Glassplitter (2)

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"Es tut mir leid, wenn ich ihre kleine Mitarbeiterbesprechung stören muss, aber ich habe hier die Unterlagen und sie machen den Eindruck, dass sie gerne wissen würden, worum es denn nun genau geht. Und dann wären da eben noch ein paar Formalitäten zu klären. Also wenn sie soweit sind, ich kann sofort loslegen", Carla lehnte mit einem Stapel Blätter im Arm im Türrahmen. "Legen sie los, Carla. Wir halten sie ja schließlich vom Arbeiten ab. Und nennen sie uns bitte beim Vornamen. Also nochmal von vorne: ich bin Anthony, dass neben mir ist George und zu meiner Linken sitzt Lucy. So alt sind wir ja noch nicht.", Lockwood lächelte ihr aufmunternd zu. Hatten wir sie tatsächlich eingeschüchtert? Wirkten wir so alt, so erwachsen, so ehrfurchterregend? Klar, wir waren Agenten, aber wir wurden immer als seltsam abgestempelt, ein Teil der Gesellschaft, der wichtig war, aber gleichzeitig auch absonderlich und nicht gerne gesehen. Ein Geheimnis, von dem jeder wusste, das aber nie in die Öffentlichkeit trat.

"Okay", Carla atmete tief durch stellte sich aufrecht hin und begann zu erzählen. Dieses Mal lauschten wir alle gebannt und George vergaß sogar für einen Moment seine Cupcake und ich umklammerte meine Teetasse so fest, dass ich mir fast die Hände verbrannt hätte.

"Wie ihr vielleicht wisst, läuft es bei uns gerade nicht so gut. Normalerweise strömen um diese Jahreszeit tausende Menschen in die Studios, um sie zu besichtigen. Aber dieses Jahr läuft irgendetwas anders als sonst. Niemand kann es sich so genau erklären. Eigentlich hatten wir gedacht, es läuft dieses Jahr besonders rund, gerade weil 'Harry Potter and the Cursed Child' auf die Bühne kam, wir hatten mit einer neuen Hype-Welle gerechnet. Nur fiel diese nicht in ganz so großem Stil aus, wie wir es uns erhofft hatten. Auch der neue Film war bis jetzt den Besucherzahlen noch nicht zuträglich. Jedenfalls wollen wir durch eine Erneuerung beziehungsweise Erweiterung wieder mehr Menschen in die Studios locken. Die Idee steht, uns fehlt es nun an den geeigneten Leuten, die diese Idee umsetzen. Und da kommt dann ihr ins Spiel. Der Titel der 'Aktion Geisterglas' enthält hierfür schon eigentlich die wichtigsten Informationen: Geister und Glas, genauer Geister hinter Glas. Wir wollen in der 'Großen Halle' eine Art Aquarium für Geister bauen, in dieser gesicherten Anlage befinden sich dann echte Geister, die die Besucher beobachten können. Der Sunrise Konzern ist bereits für diesen Auftrag gebucht, wir haben auch schon etliche Agenten und Fachberater im Einsatz, die die geeigneten Geistertypen auswählen. Nun brauchen wir die Hilfe von weiteren qualifizierten Agenten, die die entsprechenden Quellen bergen, bzw. die gewünschten Geister 'besorgen'. Ich weiß das klingt jetzt erst einmal total-"

"Wow. Das ist einfach unglaublich. Ich meine die Idee ist gigantisch", unterbrach George sie, bevor sie sich wieder ausführlich erklären konnte. "Naja, ich weiß nicht", warf Lockwood ein. "Ist das nicht verdammt gefährlich. Ich meine die Quellen so zu sichern, dass die Geister nichts anrichten können und dann noch dieses 'Aquarium'. Wenn irgendetwas passiert oder kaputt geht, dann gefährden wir oder sie das Leben unschuldiger Menschen. Und gleichzeitig könnte das Ganze auch die gegenteilige Wirkung bei ihren Gästen erzielen." Ich  schwieg und blickte gespannt Carla an. Auch sie rang noch mit sich. "Ich weiß, das alles birgt sehr viele Risiken und ist auch einkalkuliert. Aber ihr müsst verstehen, das ist die letzte Chance. Oder eben die letzte Chance für mich."

Es machte Klick.

"Wenn wir uns bitte kurz besprechen dürften, Carla. Ein wenig frischer Tee wäre nett", schaltete sich Lockwood mit einem freundlichen, aber auch tröstlichem Lächeln ein "Klar." Sie huschte aus derselben blauen Tür, die sie vorhin schon benutzt hatte. Er wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte und wandte sich dann uns zu. "Also, wie siehts aus?" Seine Augen blitzten verschwörerisch und George grinste zurück. Ich seufzte und sah mich schon wieder schlammbespritzt auf einem dunklen Friedhof stehen. Dabei gut bezahlt zu werden konnte das Bild nicht sehr verbessern. Aber Carla war schon verzweifelt und irgendwie hatte es auch einen Reiz an so etwas Großem beteiligt zu sein. Auch wenn mich die vermeintlich unauffälligen Blicke, die meine Kollegen unserer gutaussehenden Auftraggeberin zuwarfen jetzt schon, nun ja, störten.

Lockwood&Co. One-ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt