Für Sabine ♡
Seit Áine denken konnte, stand dieser alte Wandschrank im Hause ihrer Großmutter in dem kleinen Dorf in Cornwall. Draußen klopfte der Regen mit seinen dünnen Fingern an die Fenster und drinnen knackte das Holz im Kamin. Irgendwo im Haus tollten ihre beiden älteren Brüder herum und Áine saß alleine in der großen Eingangshalle, vor eben diesem Schrank, an den sie sich seit ihrem ersten klaren Moment erinnern konnte.
Ihre Großmutter, Mom, Dad und ihre kleine Schwester waren einkaufen und so war es vollkommen still, abgesehen von dem gelegentlichen Rumpeln über ihrem Kopf, wenn ihre Brüder beim fechten gegen irgendetwas stießen.Áine war 7 Jahre alt geworden und der Schrank war für sie noch riesiger als er es eh schon war. Dunkles Holz, das im Sonnenlicht einen warmen Kupferschimmer und Rotstich hatte, auf dem tausende kleine Elfen und Gnome abgebildet waren. Manchmal hatte Aine das Gefühl, der Schrank würde ihr eine Geschichte erzählen, ein Märchen aus längst vergessenen Tagen, nur für sie allein bestimmt.
Sie lauschte der Melodie des Regens, und fuhr die kleinen Elfen, die in das alte Holz geschnitzt worden waren, mit dem Finger nach. Und da, gerade als ihre Brüder hinter ihr die Treppe herunter gestürmt kamen, sah Áine wie ihr die Elfe zuzwinkerte und sich an ihren Finger kuschelte.Ihr Herz klopfte wie verrückt, und sie dachte an die Legenden, die ihr ihre Großmutter immer erzählt hatte. Vor allem auch an die Geschichte, die sich um diesen alten Schrank rankte.
Es war an einem kalten Winterabend als die Familie mal wieder bei Großmutter Laura zu Besuch war. Es gab tausende von Plätzchen und die Kinder bekamen immer, wenn die Eltern gerade wegsahen, noch einen Keks zugesteckt. Áine und ihre Brüder balgten sich auf dem Teppich mit Scipio, Großmutters Husky, und hielten sich den Bauch vor lachen.
Als es später ins Bett ging, hielt Áine ihre Großmutter, wie so oft fest, und bat sie, ihr eine neue Legende zu erzählen.
Laura fuhr durch die langen roten Haare ihrer Enkelin, und blickte in die bittenden blauen Augen, denen ihre eigene Mutter auch nie hatte widerstehen können.
"Na gut," begann sie deshalb, deckte Áine zu und setzte sich an ihre Bettkante."Als ich ein junges Mädchen war, träumte ich, genau wie du jetzt, von Elfen und Gnomen, Kobolden und Feen. Ich glaubte, und glaube fest daran, dass sie existieren, und bat meine Mutter daher oftmals mir eine ihrer Legenden zu erzählen, die sie schon von ihrer Mutter hatte. Und da erzählte sie eines Tages die Legende des alten Schranks. Sie behauptete er sei ein Portal zur Elfenwelt.
Es gebe nur wenige davon in ganz England, und noch weniger auf der gesamten Welt, sagte sie mir. Wir müssten gut auf das aufpassen, was uns geschenkt worden war.Wenn man diesen Schrank betritt, erscheint er einem zunächst wie ein ganz normaler Schrank, und wenn man davon absieht, wie kunstvoll er, sowohl außen als auch innen, verziert ist, merkt man zunächst tatsächlich keinen Unterschied. Doch wenn die alte Wanduhr im Wohnzimmer zur zwölften Stunde leutet, tut sich die hintere Wand des Schranks mit einem goldenen Leuchten auf, und man blickt geradewegs in das Reich der Elfen. Von diesem Moment an, hat man ewig Zeit, denn während man im Elfenreich ist, bleibt die Zeit in der Menschenwelt für einen stehen oder sie vergeht einfach nur sehr viel langsamer. Du kannst ganze Tage im Elfenreich sein, ohne dass es hier einer bemerkt." kicherte Laura, und erinnerte sich an ihre eigenen Ausflüge dorthin, und an den Elf, den sie schließlich geheiratet hatte. "Aber Großmutter, warst du jemals dort? Gibt es dieses Land?" fragte ihre Enkelin und auf Lauras Gesicht breitete sich ein warmes Lächeln aus.
"Ja meine süße kleine Elfe. Dieses Land gibt es wirklich. Träume du nur mit deinem kleinen Herzen. Eines Tages wirst du dort sein."
Und genau in diesem Moment betrat ihr Mann das Zimmer, an dem man, genauso wenig wie an ihr, keine Alterserscheinungen festmachen konnte. Seit sie das Land der Elfen betrat und dort lernte zu lieben, war sie unsterblich, und würde noch vielen weiteren auserwählten Kindern die Geschichten vom Elfenreich erzählen.All dies ging Áine durch den Kopf und so saß sie ganz hibbelig am Esstisch, denn sie konnte es nicht abwarten, heute Nacht auszuprobieren, ob an Großmutter Lauras Geschichte etwas dran war. Sie bemerkte nicht ein mal die verschwörerischen Blicke von Laura und Gabriel, die natürlich gesehen hatten, was Áine heute an der Tür zum Wandschrank passiert war. Eine weitere Elfe wurde nach hause gerufen.
Es war dunkel im gesamten Haus, und Áine lag schon seit Stunden wach. Sie blickte angestrengt vor sich hin, um ja nicht einzuschlafen, doch sie spürte wie die Müdigkeit in ihre Knochen kroch.
Deshalb stand sie auf, lief zum Fenster und blickte auf den Mond und die vom Tau benetzten Blätter des alten Kirschbaums. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie schließlich die Treppe nach unten schlich, doch der Schrank zog sie wie magisch an, und als sie auf die Uhr blickte, sah sie, das deren Zeiger kaum mehr zwei Minuten von der zwölf entfernt war.Sie schlüpfte in den Schrank, schloss die Tür hinter sich und wartete mit klopfendem Herzen.
Die Dunkelheit umgab sie schützend und trotzdem zuckte sie zusammen, als sie hörte wie die alte Uhr zu schlagen begann.
1...2....3... leise zählte sie die Schläge mit, und beim zwölften Schlag geschah das unfassbare, genau wie es ihre Großmutter beschrieben hatte.Zunächst war es nur ein kleiner Funke aus goldenem Licht, der in der Dunkelheit wieder verglomm. Doch dann wurden es immer mehr und mehr, ein goldenes Leuchten breitete sich in dem kleinen Raum aus und als es verschwunden war, blickte Áine nicht länger auf die Rückwand des Schranks, sondern sah in ein weites Tal von grünen Wiesen und in der Ferne sah sie ein Schloss auf einem Hügel stehen. Sie wollte gerade einen Fuß über die Schwelle setzten, als sie nicht weit von sich entfernt eine Elfe fliegen sah. Es gab sie wirklich. Áine konnte nicht glauben, dass es tatsächlich alles wahr sein konnte, was sie sich all die Jahre erträumt hatte.
Als sie einen Fuß in das weiche Gras setzte fuhr ein goldener Funkenregen über sie hinweg und als er wieder weg war, wehte ein weißes, leichtes Kleid um ihren Körper. Sie kicherte erfreut und hüpfte den Hügel hinab, als sie plötzlich begann zu schweben und sich verwundert um sah: sie hatte Flügel.
Ein Juchzen entkam ihrer Kehle und sie schraubte sich immer höher in den Himmel.Das Schloss lag bald zu ihren Füßen, und sie zwang sich tiefer zu gehen, zu landen und nicht total glücklich auszuflippen. Sie betrat die Empfangshalle und staunte über all die Gemälde an den Wänden und die goldenen Verzierungen. Leise tappste sie weiter, bis sie plötzlich vor der Tür des Thronsaals stand.
"Komm doch herein Áine." hörte sie da die Stimme ihrer Großmutter und stockte, als sie sah, dass sie eine Krone trug, und neben ihr Großvater Gabriel stand.
"Was machst du hier Großmutter? Träume ich?" fragte sie verwirrt, denn mit ihren 7 Jahren versuchte sie zwar nicht logisch zu denken, war aber dennoch verwirrt.
"Nein mein Schatz. Du bist endlich nach hause gekommen. Wir haben alle auf dich gewartet. Du bist die verschollene Elfenprinzessin."Und so kam es, dass Áine erfuhr, dass sie als einzige ihrer Familie das Elfenblut weiter in sich trug, und ihre wahre Heimat daher im Elfenreich lag. Sie besuchte ihre neue Heimat immer öfter, bis sie schließlich ganz dort blieb, und sich in einen jungen Elf verliebte. Sie führte den Auftrag, allen auserwählten Kindern, die Elfenblut in sich trugen, von dem Geheimnis des Wandschranks zu erzählen fort, und tanzte mit ihrer großen Liebe in ein unsterbliches Leben voller Glück.
Und das nur, weil sie geträumt und geglaubt hatte, wo kein anderer mehr zugehört hatte.
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Der Dachboden der Träume
Short StoryLangsam stieg sie die steilen Stufen nach oben. Sonnenlicht blitzte hier und da um Ecken und zwischen Astlöchern hindurch. Staubkörner wirbelten durch die Luft, als würden die Sonnenstrahlen eine nur für sie hörbare Musik machen. Sie musste niesen...