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Kaiser Merido rieb sich müde die Augen. Er verlangte nach Wasser und ein Diener beeilte sich, dem Kaiser einen goldenen Kelch davon zu reichen. Merido trank zügig, während er einem seiner Schatzmeister mit halbem Ohr zuhörte.
"Deshalb, mein Kaiser, schlage ich vor, dass wir die Steuern für den Erlös aus Feldfrüchten um zwei Goldstücke erhöhen.", endete dieser gerade seinen langen Vortrag.
Merido lehnte sich vor. "Und wie wollt Ihr diese den Bauern nehmen, Schatzmeister?", fragte der Kaiser. "Ist Euch bewusst, was wir bereits an Steuern einnehmen? Ist Euch bewusst, dass mein Reich im Wohlstand lebt, während das einfache Volk hungert? Wie viel von dem Gold wandert dabei in Eure eigene Tasche?"
Der Schatzmeister stockte. Man hatte ihm gesagt, der Kaiser liebe das Gold und er dachte er würde den Antrag anstandslos durchbringen. Im Stillen verfluchte er seinen Informanten.
"Nun, Hoheit, ich bin mir unseres Wohlstandes durchaus bewusst, aber wen kümmert der gemeine Pöbel? Ist es nicht in Eurem Sinne, die Schatzkammer weiter zu füllen?"
"Ihr maßt Euch an, so über mein Volk zu sprechen?" Merido wurde zornig.
"Wachen! Nehmt diesen Wurm fest! Es war ein Fehler Euch in das Amt eines Schatzmeisters zu berufen.", befahl der Kaiser mit lauter und voller Stimme.
Der ehemalige Schatzmeister fiel auf die Knie und wimmerte.
"Mein Herr, ich bitte Euch. Ich bin Euer ergebener Diener!"
Merido erwiderte mit Schweigen, während die kaiserlichen Wachen den Mann abführten.
Der Kaiser ergriff abermals das Wort, diesmal an seinen Rat und seine Bediensteten gerichtet.
"Seid Euch eines gewiss. Ihr alle, sowie all die Menschen in meinem Reich, sind mir kostbar! Unsere Bergwerke liefern genug Gold, Silber, Eisen und andere Kostbarkeiten um die Krone und ihre Ausgaben zu verhalten!
Ich senke hiermit, damit auch die Schwachen stark werden, die Steuern auf zwei Silberlinge pro Mann, Frau und Kind! Desweiteren werden jedem, der der Krone in Waffen dient eine Solderhöhung gewährt. Fortan sollen auch die einfachen Fußsoldaten vier Goldstücke pro Tag erhalten."
Ein erstauntes Raunen ging durch den Thronsaal. Das würde dem jungen Kaiser die Treue der Armee und die Liebe seines Volkes sichern.
Inmitten des Jubels kam ein verschwitzter Bote und warf sich vor dem Thron auf den Boden.
"Mein Herr! Mein Herr, vergebt mir. Ich bringe schlechte Kunde!"
Merido runzelte die Stirn.
"Steh auf Junge. Sag, was du zu berichten hast."
Der Bote richtete sich auf die Knie auf und ließ sein Haupt gesenkt.
"Mein Herr, der ehemalige Erzmagier und Prophet starb gestern den Flammentod!"
"Was sagst du da?", der Kaiser wirkte entsetzt.
"Wie konnte das passieren und wo war er? Sprich!"
Der Bote sag den Kaiser nun an. Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er war den ganzen Tag im Galopp  geritten und hatte mehrere Pferde zu verantworten.
"Er ließ sich in einem kleinen Dorf unweit der Hauptstadt nieder. Es sind im Galopp etwa 8 Stunden.
Der Dorfälteste schickt mich."
Der Kaiser wirkte nun entgeistert.
"Sattelt mein Pferd und sagt der Leibgarde, sie soll sich bereitmachen! Rasch jetzt!", brüllte Meridon.
Der Rat wirkte unerfreut ob ihrer Anliegen. Als einer der Ratsherren den Mund öffnen wollte, schnitt ihm der Kaiser das Wort direkt ab.
"Schweig, das was Euch beschäftigt, muss warten! Ich bin in Eile. Sagt den Burschen sie sollen sich sputen, verdammt." Mit wehendem Mantel verließ der junge Kaiser den Saal und hinterließ einen Haufen offen stehender Münder.

Als der Kaiser auf den Hof trat, war seine Leibgarde bereits aufgessen und in Formation. In ihren brünierten Kettenhemden und der geschwärzten Plattenrüstung um deren Schultern sich ein schwarzer Mantel legte, sahen sie eines Kaisers würdig aus. Die Gesichter waren nur den Kameraden und dem Kaiser selbst bekannt. Auf den ebenfalls schwarz bemalten Schilden, sowie auf den Mänteln und Rüstungen waren das Wappen des Kaiserhauses und -reiches in silber abgebildet. Der große Baum symbolisierte die Verbundenheit des Volkes mit dem Reich und umgekehrt. Die Krone verdorrt ohne die Wurzel und ohne die Krone stirbt die Wurzel lautete ein bekanntes Sprichwort bei Adel sowie Volk.
