicht mehr an sie ran und sie ist dabei alles zu zerstören. Sie macht mir Vorwürfe in Bezug auf unsere Eltern und ich glaube, dass genau dort auch ihr Hass den Ursprung hat. Sie hätte damals in eine Therapie sollen, was bedauerlicherweise nicht passiert ist und nun ist sie so wie sie ist"-"naja Frau Müller, eine Therapie ist teuer und die Prognose stand gut, dass sie ihren Platz im Leben findet"-"hat nicht geklappt" kam es wie aus der Pistole von uns beiden, was mich schmunzeln ließ. Unsere Blicke trafen sich und ich konnte sehen, wie auch sie grinste. "Und weil sie es nicht alleine geschafft haben, sollen wir jetzt die ultimative Lösung für Sie haben?" Mein Kopf schnellte zu dieser impertinenten Frau und am liebsten hätte ich sie geboxt. Wie konnte man so etwas von sich geben? "Sie wissen was ihr Job ist oder?" Ich konnte es mir nicht verkneifen. "Frau Müller selbst hat damals alles abgelehnt" die Alte beugte sich nach vorne und stützte ihre Arme auf. "Sie hätte sagen können, dass sie sich es doch nicht zutraut"-„ich habe damals von allen Seiten gehört, man würde mir helfen und es wäre nicht nötig. Ich wusste doch gar nicht auf was ich mich einließ. Natürlich dachte ich, nach ihrer Einschätzung, dass ich es alleine schaffen würde, aber das war ein Irrglaube. Ich hab es nicht geschafft und jetzt bin ich hier und bitte um Hilfe". Die Dame seufzte und es war keineswegs ein positives Seufzen. Es war ein genervtes und ich wäre fast geplatzt. Dann drehte sie sich zu ihrem PC, machte noch ein paar komische Geräusche und tippte auf der Tastatur rum. „Es gibt die Möglichkeit einer Therapie. Da würde sie dann einmal die Woche hingehen"-„und wenn das nichts hilft? Sie wehrt sich ja jetzt schon gegen alles und zwingen wäre wohl keine Lösung oder?" fragte Nicole vorsichtig nach. „Sie ist erst 16, da können wir, beziehungsweise sie, sie natürlich zwingen. Es ist ja in ihrem Interesse"-„und sonst?"-„wie wäre es mit einem Internat, in dem es auch psychologische Hilfe gibt?" es kam einfach über meine Lippen und ich fühlte den bösen Blick von der Seite. „Das wäre natürlich auch eine Lösung. Doch die Plätze solcher Einrichtungen sind sehr gering. Wir haben hier in der Nähe nur eines, welches sich mit solchen Fällen beschäftig"-„ach?" ich wusste genau das sie lügt, denn ich hatte mich ja informiert. Sie sah mich abfällig an und tippte weiter auf ihrer Kiste rum. „Frau Müller ihnen sollte klar sein, dass sie viel dazu beitragen können, wenn sie in der Nähe sind. Sie wollen doch ihre Schwester nicht allein lassen oder? Bei einer ambulanten Behandlung können sie jeder Zeit dabei sein". Nun wurde mir klar was hier los war. Die Alte versuchte Nicole ein schlechtes Gewissen zu machen und wenn ich mir meine Freundin so anschaute, hatte sie Erfolg. „Das kann doch nicht ihr ernst sein? Sie versuchen doch hier gerade eine miese Nummer?"-„lass doch gut sein" sagte Nicole leise und legte ihre Hand auf meinen Arm. „Nein Nicole, merkst du nicht was hier abgeht? Hier geht es nicht um Lösung sondern darum die Last weiter auf deine Schulter zu laden. Jetzt wird mir auch klar warum man dich schon damals allein gelassen hat mit dem Problem" ich war wütend und traurig über all dies und wusste nicht wie ich ruhig bleiben sollte. „Frau Krayer meint es doch nicht so, oder?" sie drehte sich zur der Tussi und sah sie eindringlich an. „Sie werden mir doch helfen, dass ich die richtige Lösung finde und nicht wieder alleine da stehe mit all den Problemen."- „Ich habe ihnen meine Lösung gesagt. Ambulante Behandlung"-„und die Idee mit dem Internat? Gibt es das denn wirklich? Ich will sie nämlich nicht abschieben in eine Anstalt für schwererziehbare Kinder"-„wir haben für solche Fälle nur Bad Fredeburg"-„das ist genau das, was Frau Müller nicht will" zischte ich, denn ich wusste genau was diese Einrichtung war. „Ich dachte mehr an das Krüger Internat" lächelte ich wissend und wusste, hierbei würde es sich um eine ernsthafte Sache handeln. Frau Krayer bekam Schnappatmung und ich wusste, ich hatte sie erwischt. „Wissen sie was das kostet? Das ist unerschwinglich und dieses kann ich unter keinen Umständen genehmigt bekommen"-„aha" ich musste hier raus „sie lassen also lieber eine junge Frau weiter mit einem durchgeknallten Teenager alleine und wegen Geld gibt es keine anständige Behandlung für das traumatisierte Kind. Einen schönen Tag" ich ging. Das konnte sich keiner mehr anhören. An der Tür blieb ich stehen, drehte mich nochmal um „komm Nicole, dir wird hier nicht geholfen".
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Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte Rache
FanfictionDas Leben der 27 jährigen Nicole scheint nicht unter einem besonders guten Stern zu stehen. Ihre Eltern starben vor 6 Jahren. Sie muss aufhören zu studieren, um die Verantwortung für ihre Geschwister zu übernehmen. Der kleine Bruder Luca kommt sc...