Die größte Freude erlebt man da, wo man sie am wenigsten erwartet

147 22 7
                                    

Ich hatte gestern das Abendessen ausfallen lassen und hatte mich bemüht, gleich in den Schlaf zu sinken. Ebenso angestrengt bemühte ich mich jetzt beim Frühstück um ein ungezwungenes Lächeln. Nick hatte Geburtstag und es sollte ein unvergesslicher Tag für ihn werden.

„Herzlichen Glückwunsch zum ersten zwei-Ziffern-Geburtstag Großer!" Dad wuschelte Nick durch die Haare und umarmte ihn dann stolz.

Ich hob meine Teetasse und stieß mit seiner Kakaotasse auf seinen Geburtstag an. „Alles Gute, Nick!"

Er grinste. „Es gibt keinen einfacheren Geburtstag, als zehn zu werden. Außer vielleicht fünf...hm...weißt du wieso?"

Ich holte tief Luft. „Nein, wieso?"

„Weil ich jetzt einfach nur beide Hände hochheben muss, wenn mich die Leute fragen, wie alt ich bin"

„Du könntest auch einfach nur zehn sagen, Schatz" Mom kam, mit einem Berg Bacon, Spiegelei und Toast zum Tisch und umarmte ebenfalls ihren sooo großen Sohn.

„Wann kommen denn die Gäste?"

Mom lachte. „Ich fürchte erst in sieben Stunden, mein Schatz"

„Kann ich dafür eure Geschenke jetzt schon aufmachen?"

Mom und Dad nickten aufgeregt. Sie hatten Nick ein eigenes Fahrrad gekauft. Bis jetzt, war er mit meinem Alten gefahren, aber das neue hatte jetzt eben auch noch die Querstange und war nicht rot sondern blau und war einfach perfekt für einen zehnjährigen Mann.

Dementsprechend breit war Nicks Grinsen, als er das Frühstück Frühstück sein ließ, hinausrannte und das Rad sah. Samt obercoolem Helm natürlich.

„Wie coooooooooooool!" Übermütig sprang er auf das Fahrrad und drehte die erste Runde ums Haus.

„Das ist endcool, Mom! Dad, schau mal!" Er nahm eine Hand vom Lenker und fuhr einen gefährlichen Schlenker, der Mom ein bisschen erblassen ließ. Doch Dad feuerte ihn nur dazu an, auch noch die Zweite vom Lenker zu nehmen, woraufhin Mom entnervt ins Haus ging.

Total aufgedreht saßen dann schlussendlich wieder alle am Tisch und sahen auf ihre Teller. Mom hatte doch tatsächlich ein lächelndes Gesicht aus dem Frühstück gelegt. Die beiden kleinen Spiegeleier funktionierten als Augen, der Speck als breites Lächeln, die beiden Toastdreiecke als Ohren. Oder so.

„Wann kommen die Gäste?", quengelte Nick wieder.

Ich rollte mit den Augen. „In sechs Stunden und fünfundfünfzig Minuten, Nick!"

„So lange noch?"

Ich nickte.

„Und was ist dein Geschenk, Sum?"

Mit überaus stolzer Miene überreichte ich ihm die beiden letzten Star-Wars-DVDs.

„Wow! Das ist endcool!" Er drückte die DVDs an sich.

„Dazu gehören auch die beiden hier" Mom legte die beiden Laserschwerte auf den Tisch und Nick schien langsam zu hyperventilieren.

„Krass! Dann kann ich mit Noah Star-Wars nachspielen!" Er griff nach dem blauen Schwert und involvierte Dad in einen Nahkampf. Dem fiel allerdings schon bald sein rotes Schwert aus der Hand und er taumelte einige Schritte zurück, fiel zu Boden und machte röchelnd seinen letzten Atemzug.

Nick johlte begeistert: „Gewonnen! Ha! Gewonnen! Looser!"

„Super" Mom klatschte begeistert in ihre Hände und half dann Dad beim Aufstehen. „Ich würd sagen, wir warten mit dem Kuchen auf deine Gäste oder Nick?"

Er nickte, der Kuchen schien ihm gerade recht gleichgültig zu sein. Fast so, als hätte er nicht tagelang überlegt, welches Marzipanbild darauf sein sollte.

„Allerdings haben wir noch was anderes für dich!"

Nick starrte sie aufgeregt an und seine Augen wurden, unglaublich aber wahr, noch größer, als Dad ein Geschenk hinter dem Rücken hervorzauberte.

„Eine Wasserpistole! So eine wie Noah sie hat! Danke!!!!"

„Hauptsache du und Noah spritzt jemand anderes nass", mahnte ich.

Nick kicherte, dann schien ihm wieder was einzufallen: „Wann kommen sie denn endlich? Ich will nicht so lange bis zum Nachmittag warten" Er sah zu mir. „Und ich will auch nicht, dass Roy fehlt!"

Ich zuckte zusammen.

„Ich bin sicher, Summer gibt einen großartigen Clown ab, Nick", versuchte Mom die Situation zu entschärfen.

„Wenn, dann nur, weil das Kostüm ihr gut steht, nicht weil ihre Witze witzig sind", murmelte Nick, doch dann wechselte er recht geschickt das Thema. „Ich fahr zu Noah okay? Er muss die Schwerter und die Wasserpistole und das Fahrrad unbedingt sehen!"

Mom wäre es lieber gewesen, wenn er bei uns geblieben wäre, aber ich denke so etwas in ihrem Blick gesehen zu haben, von wegen: na wenigstens unternimmt ER was. Ein kleiner Seitenhieb, der mich dazu veranlasste, mich im Zimmer einzusperren und dort nach Witzen zu googleln. Auch wenn ich gut genug wusste, dass ich selbst den besten Witz nicht so rüber bringen würde, als dass alle in Lachtränen ausbrechen würden. Leider nicht.

Nick und Noah kamen knapp fünf Minuten vor den geladenen Gästen. Um zehn nach vier wurde das aufgeregte Geplapper und Geschrei von all den Jungs ohrenbetäubend laut und so bat Mom mich, meine Vorstellung vor zu verschieben.

Tja und dann saß ich da in meinem Zimmer auf meinem Bett. Ein Clownskostüm an, ein aufgemaltes Lächeln im Gesicht. Tränen in den Augen. Zitternd und möglichst nicht daran denkend, wer eigentlich gerade in diesem Kostüm hätte stecken sollen...

Die Kinder, sorry, die Halb-Erwachsenen, klatschten begeistert, als ich mich auf den Tisch auf der Terrasse stellte.

Ich versuchte zu pfeifen, um sie verstummen zu lassen, doch ich kriegte es nicht hin. Der erste Lacher. Zwar ungewollt, aber immerhin.

„Hallo, meine Lieben. Wer von euch hat heute Lust zu lachen?!"

Unendlich viele Kinderhände schossen in die Höhe.

„Also...es klopft an die Tür. Der kleine Jack öffnet sie. Sagt der Mann vor der Tür, er sammle Spenden fürs neue Schwimmbad. Meint Jacks Mutter: „Gib ihm zwei Eimer Wasser!""

Die meisten, wahrscheinlich die Helleren unter ihnen, lachten. Doch gleichzeitig hörte ich Noah raunen: „Hey Nick, das ist doch deine Schwester! Hast du nicht gesagt, es käme ein echter Clown?"

Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen und als ich Nicks enttäuschten Gesichtsausdruck sah, setzte ich wirklich alles daran, um ein echter Clown zu sein.

„Okay also...ähm...Sagt ein Junge zu seinem Freund: „Du ich war grad drei Wochen lang im Urlaub und stell dir vor, es hat nur zwei Mal geregnet-""

„Ja ja...einmal zwei Wochen lang und einmal eine Woche lang! Den kennt doch echt jeder", unterbrach einer der Jungen.

Ich schluckte und sah aus dem Augenwinkel, wie Nick tapfer lächelte.

„Okay okay...kennt ihr den schon?" Ich suchte fieberhaft nach einem anderen Witz, aber alle waren wie gelöscht.

„Los, spritzen wir den Clown nass!" Noah angelte sich kurzerhand Nicks Wasserpistole, die der schon den ganzen Tag mit sich herum schleppte, und zielte mit einem kalten Wasserstrahl auf mich.

Ich schrie spitz auf. „Wartet. Okay...ähm...Treffen sich...treffen sich ein Hai und ein Kuckuck. Ruft der Hai: Kuckuck. Antwortet der Kuckuck-"

„Hi"

Mir blieb das Herz wortwörtlich stehen, als ich dieses Mal unterbrochen wurde.

Mit hastigem Blick suchte ich die Reihen der Kinder nach demjenigen ab, dessen Stimme ein Erdbeben in mir auslösen konnte.

Und ich sah ihn.

Die Kunst des ClownsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt