Baby, Just Say Yes

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Wir hatten beschlossen uns vor Ort in einem der Zimmer zu schminken und zu stylen. Doch ich war nicht ganz bei der Sache. Meine Träume und Ängste spukten in meinem Kopf herum. Immer noch.

"Helena, du gibst dir gar keine Mühe! Lass mich das machen!"
Rebecca nahm mir den Lockenstab aus der Hand und machte sich selbst konzentriert und mit einem wissenden Blick an meinen Haaren zu schaffen.
"Danke", sagte ich nur und lehnte mich auf dem Sessel zurück. Einmal durchatmen. Augen schließen.
"Es war aber übrigens nicht so cool, wie du gestern Abend gegangen bist", warf meine Mutter da ein.
"Ich weiß", erwiderte ich.
"Und warum hast du es dann getan?"
"Es ging nicht anders."
"Wegen Noel?"
"Wegen wem sonst?", schmollte ich und starrte auf meine Hände.
"Entschuldigung, Helena! Aber du hast uns nie erzählt, was eigentlich passiert ist! Keiner von uns wusste, dass ihr nicht mehr miteinander redet."

Ich antwortete  gar nichts mehr. Nicht, weil ich nicht reden wollte. Ich konnte nicht. Ich wusste, dass ich anfangen würde zu weinen, sobald ich den Mund öffnen würde. Also presste ich die Lippen zusammen und sah Becki bei ihrer Arbeit zu.
Sie flocht ganz profihaft drei Strähnen zu einem seitlichen Zopf und fixierte diesen hinter meinem Ohr. Der Rest meiner Haare fiel in Kringel Locken hinunter.
"Die hängen sich sowieso aus."
"Danke, Rebecca."
Ich übernahm zumindest den Make Up-Part selbst und versuchte mir dabei besonders Mühe zu geben.
"Achja: Ich möchte keine Alkoholleichen heute Nacht, okay?", verkündete meine Mutter da. "Keine Krankenhausgeschichten und am liebsten keine Liebeleien. Ihr seid erwachsene Frauen, verhaltet euch auch so. Und denkt immer daran: Heute ist Melinas großer Tag! Es geht nicht um euch, sondern um sie."
Irgendwie fühlte ich mich davon extra angesprochen. Besonders von ihrem letzten Satz. Der weckte Erinnerungen, die ich lieber verdrängen wollte.  Ich zog mein Kleid und die Absatzschuhe an, legte Schmuck und das Blumenarmband an und ließ mir von meiner Mutter eine Blüte ins Haar stecken. Ob das too much war? Vielleicht. Aber heute würde ich keine Diskussionen starten. Erst recht nicht über Blumen.
"Oh mann, ihr beiden seht so wunderschön aus! Ich muss euch draußen gleich fotografieren", schwärmte sie.
Rebecca trug ein mittelblaues kürzeres Kleid und sah umwerfend aus. Meine Mutter hatte ein pastelliges Kleid gewählt, das gut zu ihrer Haarfarbe passte.
"Aber wir wollen doch mit dir fotografiert werden. Du siehst bombe aus", schwärmte Rebecca. Ich nickte und folgte den beiden zur Scheune.
Dort wartete schon einer der beiden Fotografen und wir ließen uns direkt von ihm in Szene setzen. Bevor wir dann endlich zu Melina gingen. Mir fiel es trotz meiner wunderschönen Begleitung heute schwer zu lächeln.

Laila heulte jetzt schon, Martin reichte ihr tapfer Taschentücher und meine Mom schloss sich ihr gleich an. Verständlicherweise. Melina sah einfach wie eine Prinzessin aus. Hübsch war sie ja immer. Jetzt strahlte sie noch mehr als in den letzten Tagen und ihr Kleid war einfach ein Traum. Es hatte gerade so viel Spitze, das es nicht überladen wirkte und war ansonsten total schlicht ohne Tüll oder Glitzer. Und es saß absolut perfekt, sodass man ihren Babybauch zwar wahrnahm, aber er einem nicht als erstes ins Auge stach.
"Melina, du siehst aus wie eine Prinzessin!", sagte ich und legte einen Hand auf ihre Schulter.
"Dankeschön, Helena. Ich muss gleich noch ein Bild von meinen drei Mädels machen lassen. Ihr seht einfach perfekt aus!"
"Danke. Kann man dir irgendetwas gutes tun?"
"Du könntest schauen, ob der Bräutigam da ist, das wäre wichtig", mischte sich Laila ein.
"Ja klar, mache ich", sagte ich, lächelte und verließ den Raum. Nur um ein paar Türen später wieder anzuklopfen.
"Ja?", Ein Mann, Maxis Vater, öffnete die Türe.
"Hallo, ich bin Helena, eine von Melinas Freundinnen. Ich soll nur kurz nachschauen, ob bei euch alles in Ordnung ist."
"Komm rein!", rief Maxi. Ich ging zu ihn und umarmte ihn.
"Mama, Papa, das ist Helena. Erinnert ihr euch? Die gute Freundin von Melina, die so oft mit ihr telefoniert hat."
"Du weißt davon?", fragte ich überrascht. "Das ist gut."  Er lächelte.
"Natürlich weiß ich von dem Mädchen, das als Namenspatin für meine Tochter in Frage kommt", erwiderte er.
"Oh wow...Na toll, jetzt bringst du mich gleich zum weinen", seufzte ich und spürte sofort, dass ich recht hatte. Die Anwesenden lächelten zum Glück und ich tat es ihnen gleich.
"Vor Freude hoffe ich."
"Natürlich, natürlich. Oh wow, das wird ein Tag... Ich gehe aber lieber schnell wieder zurück zu Melina, nicht, dass sie sich Sorgen macht."
"Gut. Wir sehen uns gleich."
Ich nickte. Lächelnd und gleichzeitig eine Träne aus meinem Augenwinkel wischend verließ ich das Zimmer, nur um auf dem Gang fast in jemanden hineinzurennen.Noel. Mit Behati an der Hand. Natürlich. Wer sonst?
"Lena!", rief Bee und strahlte. Noel sah genauso glücklich aus, wie ich mich fühlte. Also eher innerlich als äußerlich lächelnd. Oder auch nicht.
"Hey, Behati. Ein tolles Kleid hast du an! Und du siehst wunderschön aus!"
"Du hast doch das gleiche Kleid an", kicherte Behati und grinste weiter. "Du siehst so schön aus! Oder Nono?" Behati sah ihren großen Bruder an.
Der räusperte sich. Mein Herz pochte wie verrückt in meiner Brust. Was war los mit mir?
"Natürlich. Helena, du siehst wie immer sehr hübsch aus", meinte er und fuhr sich unsicher mit der Hand durch das Haar.
"Danke. Du auch", stammelte ich. Etwas lahmeres konnte mir nicht einfallen?
"Meinst du, wir können nachher irgendwo reden?", fragte Noel denn. WAS? REDEN? HEUTE? - war mein erster Gedanke. Aber das konnte ich ihm nicht mitteilen. Nicht hier, nicht jetzt.
"Sicher." Ich war ganz unruhig neben ihm. Einfach alles an ihm beunruhigte mich. Seine Blicke, Gesten, Mimik, seine pure Anwesenheit.
"Dann sehen wir uns gleich."
"Genau. Soll ich Behati mit zu Melina nehmen?"
"Oh...Ja. Danke."
Es war komisch. So kurz angebunden hatte ich ihn nie erlebt. Es war schlimmer, als damals, als wir uns gehasst haben. Damals hatte er mir zwar sehr wehgetan, so wie ich ihm auch, aber wir hatten trotzdem Spaß gehabt und einfach gesagt, was uns durch den Kopf gegangen war- was oft fies war. Aber jetzt redeten wir gar nicht. Was einfach nur grausam weh tat.

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