Meridon schwang sich in den Sattel seines Hengstes, einem schneeweißen Schimmel und gab ihm unverzüglich die Sporen. Die Leibgarde, allesamt auf Rappen, folgten unverzüglich.
Meridon gab einen strengen Galopp vor und erreichte das Dorf viel schneller, als der Bote es mit den zuschund geritten Pferden konnte.
Den Bauern, Handwerkern und anderen Einwohnern blieb vor Erstaunen und Ehrfurcht die Atem stehen und alle beugten das Knie.
Die kaiserliche Kolonne zog durch das Dorf und kam an zwei Garnisionssoldaten vorbei, die einen großen fetten Mann zwischen sich führten.
Die Soldaten hatten den Befehl, nur bei besonderen Vorkommnissen ihren Stützpunkt zu verlassen. Als sie den Kaiser sahen, gingen auch sie in die Knie, wobei sie vergebens bemühten, den Gefangenen zum knien zu zwingen. Dieser blieb einfach stehen und glotzte mit unverhohlener Verachtung dem Kaiser ins Gesicht und wagte es auszuspucken.
Meridon ließ halten und stieg ab.
"Wer seid Ihr?", fragte er den Mann.
"Das geht dich einen Scheißdreck an, du verdammter Hund!", spie Jurtof aus. Er war noch immer betrunken und er machte den Kaiser persönlich für sein Unglück verantwortlich.
"Seht, was Ihr aus mir gemacht habt, Ihr scheiß..." Weiter kam er nicht. Einer der Leibwächter rammte ihm die in Kettenhandschuhe bewehrte Faust in die Magengrube.
"Halt! Lass ihn sprechen.", gebot der Kaiser Einhalt, als der Soldat sein Schwert aus der Scheide zog. Man konnte trotz Kapuze sehen, wie der Mann die Zähne bleckte, aber gehorsam den Kopf senkte. Die Klinge behielt er jedoch in der Hand.
"Was habe ich aus Euch gemacht, Mann? Sprecht!", beschwor Meridon den Mann, der seinen Magen hielt.
Jurtof sah ihn voller Hass an.
"Leckt meinen haarigen Arsch, Ihr Sohn einer..."
"Jurtof du Narr, halt deinen Mund, ertönte es hinterhalb des Kaisers. Dieser drehte sich um, nicht ohne den Mann, der ihn fortwährend beleidigte mit harten Augen zu mustern.
Der Sprecher war ein alter, grauer Mann.
Der gebrechliche Greis kam näher und fiel auf die Knie.
"Vergebt mir, mein Kaiser, Jurtof ist nicht mehr, was er einst war."
"Und wer bist du? Erhebe dich Alter, der Boden ist kalt."
Mühsam versuchte der Alte sich aufzurappeln, bis ihm einer der Leibwächter mitleidig hochhalf.
"Vielen Dank, Mylord. Ich bin der Dorfälteste Drepo. Ich habe den Boten zu Euch gesandt. Ihr wisst, um was es geht, nicht wahr? Dennoch hätte ich es mir nie träumen lassen, dass Ihr selbst auftaucht, vor allem nicht so rasch."
"Ja, ich habe die schreckliche Kunde vernommen. Männer nehmt diesen Tor in Gewahrsam, ich befasse mich später mit ihm.", meinte Meridon und deutete mit einer gelangweilten Handbewegung auf Jurtof.
"Ihr jedoch", wandte er sich an den Ältesten, "Ihr zeigt mir den Ort der Tragödie. Habt Ihr zufällig eine Schriftrolle der Prophezeiung? Wenn ja, lasst sie kommen."
Der Greis wandte sich an einen Jungen, der ihn ständig begleitete.
"Lauf mein Junge und hole die goldene Rolle aus meinem Haus. Lauf geschwind!"
Der Junge beeilte sich und lief davon.
Der Alte wandte sich an den Kaiser.
"Wenn Euer Gnaden mir bitte folgen mögen.", sprach er und ging vorraus.
Der Kaiser gab seiner Leibwache einen Wink und der Trupp stieg aus den Sätteln.
Drei von ihnen nahmen die Pferde, zwei verstärkten die Soldaten, die Jurtof festnahmen, der Rest folgte ihrem Herrn.
Der Greis lief langsam, das Alter hatte ihn gebeugt. Meridon nahm darauf Rücksicht, auch wenn ihn Ungeduld und Zweifel plagten. Trotz der kühlen Luft, stand ihm Schweiß auf der Stirn und er kaute verzweifelt auf seiner Unterlippe.
Überall verbeugten sich die Einwohner des Dorfes.

SandwurmWo Geschichten leben. Entdecke jetzt