Flucht und weg

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Marco

Dass sich Nicole nicht meldete, machte mich fast wahnsinnig. Trost bei meiner Schwester zu finden war auch nicht wirklich möglich, da sie mich absolut im Unklaren ließ wie es um Nicole stand. Mir war bewusst, dass ich sie irgendwie in einen Zwiespalt brachte, schließlich waren die beiden befreundet, dennoch hätte ich mir gewünscht, sie wäre etwas gesprächiger.

Meine Tage wurden zur Routine. Erst lief ich in meinem Haus Löcher in den Boden, dann setzte ich meine Energie ins Umräumen. Joggte mehrere Kilometer durch den Wald, machte Ausdauer und Krafttraining und wurde am Ende von meinen Freunden gerettet. Wenn keine Sommerpause gewesen wäre, hätte ich mich wenigstens auf die Spiele fokussieren können, doch so musste ich mir ständig etwas Neues suchen um mich abzulenken. Ständig war mein Handy ganz nah bei mir, was absolut sinnlos war, denn Nicole ließ einfach nichts von sich hören und mir fehlte irgendwie die richtige Idee um den ersten Schritt zu machen. Sie hatte mir klar zu verstehen gegeben, dass ich gerade nicht in ihr Leben passte. Abgesehen von der ganzen Beschäftigungstherapie, durchlief ich mehrere Phasen meine Gefühlswelt. Da war Wut, auf alles und jeden. Traurig sein, weil ich diese tolle Frau nicht mein eigen nennen durfte. Verdrängung, um irgendwie wieder normal denken zu können. Der Vorschlag von Yvonne konnte nicht besser sein und als Marcel vor meiner Tür stand, überfiel ich ihn regelrecht. "Was geht last Minute?" völlig verwirrt schaute er mich an und brauchte einen Moment um mich zu verstehen, doch dann sah er mich wissend an. "Urlaub?"-"Ich muss ihr weg"-"ich kann schauen"-"du hast 30 Minuten Zeit. Ich ruf Robin an und sag er muss packen"-"ähm ... ich muss auch packen"-"du hast doch eh meistens Zeug von mir an" grinste ich ihn an und bekam nur einen kräftigen Schlag gegen meinen Oberarm. "Mach jetzt nicht lang dumm rum, buch was, ich geh packen".

Gute 2 Stunden später standen wir am Flughafen und hatten einen überteuerten Flug nach Ibiza gebucht, mit einem ebenso überteuerten Hotel, was keiner von uns kannte. "Hast du den Typen angerufen vom Yachthafen?"-"Nein" gab mir Marcel als unbefriedigte Antwort und ich ließ die Augen rollen. Direkt musste ich schmunzeln, erinnerte mich dieses Verhalten doch an Nicole. Es gab so viele Dinge, die mich an sie erinnerten und jedes Mal musste ich grinsen oder kichern. Danach fühlte ich mich erst mal schlecht, weil ich sie vermisste. Robin sah mich schief von der Seite an "du denkst schon wieder an sie"-"was?"-"du solltest es sein lassen und sie besser vergessen"-"toller Tipp, danke Bro. Hilft nicht, habe ich schon versucht"-"warum rufst du sie dann nicht einfach mal an?"-"weil ich unerwünscht bin"-"dann vergiss sie"-"geht nicht. Sie ist einfach perfekt"-"dann schreib ihr halt wenn du sie nicht anrufen willst"-"mit wollen hat es nichts zu tun"-"dann vergiss sie"-"könntet ihr einfach mal die Klappe halten?" unterbrach uns Marcel von der Seite, der uns total genervt anschaute. "Das ist ja schlimmer als Tennis und unser Flug geht gleich, wir können also gleich mal rüber ans Gate" er zeigte mit den Boardingkarten zu einem Monitor, auf dem gerade der Gate angezeigt wurde.

Im Hotel angekommen, warfen wir unsere Koffer in die Ecke und sahen uns erst mal um. Marcel checkte das Partyangebot, Robin hatte eine rassige Schönheit an der Bar aufgemacht und am nächsten Tag lag ich auf einer Sonnenliege im Schatten und hatte einen dicken Kopf. Natürlich kamen die Erinnerungen an Bali zurück und sie drückten schwer auf mein Gemüt. "Vielleicht hat Robin nicht ganz unrecht"-"womit soll Robin Recht haben?"-"das du sie vergessen sollst"-"fängst du jetzt auch an?"-"Nein"-"gut, dann halt die Klappe. Ich will sie nicht vergessen, ich bin einfach in Hoffnung, dass sie einsieht, dass ich der beste Fang bin und sie ihre Schwester vergessen soll. Die hat eh nen Knall und jetzt lass gut sein, ich hab nur nen Schädel"-"das ist die Kleine, die sich bei dir auf dem Sofa breit gemacht hatte oder? Diese Lolita mit dem halbnackten Arsch" ich gab keine Antwort, knurrte nur leicht was sich im Entferntesten nach einem "Ja" anhörte. "Was ist mit der eigentlich? Warum hast du auf die so einen Hass?". Wir waren die dicksten Freunde, doch selbst ihm konnte ich nicht alles erzählen. Umso weniger Leute von diesem verfluchten Kuss wussten, umso besser war es für mich. „Ich kann sie einfach nicht ab"-„ey man, ich dachte Nicole ist genau die Frau ever? Findest du nicht, dass du dich dann auch mit ihrer Schwester verstehen solltest?"-„Man Marcel lass es sein, du hast doch überhaupt keine Ahnung" ich wollte das Thema einfach nicht bequatschen, sondern einfach vergessen. Ich stand auf und wollte es Robin gleich tun, der schon wieder an der Strandbar stand. „Ich hol mir was zu Trinken"-„sag mal, hast du was mit der gehabt oder wie?" rief er mir nach und ich blieb in Schockstarre stehen. „Hast du sie noch alle?"-„Na sorry, aber mir kommt es gerade so vor" ich ging die wenigen Schritte zurück zu Marcels Liege und beugte mich leicht zu ihm runter. Ich wollte unter keinen Umständen, dass irgendjemand in unserer Nähe etwas davon mitbekam. „Dir ist klar wie alt sie ist oder? Was soll also die scheiß Frage?" Marcel grinste mich breit an, als wäre er sich des Blödsinns nicht klar, den er da von sich gelassen hatte. „Man komm wieder runter Digger. Was gehst du denn so ab?"-„Weil ich so ne Kacke nicht hören will. Die ist 16!" zischte ich zu ihm runter und zog die Augenbrauen tief auf meine Nasenwurzel. Er sollte ruhig wissen wie angekotzt ich gerade war. „Du hattest was mit der" Marcel riss seine Augen weit auf, sah mich voller Entsetzen an und bekam den Mund nicht mehr zu. „Du hast sie doch nicht mehr alle" ich tippte mir gegen die Stirn, drehte auf dem Absatz um und steuerte zielsicher die Bar an. Die Strandbar tauschte ich irgendwann gegen eine ganze Flasche Wodka, die ich mit aufs Zimmer nahm.

Es war gerade mal früher Abend und ich lag gut dicht auf meinem Bett. Die Flasche war so gut wie leer und ich konnte einfach nicht aufhören an Nicole zu denken. Ich überlegte hin und her, ob es nicht genau jetzt der beste Zeitpunkt war, ihr endlich die Wahrheit zu sagen. Verlieren konnte ich sie ja nicht mehr, sie war ja schon weg. Ich wog mein Handy zwischen meinen Händen hin und her. Knallte es wieder neben mich auf die Matratze, versuchte den Gedanken zu verwerfen. Im Suff was schreiben konnte nichts werden. Doch dann, tippte ich einfach etwas und hoffte es wäre genau das richtige.

Ich, meine Schwester und Marco II Eiskalte RacheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt