Dieser Tag ist für viele wahrscheinlich etwas besonderes, für mich allerdings ein einziger Albtraum. Ich bin auf der Hochzeit meiner Cousine geladen. Leider kenne ich hier sehr wenige, langweile mich seit mehreren Stunden und diese ganze Feierlichkeit liegt mir sowieso nicht unbedingt.
Weil es drinnen zu warm wurde, bin ich nun draußen und genieße meinen alkoholfreien Cocktail. Es ist Januar, Schnee liegt zwar nicht, dennoch sind die Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mein Blazer ist nicht wirklich geeignet für diese Jahreszeit."Hast du Spaß, Stella?", fragt mich meine Cousine, als sie sich neben mich stellt. Sie riecht nach Alkohol, es scheint einiges geflossen zu sein, aber mich stört das weniger.
"Wenn man davon absieht, dass ich niemanden außer dich und deinen Mann, deine Eltern, meine Eltern, meine Großeltern und diesen komischen Fußballer kenne, ich seit etwa zwei Stunden nichts gemacht habe außer zu essen und trinken, dann habe ich Spaß, ja."
"Tut mir leid, dass ich mir keine Zeit für dich nehme. Ich versuche irgendwie alle mal anzusprechen, aber trotzdem habe ich noch nicht einmal mit der Hälfte der Gäste gesprochen."
"Es ist ja nicht deine Schuld. Du weißt ja, dass ich Hochzeiten generell nicht so spannend finde. Mach dir keinen Kopf, ich denke schon, dass die Meisten Spaß haben."
Ich versuche sie etwas zu ermutigen und lächel bei meinen Worten. Natürlich, es ist für sie wahrscheinlich der schönste Tag in ihrem Leben, alles soll perfekt sein, aber dann bin auch noch ich anwesend, die am liebsten direkt nach der Trauung wieder daheim gewesen wäre.
"Der Fußballer heißt übrigens Marco und ist auch allein hier.", zwinkert sie mir zu und begibt sich wieder in den Festsaal.
Nun stehe ich wieder allein in der Kälte, abgesehen von den anderen Gästen, die ich allerdings nicht mal im Ansatz kenne.
Ich seufze aus Verzweiflung. Eigentlich könnte ich gehen und es mir daheim gemütlich machen. Das würde allerdings unhöflich sein und gegenüber meiner Cousine ein schlechtes Fazit sein. Ich werde mich also zusammenreißen und die nächsten Stunden irgendwie tot schlagen."Kann ich denn ein Foto mit dir machen?", höre ich eine Kinderstimme im Hintergrund fragen.
Ich drehe mich herum um das Geschehen zu beobachten. Ein kleiner Junge, ich weiß ihn nicht zuzuordnen, bittet gerade "Marco" um ein gemeinsames Foto. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung davon, wie berühmt oder gut er ist. Ich kenne ihn vom Sehen, kann ihn jedoch keinem Namen geben.
Als der Junge sein Foto hat, geht dieser strahlend zu seinen Eltern, zeigt stolz seine Errungenschaft, während der Fußballer einfach seinen Weg an das Geländer neben mir macht und sich dann niederlässt.
Sein Blick fällt kurz auf mich, dann starrt er in die Finsternis.
Es ist merkwürdig, wie er sich verhält. So abgehoben, arrogant, als hielt er sich für etwas besseres."Vom Gucken erfährst du auch nicht viel mehr."
Mit roten Wangen wende ich meine Augen sofort von ihm ab und blicke nach links, wo das Wasser des Sees die Lichter wiederspiegelt. Es ist mir definitiv peinlich, dass er gemerkt hat, wie ich ihn gemustert habe. Na gut, was heißt mustern, ich habe lediglich sein äußeres Auftreten beurteilt. Und er sieht wirklich nicht schlecht aus.
"Vielleicht will ich auch gar nicht mehr wissen.", gebe ich schließlich zurück, obwohl ich eigentlich nicht weiter darauf eingehen wollte.
Obwohl mein Blick immer noch ins Leere geht, merke ich, wie seine Augen nun auf mich gerichtet sind. Es ist mir unangenehm, aber ich versuche mir möglichst nichts anmerken zu lassen. Natürlich funktioniert das nicht wie gewollt und ich drehe mich schließlich gänzlich mit dem Rücken zu ihm, beobachte also die ganzen Lichter, die am Geländer festgemacht sind.